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Die drei Zell-Dompteure

Preisverleihung. - Drei Stammzellforscher erhalten in diesem Jahr den Robert-Koch-Preis. Er ist eine der weltweit wichtigsten Auszeichnungen für medizinische Grundlagenforschung und mit 100.000 Euro dotiert. Alle drei Preisträger setzen sich für die Forschung mit menschlichen embryonalen Stammzellen ein.

Von Michael Lange |
    Seit über 30 Jahren beschäftigt sich der heute 69jährige Irving Weissman mit Stammzellen. Schon in den siebziger Jahren erkannte er das ständige Prinzip der biologischen Erneuerung. 1988 gelang es ihm Blutstammzellen im Labor zu isolieren und zu erforschen. Mittlerweile arbeitet Irving Weissman an der Stanford-Universität in Kalifornien auch mit embryonalen Stammzellen des Menschen.

    "Es ist wahr: Embryonale Stammzellen können alle Gewebetypen bilden. Aber es handelt sich nicht um natürliche Zellen. Sie leben in Petrischalen und Laborgefäßen."

    Embryonale Stammzellen sind sehr aktiv und teilungsfreudig. Da verwundert es nicht, dass sie Tumore bilden können. Irving Weissman erforscht die Ursachen für die Entstehung embryonaler Tumore, so genannter Teratome. Der Begriff stammt aus dem Griechischen bedeutet Geschwulst, aber auch Ungeheuer. Irving Weissman spricht deshalb gerne auch von einem Monster, das er mit Antikörpern beherrschen will. Mit speziellen Immunmolekülen will er die gefährlichen Zellen in einer Stammzellenkultur erkennen und herausfischen. Weissman:

    "Wir haben bereits sehr gute Daten, die zeigen, dass wir tumorbildende Zellen mit Antikörpern aus einer embryonalen Stammzellen-Kultur entfernen können. Das macht die Zellen nicht billiger, aber sicherer."

    Hans Schöler erforscht seit vielen Jahren die besondere Wandlungsfähigkeit embryonaler Stammzellen. So entdeckte er den Faktor Oct 4, als ein Merkmal und eine Ursache der Pluripotenz von Stammzellen. Das Molekül sorgt also dafür, dass Stammzellen sich in verschiedene Gewebe verwandeln können: Zu Hautzellen, Blut-, Muskel- oder Nervenzellen. Ein besonderer Coup gelang Hans Schöler im Mai 2003.

    "Die Tatsache, dass ich in Philadelphia, damals an der Universität von Pennsylvania, aus embryonalen Stammzellen Eizellen abgeleitet habe, damals alles an der der Maus, das wurde schon als Durchbruch gesehen. Andere haben das dann auch auf den Menschen übertragen."

    Hans Schöler forscht heute am Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster. Dabei steht nach wie vor die Wandlungsfähigkeit von Zellen im Mittelpunkt seiner Arbeit.

    "Wir können eigentlich Zellen wie auf einem Verschiebebahnhof hin und herschieben. Genau wie Sie dort Züge hin und her schieben, können wir aus Nervenzellen Eizellen machen und solche Dinge. Für uns ist es ganz wichtig, dass wir diese grundlegenden Prozesse verstehen, die man im Körper einer Maus oder beim Menschen gar nicht untersuchen kann."

    Ein wichtiger Durchbruch gelang im Jahr 2006. Der Japaner Shinya Yamanaka von der Universität Kyoto konnte reife Körperzellen durch das Einschleusen bestimmter Gene in pluripotente Stammzellen verwandeln. Diese Zellen besitzen ähnliche Eigenschaften wie embryonale Stammzellen. Sie erhielten den Namen: IPS - Induzierte Pluripotente Stammzellen. So entstand die Hoffnung, dass besonders wandlungsfähige Zellen für zukünftige medizinische Anwendungen nicht unbedingt aus Embryonen stammen müssen. Das bedeutet aber nicht, dass embryonale Stammzellen für die Forschung überflüssig geworden sind, betont Shinya Yamanaka.

    "Wir müssen unsere Zellen mit embryonalen Stammzellen vergleichen. Auf längere Sicht ist es mein Ziel, den Verbrauch von Embryonen zu verhindern. Aber um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir weiterhin Zellen untersuchen, die wir aus menschlichen Embryonen gewonnen haben."