In labyrinthischen Großstädten wohnen diese Menschen und in dunklen, engen und verwahrlosten Räumen. Räume, die die Autoren als Bühne für Kammerspiele nutzen, wo die Kameras die intime Nähe zu den Figuren suchen. Und es ist, als hätten sich die Regisseure zur Langsamkeit entschieden, zu langen Einstellungen und zum einfachen chronologischen Erzählen, damit die Inszenierungskunst das leidende Personal nur ja nicht verdeckt. Vor allem die Kinder nicht, wie im estnischen Film "Magnus" von Kadri Kousaar.
Magnus heißt der traurige Held, der sich als Jugendlicher in Gegenwart des Vaters und mit dessen Einverständnis das Leben nimmt. Der Vater, ein gemütlicher Kiffer und geldschwerer Zuhälter, bekennt danach mit Blick in die Kamera: Eigentlich hatten wir Magnus abtreiben wollen, als er aber schon einmal auf der Welt war, dachten wir, Kinder werden irgendwie von alleine groß. Erst beim ersten Suizid-Versuch des Sohnes ahnt der Vater die durch die Eltern verursachte Einsamkeit des Kindes. Seine ungeschickten Rettungsversuche, von denen der Film erzählt, kommen zu spät.
Auf Einsamkeit des Kindes in der zerstörten Familie schaut auch der chinesische Altmeister Hou Hsiao Hsien in "Le voyage du ballon rouge". Der Vater hat sich davongemacht, die Mutter schuftet, und der sensible, schweigsame kleine Junge imaginiert in seiner Verlorenheit einen auch dem Zuschauer sichtbaren roten Luftballon, der das verträumte Kind durch die Stadt begleitet. Stets fürchtet man, das knallige und dünnhäutige Ding könnte an der nächsten Kante zerplatzen, wie Seele des Jungen. Das etwas sentimentale Motiv eines in Paris verliebten Chinesen. Juliette Binoche spielt den Überlebenskampf und den Organisationskrampf der alleinerziehenden Mutter sehr intensiv, aber auch ihre Lust an ihrer Kunst als Puppenspielerin.
Die ständige Überforderung der Alleinerziehenden auf Kosten der Kinder haben auch der Spanier Jaime Rosales mit "La soledad" und die Französin Mia Hansen-Love mit "Tout est pardonné" im Blick. Während Mia Hansen-Loves Heldin als Kunsthistorikerin in Wien und Paris ihre ersten beruflichen Schritte unternimmt und damit zugleich für das bescheidene Familieneinkommen sorgt, wartet ihr Mann als Dichter auf Inspiration, die ihm aber weder seine Drogen noch der Sex in fremden Betten liefern.
Weil Vergnügen und Selbstverwirklichung Vorrang haben, muss das Verhältnis zu Partner und Kind eine "Beziehung", also unverbindlich bleiben, damit man sich ihr nach Bedarf entziehen kann. So diagnostizieren es die jungen, zwischen 20 und 40 Jahre alten Regisseure in den Festivalreihen "Un certain regard" und "Quinzaine des réalisateurs". Ein vor allem auf den individuellen Bedarf ausgerichteter Lebensentwurf gilt den Jungautoren als gescheitert. Das erhoffte Glück stellt sich nicht ein, die sozialen Kosten sind hoch.
Die erfolgreiche Schauspielerin in Valeria Bruni-Tedeschis Film "Le reve de la nuit d'avant" wird zunehmend von Alpträumen geplagt. Die Kollateralschäden ihrer Karriere: kein Mann, keine Liebe, kein Kind. "Wenn du kein Kind hast, kannst du dich umbringen", sagt einer ihrer Kollegen so daher.
Und die Nachwuchsfilmer beschreiben die Probleme nicht nur, sie suchen auch nach Lösungen. Doch sie sind dabei nicht auf Politik- und Gesellschaftskritik aus, sie suchen mittels existenzieller Erfahrung nach Einsicht und Läuterung ganz im Sinne der klassischen Tragödie. Natürlich findet sich in den Kunstfilmreihen jenseits des Wettbewerbs auch das politische Kino, etwa über Frauenhandel in China, die ideologischen Konflikte der 70er Jahre in Westeuropa und die sozialen und humanen Flurschäden der Globalisierung. Doch diese Arbeiten sind in der Minderheit. Und Filme aus einer der gegenwärtigen Krisenregionen, des Nahen Ostens, sind dezidiert unpolitisch, wie die zwei Arbeiten aus dem von Kriegen erschütterten Beirut: "Un homme perdu" von Danielle Arbid und "Caramel" von Nadine Labaki. Labaki ist mit ihrem himmlisch-sinnlichen Friseurinnen-Quartett sogar einzig und allein auf Schönheit aus. Und das passt gut zu einem Festival, das neben Action, Glamour und sich selbst an der Palmen gesäumten Croisette auch gerne die Schönheit feiert.
Magnus heißt der traurige Held, der sich als Jugendlicher in Gegenwart des Vaters und mit dessen Einverständnis das Leben nimmt. Der Vater, ein gemütlicher Kiffer und geldschwerer Zuhälter, bekennt danach mit Blick in die Kamera: Eigentlich hatten wir Magnus abtreiben wollen, als er aber schon einmal auf der Welt war, dachten wir, Kinder werden irgendwie von alleine groß. Erst beim ersten Suizid-Versuch des Sohnes ahnt der Vater die durch die Eltern verursachte Einsamkeit des Kindes. Seine ungeschickten Rettungsversuche, von denen der Film erzählt, kommen zu spät.
Auf Einsamkeit des Kindes in der zerstörten Familie schaut auch der chinesische Altmeister Hou Hsiao Hsien in "Le voyage du ballon rouge". Der Vater hat sich davongemacht, die Mutter schuftet, und der sensible, schweigsame kleine Junge imaginiert in seiner Verlorenheit einen auch dem Zuschauer sichtbaren roten Luftballon, der das verträumte Kind durch die Stadt begleitet. Stets fürchtet man, das knallige und dünnhäutige Ding könnte an der nächsten Kante zerplatzen, wie Seele des Jungen. Das etwas sentimentale Motiv eines in Paris verliebten Chinesen. Juliette Binoche spielt den Überlebenskampf und den Organisationskrampf der alleinerziehenden Mutter sehr intensiv, aber auch ihre Lust an ihrer Kunst als Puppenspielerin.
Die ständige Überforderung der Alleinerziehenden auf Kosten der Kinder haben auch der Spanier Jaime Rosales mit "La soledad" und die Französin Mia Hansen-Love mit "Tout est pardonné" im Blick. Während Mia Hansen-Loves Heldin als Kunsthistorikerin in Wien und Paris ihre ersten beruflichen Schritte unternimmt und damit zugleich für das bescheidene Familieneinkommen sorgt, wartet ihr Mann als Dichter auf Inspiration, die ihm aber weder seine Drogen noch der Sex in fremden Betten liefern.
Weil Vergnügen und Selbstverwirklichung Vorrang haben, muss das Verhältnis zu Partner und Kind eine "Beziehung", also unverbindlich bleiben, damit man sich ihr nach Bedarf entziehen kann. So diagnostizieren es die jungen, zwischen 20 und 40 Jahre alten Regisseure in den Festivalreihen "Un certain regard" und "Quinzaine des réalisateurs". Ein vor allem auf den individuellen Bedarf ausgerichteter Lebensentwurf gilt den Jungautoren als gescheitert. Das erhoffte Glück stellt sich nicht ein, die sozialen Kosten sind hoch.
Die erfolgreiche Schauspielerin in Valeria Bruni-Tedeschis Film "Le reve de la nuit d'avant" wird zunehmend von Alpträumen geplagt. Die Kollateralschäden ihrer Karriere: kein Mann, keine Liebe, kein Kind. "Wenn du kein Kind hast, kannst du dich umbringen", sagt einer ihrer Kollegen so daher.
Und die Nachwuchsfilmer beschreiben die Probleme nicht nur, sie suchen auch nach Lösungen. Doch sie sind dabei nicht auf Politik- und Gesellschaftskritik aus, sie suchen mittels existenzieller Erfahrung nach Einsicht und Läuterung ganz im Sinne der klassischen Tragödie. Natürlich findet sich in den Kunstfilmreihen jenseits des Wettbewerbs auch das politische Kino, etwa über Frauenhandel in China, die ideologischen Konflikte der 70er Jahre in Westeuropa und die sozialen und humanen Flurschäden der Globalisierung. Doch diese Arbeiten sind in der Minderheit. Und Filme aus einer der gegenwärtigen Krisenregionen, des Nahen Ostens, sind dezidiert unpolitisch, wie die zwei Arbeiten aus dem von Kriegen erschütterten Beirut: "Un homme perdu" von Danielle Arbid und "Caramel" von Nadine Labaki. Labaki ist mit ihrem himmlisch-sinnlichen Friseurinnen-Quartett sogar einzig und allein auf Schönheit aus. Und das passt gut zu einem Festival, das neben Action, Glamour und sich selbst an der Palmen gesäumten Croisette auch gerne die Schönheit feiert.