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Die Elbe im Bett lassen

Wenn es nach dem Bundesverkehrsminister geht, wird die Elbe vertieft und damit ganzjährig befahrbar. Doch viele Anrainer protestieren dagegen. In Wittenberg trafen sich jetzt Vertreter von Kirche und Umweltverbänden, um eine gemeinsame Erklärung zum Schutz der Elbe zu formulieren.

Von Annegret Faber | 20.07.2012
    Die evangelischen Akademie Sachsen Anhalt in Wittenberg. Knapp 50 Menschen sitzen in einem Raum und diskutieren leidenschaftlich. Es geht um die Formulierung der Wittenberger Erklärung. Reinhard Benhöfer, Umweltbeauftragter der evangelischen Kirche Deutschland hört aufmerksam zu, diskutiert und schreibt mit.

    "Wir können uns als Institution, als Kirche, in dem Moment nicht heraus halten, wo unsere Gemeindeglieder eine Eingabe machen und uns sagen, hier wird aus unserer Sicht auch theologisches Reden notwendig, bitte sagt was dazu."

    Hier geht es um die Schöpfungsgeschichte, erklärt Benhöfer und zitiert aus der Bibel: "Es wimmelt das Wasser von lebendigen Getier". Im Fall der Elbe müsste es heißen: Es wimmelte, denn durch Ausbaumaßnahmen ist die Artenvielfalt ist in diesem Fluss stark zurückgegangen. Abgesehen davon wäre es, nach Meinung der Kirche, auch ein finanzielles Desaster, würde die Elbe weiter ausgebaut.

    "Es ist eine große Verschwendung von Geld und es ist eine Zerstörung von Naturschätzen, die durch nichts legitimiert sind."

    Der Betriebswirtschaftler, Prof. Hans Ulrich Zabel, von der Universität Halle- Wittenberg, zitiert eine Emnid Umfrage aus dem Jahr 2008. 94 Prozent der Deutschen sind demnach für naturnahe Flüsse. Ein Argument, das in Berlin Gehör finden müsste, so Zabel. Er betrachtet aber vor allem die Wirtschaftlichkeit.

    "Die Elbe auszubauen kann wirtschaftlich kaum einen Nutzen bringen, weil die Elbe ein Niedrigwasserfluss ist und bedingt durch den Klimawandel, insbesondere in den Sommermonaten, sehr wenig Wasser führt. Herr Menzel von der Wasser - und Schifffahrtsdirektion hat das sehr anschaulich gemacht indem er sagt: Man kann Wasser weder herbei baggern noch herbei schottern. Das heißt, ein Nutzen ist nicht zu erwarten."

    Nicht einmal eine Million Tonnen Güter wurden im vergangenen Jahr auf der Elbe transportiert. Zum Vergleich: Der Rhein trägt 150 Millionen Tonnen jährlich. Das Ziel, die Elbe ganzjährig befahrbar zu machen, sei unrentabel und, müsse deshalb unbedingt aufgegeben werden, fordert die Wittenberger Erklärung. Die Elbe und die Auen müssen als wichtiger Lebensraum erhalten bleiben, die Erosion der Flusssohle muss gestoppt werden, notwendig sei ein Elbegesamtkonzept mit Vorrang für den Umweltschutz. Forderungen, die der Vorsitzende des BUND Deutschland, Hubert Weiger, voll unterstützt. Er macht vor allem auf die Wassertiefe von 1,60 aufmerksam, die ganzjährig nicht umsetzbar ist.

    "Und wenn dieses Ziel aufgegeben ist und gleichzeitig die Wasser und Schifffahrtsverwaltung neue ökologische Aufträge bekommt, dann können sowohl die Arbeitsplätze in dieser Verwaltung gesichert werden, als auch die Qualität der als solche dauerhaft erhalten werden."

    Die Wittenberger Erklärung fordert das Verkehrsministerium auf, ganzheitlich zu denken, den Fluss nicht als Wasserstraße, sondern als wertvolles Ökosystem zu behandeln. Als nächstes wird die Erklärung an alle Entscheidungsträger im Bundesverkehrsministerium weitergeleitet. Das Papier soll außerdem als Erinnerung an eine Abmachung vom vergangenen Sommer dienen, erklärt Reinhard Benhöfer von der Evangelischen Kirche Deutschland.

    "Vor circa einem Jahr haben wir im Bundesverkehrsministerium eine Verabredung getroffen, dass das Bundesverkehrsministerium gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium und dann noch anderen Behörden im Jahr 2012 eine Elbekonferenz plant und durchführt, in der dann auch die Umweltverbände und auch die Kirchen beteiligt sind. Und wir hoffen sehr stark, dass das Verkehrsministerium sich an diese Abmachung hält und die Wittenberger Erklärung eine Erinnerung ist zu sagen, aha, da stehen wir im Wort, da sind Gruppen verschiedenster Herkunft, die sich sehr um den Naturraum Elbe bemühen."

    Den Testlauf für die Elbekonferenz gab es gestern in Wittenberg. Bürger, Umweltverbände und Kirchenvertreter diskutierten und einigten sich auf einen Weg, der für die Elbe, Anwohner und Wirtschaft gut sein könnte. Aber: Gefehlt haben Vertreter aus Wirtschaft und Politik.