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Die Entdeckung der Langsamkeit

Ob noch schnellere Datenspeicher oder wirklich wurm-sichere Netzwerke - die Geschwindigkeit macht den Unterschied. Mit den Facetten der Geschwindigkeit in der Informationsverarbeitung befassen sich zur Zeit mehrere Forscherteams. Physiker von der Stanford University in Kalifornien interessieren sich beispielsweise für das Tempolimit bei der Datenspeicherung mit konventionellen Festplatten. Das ist schon bald erreicht, prognostiziert Stanford-Professor Joachim Stoehr.

Von Klaus Herbst |
    Wir erforschen, wie stark die Miniaturisierung voranschreiten kann und wie man dabei immer noch schneller wird. Unser Experiment zeigt, dass Probleme zu erwarten sind, sobald die Speichergeschwindigkeit fünfundzwanzigmal schneller wird als bei heutigen Festplatten. Dann lassen sich die Bits nicht mehr verlässlich speichern. Das ultimative Tempolimit ist also nur fünfundzwanzig Mal schneller als das bereits erreichte...

    konstatiert Professor Joachim Stoehr von der Stanford University. Mit einem Teilchenbeschleuniger hat Stoehr extrem kurze Magnetfeldpulse auf eine Festplatte geschossen. Die dauerten nur etwa ein Millionstel vom Millionstel einer Sekunde, lagen also im Pikosekundenbereich. Bei dieser Größenordnung droht das Chaos. Forscher vom Hewlett-Packard-Labor im englischen Bristol betrachten das Phänomen Geschwindigkeit aus einem ganz anderen Blickwinkel. Weil sich Computerwürmer rasend schnell ausbreiten, will Jonathan Griffin dem Rechner eine Drossel anlegen: einen kurzen Code oberhalb des Ethernet-Treibers auf der Netzkarte. Den Betablocker für Computer gibt es bereits als Prototypen. Auf dem Markt ist er noch nicht. Wie das Medikament den menschlichen Herzschlag verlangsamt, um das Organ und den Körper zu schützen, so verhindert die PC-Drossel, dass ein wurmbefallener Rechner Hundert mal pro Sekunde auf andere Rechner zugreift.

    Der Computer ist infiziert. Nun gilt es, Sicherheitslücken zu schließen und den Wurm mit einem geeigneten Programm zu eliminieren. Zusätzlich sollten die Rechner davon abgehalten werden, andere zu infizieren. Das tut unsere Viren-Drossel. Sie erkennt den Wurm an seinem Verhalten, seiner Verbindungsfreudigkeit. Würmer wie Sasser oder im vergangenen Jahr der SQL Slammer breiten sich nämlich dermaßen schnell aus, dass Systemadministratoren keine Zeit haben, zu reagieren. Der Slammer-Wurm benötigte nur eine halbe Stunde, um sich weltweit auszubreiten, Geldautomaten außer Betrieb zu setzen und ganze Länder vom Internet abzuschneiden. Ein wurminfizierter Rechner mit Drossel hört sofort auf, sich gleichzeitig mit vielen Rechnern zu verbinden. Das Gerät kann auch vorübergehend ganz vom Netzwerk genommen werden.

    Nur noch ein Netzwerkzugriff pro Sekunde wird zugelassen. Amerikanische Informatiker von der University of New Mexico in Albuquerque haben nun ausgerechnet, dass dies die Wurmausbreitung vierhundertfach verlangsamt, ohne dabei den legitimen Datenverkehr zu stören. Der Faktor 400 würde also ausreichen, die Ausbreitung von Viren wirkungsvoll einzuschränken und Millionen-Schaden anrichtende Würmer auszubremsen.

    Wir haben die Anti-Wurm-Drossel drei Monate lang getestet. Lediglich zwei Prozent der Internet-Verbindungen sind um ein bis zwei Sekunden langsamer geworden. Bei fast Hunderttausend Verbindungen haben wir keinen Unterschied in der Leistung festgestellt. In den drei Monaten ist eine einzige Verbindung um fünf Sekunden langsamer geworden. Auf modernen Netzwerken spielt das kaum eine Rolle. Aber wir lernen weiter.

    ... so dass die Anti-Wurm-Drossel, auf Englisch "Throttle", wohl bald Anwendern zur Verfügung steht. Jonathan Griffin denkt schon an Throttles der neuesten Generation. Diese richten sich nicht nur gegen die Schlagzeilen machenden Schädlinge wie Sasser und Sobig, sondern auch gegen so genannte Tarnkappenangriffe. Auch hier wieder macht Geschwindigkeit den Unterschied. Denn Tarnkappenangriffe verlaufen langsam und ruhig, so dass Netzwerker sie kaum bemerken. Sie stammen von extrem geduldigen Hackern, die bereit sind, Wochen oder gar Monate zu verbringen, um unerkannt in ein Netzwerk einzudringen. Von ihnen gehen neue, erhebliche Gefahren aus, warnt der britische Sicherheitstechnologe.