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Die Erfindung des Neon-Pop

Soundcloud, Youtube, Majordeal: Die Band "Claire" hat innerhalb von zwei Jahren eine moderne Traumkarriere hingelegt. Ursprünglich als Experiment gestartet, bringen die fünf Münchner nun ihr Debüt heraus.

Von Julian Ignatowitsch | 30.09.2013
    "Weil wir das oft gefragt werden, haben wir uns überlegt, wir erfinden einfach einen Begriff, den es noch nicht gibt und das ist dann unser Musikstil; weil wenn jemand Punk macht, sagt er, wir machen Punk – und das ist ziemlich einfach. Deswegen machen wir einfach Neon-Pop und das ist auch ziemlich einfach … Neon-Pop ist mal grundsätzlich Pop-Musik, hat aber viele Einflüsse von Indie, Hip-Hop bis zu elektronischer Musik."

    Sagt Gitarrist Florian Kiermaier von der Münchner Band Claire. So hört es sich also an, das Genre des "Neon-Pop", das die aufstrebende Gruppe mit ihrem Debütalbum "The Great Escape" begründet haben will. Zweifellos ein ehrgeiziges Ziel, das die fünf Musiker und Produzenten mit Selbstbewusstsein, aber auch der nötigen Portion Ironie formulieren. Sie wissen selbst: Völlig neu ist ihr Stil nicht. Aber das ändert nichts daran, dass hier fünf ambitionierte Musiker am Werk sind, die hoch hinauswollen, was auch in ihren Texten deutlich wird:

    "We are the next ones to come", frei übersetzt heißt das: "Platz da. Jetzt sind wir dran!" Ganz so forsch soll es laut Frontfrau und Sängerin Josie-Claire Bürkle, deren zweiter Vorname titelgebend für die Formation ist, dann aber doch nicht gemeint sein:

    "Ne, auf gar keinen Fall. Uns ist erst im Nachhinein aufgefallen, dass man das falsch auffassen könnte; dass wir einen auf dicke Hose machen und sagen: ‚Wir sind das nächste große Ding!‘ Das auf gar keinen Fall. In dem Song geht es darum, Ziele zu erreichen. Das ist für uns auch ein Motivationssong, weil in der Produktion und Schreibweise war das kein leichter Song, mit dem haben wir lange gekämpft. Aber es war immer so einer, von dem wir gesagt haben, er gefällt uns krass gut, wir wollen ihn nicht aufgeben."

    Und dass sie das nicht getan haben, ist gut, denn die aktuelle Singleauskopplung "The Next Ones To Come", die bereits Ende August herausgebracht wurde, ist einer der stärksten Songs auf Claires Debütalbum. Hymnisch, mitreißend, voller Emotionen und Bilder, die die Band in ihren Liedern durchgängig heraufbeschwören:

    "Visuelles ist uns sehr wichtig. Das liegt daran, dass wir alle sehr visuell denkende Menschen sind. Wir haben alle eine große Vorstellungskraft und eine lebendige Fantasie!"

    Der rasante Aufstieg war aber selbst in der bunten Bilderwelt der Band ein ganz besonderer Farbtupfer. In nicht einmal zwei Jahren hat es Claire von einem spontan zusammengewürfelten Sound-Experiment zu einer eingespielten Pop-Gruppe mit Majorlabelvertrag gebracht. Das Debütalbum erscheint beim Universal-Ableger Island Records. Der Kontakt kam auf etwas ungewöhnliche Weise zustande:

    "Die haben uns eine Facebook-Nachricht geschrieben. Supergeil!"

    Überhaupt das Internet – es hat das Zusammenfinden und Bekanntwerden von Claire erst ermöglicht: Die Band gründete sich 2012 als ein Online-Filmprojekt mit dem Soundtrack; auf Soundcloud fand dann der erste veröffentlichte Song "Pioneers" rasend schnell Verbreitung. Die nachfolgende EP "Games" erhielt im Sommer 2013 auf Youtube 500 000 Views – das war der endgültige Startschuss!

    Der Erstling dokumentiert damit auch die Entstehungsgeschichte von Claire: Rund zwei Jahre harte Arbeit, sechs Monate davon im Studio. Wichtig war den Münchnern die Hoheit beim Komponieren und Produzieren zu behalten – mit gleich drei erfahrenen Studiotechnikern in den eigenen Reihen bezeichnet man sich als "Do-it-yourself"-Band. Das birgt aber auch Schwierigkeiten, viel Streit und Aufbauarbeit:

    "Am Ende sind wir dann fünf Psychopathen und fünf Psychotherapeuten, die sich gegenseitig fertigmachen und gegenseitig versuchen, wieder raufzuziehen, dass es bei einer maximalen Möglichkeit bleibt, aber trotzdem alle gut drauf sind und Spaß dabei haben."

    Denn Spaß gehört zum Sound des "Neon-Pops", dem auf "The Great Escape" ein eigenes Lied namens "Neon Love" gewidmet ist – genauso wie jung und unbeschwert sein, die Liebe und der Traum vom nächsten großen Coup …