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Die erste Doktorin der Wissenschaften

Der berühmtesten Physikerin gelang gemeinsam mit ihrem Mann Pierre die Begründung eines ganz neuen Forschungszweiges in der Physik. Für ihre Arbeiten über die Radioaktivität wurde sie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Heute vor 75 Jahren starb "Madame Curie".

Von Kay Müllges | 04.07.2009
    "Die heutige Zeremonie bezieht ihren besonderen Glanz aus der Tatsache, das in unserer Geschichte nun erstmals eine Frau aus eigenem Verdienst in den Pantheon einzieht. Die erste Doktorin der Wissenschaften."

    Und die erste Professorin an einer französischen Universität und die erste Nobelpreisträgerin für Chemie und für Physik - Marie Curie. Anlässlich ihrer Überführung in die französische Ruhmeshalle Pantheon, erinnerte Francois Mitterand 1995 an die 1867 in Warschau geborene Wissenschaftlerin. Mit 23 Jahren kam die junge Polin Maria Sklodovska nach Paris, um Physik zu studieren, wenig später lernte sie hier ihren Mann Pièrre Curie kennen. Das Studium fiel der begabten jungen Frau leicht, doch bei der Wahl eines Themas für ihre Doktorarbeit tat sie sich schwer. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert herrschte bei Physikern und Chemikern die Auffassung vor, das alles wichtige schon bekannt sei. Albert Abraham Michelson, der später die genaue Größe der Lichtgeschwindigkeit experimentell bestimmen sollte, schrieb damals:

    "Die wichtigsten Grundgesetze und Grundtatsachen der Physik sind alle schon entdeckt; und diese haben sich bis jetzt so fest bewährt, dass die Möglichkeit, sie wegen neuer Entdeckungen beiseite zu schieben, außerordentlich fern zu liegen scheint. Unsere künftigen Entdeckungen müssen wir in den sechsten Dezimalstellen suchen."

    Doch im Jahr 1896 machte der Franzose Henri Becquerel die Entdeckung, dass von einem Uransalz, dem Uranylkaliumsulphat eine starke Strahlung ausging. Das war Neuland für die Wissenschaft und Marie Curie hatte das Thema für ihre Promotion gefunden. Woher kam diese Strahlung? Und war es nur das Uran, das so strahlte, also radioaktiv war, wie sie es nannte, oder gab es noch andere Elemente, die das auch konnten? Aus dem Bergwerk im österreichischen Joachimsthal bezogen die Curies tonnenweise uranhaltigen Abfall, den Marie aufarbeitete.

    "Ich habe bis zu 20 Kilogramm Substanz auf einmal verarbeitet. Wir mussten in unserem Schuppen riesige Behälter aufstellen, die Flüssigkeiten und Bodensatz enthielten. Diese Behälter von einer Stelle zur anderen zu tragen und deren Inhalt umzugießen, war eine kräftezehrende Arbeit. Auch das stundenlange Kochen dieser Massen und das unaufhörliche Rühren mit einem Eisenstab ermüdeten mich."

    Nach Jahren schwerster Arbeit gelang es, aus diesem Abfall zwei neue chemische Elemente zu isolieren: das nach Marie Curies Heimat benannte Polonium und das Radium, benannt nach seiner hohen Radioaktivität. 1903 erhielt das Ehepaar Curie für diese Forschungen gemeinsam mit Henri Becquerel den Nobelpreis für Physik. Als Pièrre Curie bei einem Unfall mit einem Pferdefuhrwerk 1906 starb, bot die Sorbonne seiner Frau an, seine Professur zu übernehmen. Ein ungeheurer Vorgang, den die Zeitung "Le Journal" am Tag nach Marie Curies Antrittsvorlesung, so kommentiert:

    "Siegesfeier des Feminismus. Wenn es einer Frau gestattet wird, höhere Semester beiderlei Geschlechts zu unterrichten, wo kann dann noch die vorgebliche Überlegenheit des Mannes bleiben? Ich sage Ihnen, die Zeit ist nahe, da die Frauen menschliche Wesen werden."

    So nahe waren die Zeiten offensichtlich doch nicht, denn als im Jahr 1911 bekannt wurde, das Marie Curie eine Affäre mit dem verheirateten Wissenschaftler Paul Langevin hatte, schüttete die französische Presse Schmutzkübel aus über der Ausländerin, die einer Französin den Mann gestohlen hatte. Selbst das Nobelpreiskomitee, das ihr im selben Jahr den Nobelpreis für Chemie verlieh, bat sie, der Preisverleihung fernzubleiben. Marie Curie wies das entschieden zurück und nahm am 10. Dezember 1911 in Stockholm die Ehrung entgegen. Nach ihrer Rückkehr erlitt sie einen ersten gesundheitlichen Zusammenbruch, dem weitere folgen sollten. Der jahrelange ungeschützte Umgang mit radioaktiven Substanzen forderte seinen Tribut. Doch Marie Curie war sich der Gefahren, denen sie sich aussetzte kaum bewusst. Im Ersten Weltkrieg baute sie ein Netz mobiler Röntgenstationen für verwundete Frontsoldaten auf und nahm selbst viele der Untersuchungen vor. Nach langer Krankheit starb Marie Curie am 4. Juli 1934. Ihre Beerdigung war von der gleichen Bescheidenheit geprägt, mit der sie auch ihr Leben lebte. Der Physiker Wolfgang Gentner erinnerte sich:

    "Es waren überhaupt keine offiziellen Leute da. Nur die engsten Freunde. Und es wurde kein Wort gesprochen. Überhaupt kein Wort."