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Die erste Ethno-Pille

Medizin. - Eigentlich ist an "BiDil" zunächst nichts Besonderes - es handelt sich dabei um ein Stickoxidpräparat für Herzpatienten. Aber pikant dabei: Die Arznei wurde speziell für schwarze Patienten auf den Markt gebracht. Jetzt entbrannte in den USA eine Diskussion um "rassistische Medizin".

    Gleich ob Diabetes, Schmerzen oder Herzkreislaufleiden - bislang erhielten alle Patienten die gleichen Präparate. Doch seit "BiDil" jetzt von dem Unternehmen Nitromed in den USA auf den Markt gebracht wurde, existiert erstmals eine Arznei, die speziell für Afro-Amerikaner konzipiert wurde. Grundsätzlich handelt es sich um eine Stickstoffmonoxid-Substanz, die bei Angina Pectoris eingesetzt wird, die Herzkranzgefäße erweitert und so die Beschwerden mindert. "BiDil" soll die Sterblichkeit senken sowie die Lebensqualität der Patienten erhöhen.

    Bei der Erteilung der Zulassung für das von Kritikern bereits als "Ethno-Pille" bezeichnete Medikament stützt sich die US-Gesundheitsbehörde Food and Drug Administration FDA auf eine Studie an 1000 farbigen Teilnehmern, bei der die Sterblichkeit der "BiDil"-Konsumenten um 43 Prozent sank. Gegner argumentieren indes, dass die pharmakogenetischen Grundlagen für diese Effekte noch völlig unklar seien. Daher solle das Medikament nicht allein Afro-Amerikanern, sondern allen Betroffenen - gleich welcher Hautfarbe - verschrieben werden dürfen, wenn diese davon profitieren könnten.

    Der Hersteller Nitromed entgegnet, die Hautfarbe sei lediglich ein Näherungswert, der angebe, wie wahrscheinlich BiDil bei einem Menschen wirke. Dies könne nicht der Fall sein, so Kritiker, da man ja nicht wisse, wie BiDil genetisch wirke. Stattdessen werde so die Kategorie der Rasse quasi durch die Hintertür eingeführt. Da aber beispielsweise Menschen schwarzer und weißer Hautfarbe sich genetisch nicht durch eine definierbare Trennlinie unterscheiden ließen, sei die Aufteilung im Patientengut auch nicht zulässig. So zeigten Untersuchungen etwa, dass innerhalb einer schwarzen Population mitunter größere Unterschiede im Erbgut bestehen könnten als etwa im Vergleich mit Weißen. Daher lasse sich das Risiko für ein Leiden nicht aus der ethnischen Zugehörigkeit ablesen.

    Skeptische Beobachter sehen in Nitromeds Vorgehen vor allem einen Marketing-Trick, mit dem über die hitzige Diskussion die Aufmerksamkeit auf "BiDil gelenkt werden soll. So blieb dem Präparat schon 1997 eine Zulassung seitens der FDA versagt, da sie damals keine statistisch nachweisbaren, positiven Effekte anerkannte. Daher entschloss sich Nitromed, sich in einer weiteren Studie auf afro-amerikanische Patienten zu konzentrieren, weil Analysen bei ihnen dennoch positive Auswirkungen belegten. Kritiker befürchten jetzt, dass dies nur der Auftakt für eine ganze Welle an Produkten für einzelne ethnische Gruppen sein könnte.

    [Quelle: Martin Winkelheide]