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Die ersten 100 Tage von Mars-500

Als Vorbereitung auf einen Flug zum Mars leben seit dem Sommer sechs Astronauten in Moskau in einem Raumschiff und absolvieren eine virtuelle Planetenmission, und zwar 520 Tage lang. So soll schon einmal geprobt werden, wie sich eine so lange Isolation medizinisch und psychologisch auswirkt. Erste Ergebnisse wurden auf einem Kongress zur Medizin im Weltraum und extremen Umgebungen vorgestellt.

Von Volkart Wildermuth | 20.10.2010
    Der russische Kommandant des Mars-500-Teams grüßt über Youtube. Über 130 Tage sind die Versuchsteilnehmer schon eingeschlossen in den engen Röhren auf dem Moskauer Versuchsgelände. Mars-500 erinnert von innen nicht an eine Hightech-Weltraumstation, sondern eher an eine vollgestellte Datsche, mit holzgetäfelten Wänden, Postern und einem winzigen Gewächshaus.

    Schwer zu glauben, dass wir in einem Jahr noch immer hier sein werden, meint der Franzose Romain Charles. Außer ihm sind noch ein Italiener, ein Chinese und drei Russen an Bord. Sie haben einander längst alles erzählt. Ihr Alltag ist Routine, aufstehen, essen, Experimente, Tag aus Tag ein. Es gibt nicht mal mehr Funkgespräche mit den Freundinnen. Auf dem simulierten Marsflug sind sie so weit gekommen, dass wegen der Signallaufzeiten nur ein Austausch per E-Mail bleibt. Monotonie pur, und die ist gefährlich meint die russisch stämmige Psychologin Dr. Elena Feichtinger die die Astronauten per E-Mail betreut.

    "Jetzt befinden wir uns in der Konfliktphase und wir spüren schon: Die Leute sind schon ein bisschen nicht so relaxed, weil, du bist immer mit den gleichen Leuten und wahrscheinlich kommen sie sich zu nah und das kann dich stören."

    Bei früheren Isolationsversuchen gab es schon mal eine Schlägerei. Deshalb wurde bei der Auswahl der Mars-500-Kandidaten besonders auf Toleranz und Teamfähigkeit geachtet. Aber ein bisschen Frust gibt es nach 130 Tagen doch, erzählt Romain Charles:

    "Am schwierigsten ist das Essen: Wir können nicht auswählen. Ich möchte manchmal einen Hamburger essen, aber ich muss mich an den Speiseplan halten."

    Dafür ist Professor Jens Titze von der Universität Erlangen verantwortlich. Er hat jede Mahlzeit zusammengestellt und weiß schon heute, was in drei Monaten auf dem Speiseplan stehen wird. Eine so genaue Kontrolle der Ernährung ist nur in der geschlossenen Station möglich. Über Monate sank der Salzgehalt langsam von den in Deutschland üblichen zwölf Gramm pro Tag auf die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen sechs Gramm. Titze:

    "Wir sind ganz beeindruckt, wie sehr doch der Blutdruck abfällt auch beim gesunden Menschen. Das ist was wir in der Klinik erwarten, wenn ein Blutdruckmedikament richtig gut wirkt, das war ne Überraschung für uns."

    Salzarme Ernährung ist gesund. Das haben schon viele vermutet, jetzt ist es eindeutig belegt. Es gab auch noch ein überraschendes Nebenergebnis: Die Salzausscheidung der virtuellen Marsfahrer schwankt in einem 28 Tage Rhythmus.

    "Wir gucken gerade im Urin, welche Hormone das regulieren könnten und haben schon die ersten ein, zwei gefunden. Das heißt, die Männer menstruieren auch."

    Dieses Ergebnis wird die Monotonie an Bord vielleicht auflockern. Ansonsten vertreiben sich die sechs Marsfahrer die Zeit mit einer gemeinsamen Band, mit zwei Gitarren, Schlagzeug und Gesang. Elena Feichtiger:

    "Die wollen sogar Lieder selber erfinden. Ich weiß nicht, bis jetzt habe ich noch nichts gehört. Selbst beschäftigen, sich nicht zu langweilen, das ist sehr wichtig für ein Experiment, dass sie so lange 520 Tage zusammenleben und irgendwo ohne Konflikte zu Ende kommen."

    Romain Charles:

    "Wir haben jeden Tag als Herausforderung genommen und versucht, das Beste draus zu machen. 105 Tage lang hat es funktioniert, also sollte es auch in den restlichen 400 gehen."