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Die ersten Fischköche

Die Töpferei wurde vor mehr als 15.000 Jahren im Osten Asiens erfunden. Wofür genau die Menschen damals die gebrannten Tongefäße nutzten, konnten Archäologen bisher nicht herausfinden. Ein internationales Forscherteam hat dieses Rätsel nun gelöst - zumindest für Jahrtausende alte japanische Tontöpfe.

Von Lucian Haas | 11.04.2013
    Lange Zeit glaubten Historiker und Ethnologen, dass die Erfindung der Töpferei zusammenfiel mit der Entwicklung erster bäuerlicher Kulturen vor rund 10.000 Jahren. Doch dieser Teil der Kulturgeschichte der Menschheit ist so nicht mehr zu halten. Peter Jordan, Archäologe an der Universität von Groningen:

    "Seit etwa fünf bis zehn Jahren wird es zunehmend deutlich, dass die Geschichte der Töpferei viel, viel früher begann, und zwar bei den Jägern und Sammlern in Ostasien, darunter auch Japan. Es war eine enorm wichtige Entwicklung, die neue Anpassungsweisen, neue Ernährungsgewohnheiten und neue Formen sozialen Lebens ermöglichte. Die Erfindung der Töpferei ist deshalb eine wichtige Frage für Archäologen weltweit."

    In Japan gab es vor 10.000 bis 15.000 Jahren, am Ende der Eiszeit, die sogenannte Jōmon-Kultur. Es waren Gemeinschaften von Jägern und Sammlern. Von ihnen wurden schon Hunderte Tongefäße und -scherben an unterschiedlichen Grabungsstellen über die japanischen Hauptinseln verteilt gefunden. Doch so klar es heute ist, dass die Ur-Japaner der Jōmon-Zeit die Töpferei beherrschten, so wenig war bisher darüber bekannt, wofür die Menschen damals die Töpfe benutzten. Ein internationales Team von Forschern aus Großbritannien, Japan, Schweden und den Niederlanden, darunter auch Peter Jordan, ist dieser Frage auf den Grund gegangen.

    "Die Töpfe wurden über offenem Feuer benutzt. Und während das Essen kochte, brannten Teile davon auf und in den Tongefäßen ein. Wir haben diese verkohlten Essensreste untersucht, um herauszufinden, welche Art von Speisen in den sehr alten Tontöpfen aus Japan zubereitet wurden."

    Es waren jeweils nur wenige Milligramm verkohlter Reste, die die Forscher vorsichtig von rund 100 unterschiedlichen, alten Tonscherben aus Japan kratzten. Mit der Radiokarbonmethode bestimmten sie das Alter. Bei dieser Datierung messen die Forscher den radioaktiven Zerfall des Kohlenstoff-Isotops C-14. Die Proben stammten tatsächlich aus der Jōmon-Periode von vor bis zu 15.000 Jahren. Anschließend bestimmten sie mit Massenspektrometern und Gaschromatographen die Anteile stabiler Isotope von Kohlenstoff und Stickstoff darin. Das lieferte den Wissenschaftlern Hinweise auf die Zusammensetzung der Fette, die in der Nahrung enthalten waren – und damit auch auf deren Ursprung.

    "Bisher gab es keine Studien, die die Funktion der ersten Tongefäße klären konnten. Wir wussten also nicht, ob sie zum Kochen von Fleisch, pflanzlichen Rohstoffen oder von Fisch benutzt wurden. Unser Ergebnis ist aber eindeutig. Zumindest in Japan mit seiner sehr alten Töpfereitradition wurden die Gefäße fast ausschließlich für die Zubereitung von Fischen benutzt."

    Diese Erkenntnisse werfen ein neues Licht auf die Kultur der Jäger und Sammler. Peter Jordan sieht es an der Zeit, die Frühgeschichte der Menschheit etwas anders zu sehen.

    "Diese frühen Jäger-Sammler-Gemeinschaften waren innovativ, sie entwickelten neue Anpassungsstrategien und bedienten sich unterschiedlicher Arten von Rohstoffen. Besonders die Nutzung von Fisch war damals etwas Neues. Damit schreiben wir nicht die ganze Geschichte der Menschheit um. Aber wir können anfangen, einige wirklich wichtige Entwicklungen zu verstehen, die schon lange Zeit vor dem Übergang zur Landwirtschaft geschahen."

    Für den Archäologen ist damit klar: Der Fortschritt kam nicht erst mit den Bauern in die Welt.