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Die ETH Zürich wird 150 Jahre alt

Oktober 1855: In großen, lichten Räumen in der Züricher Innenstadt, deren Ausstattung ein bisschen an Heinz Rühmanns "Feuerzangenbowle" erinnert, nehmen junge Menschen an hölzernen Schreibpulten Platz. Was sie hören, klingt in ihren Ohren faszinierend: Dampflokomotiven rasen mit immer höheren Geschwindigkeiten über die Schienen; so geheimnisvolle Dinge wie Elektrizität eröffnen ungeahnte Möglichkeiten. Im Jubiläumsjahr 2005 zeigen sich viele der üb er 14 000 Studenten, die an der ETH Zürich immatrikuliert sind, aufs Neue fasziniert von dem, was sie ja jeden Tag zu hören bekommen:

Von Thomas Wagner |
    Heute ist es ganz einfach so, dass alles, was mit Informationen zu tun hat als größte gesellschaftlich gestaltende Kraft, sicherlich bei unseren Ingenieuren im Vordergrund steht. Bei den Wissenschaftlern ist es so, dass natürlich die Life Science, und hier insbesondere die Systembiologie, das heißt das Erfassen eines biologischen Systems in all seinen Komponenten, zu begreifen, wie eine Zelle, ein Organismus, wie letzten Endes der Mensch funktioniert.

    Den Geheimnissen des menschlichen Lebens auf den Grund gehen - das ist, so Professor Olaf Kübler als Präsident der ETH , eine der großen wissenschaftlichen Herausforderungen in Zürich. Eine Milliarde Franken stehen für Forschung und Lehre pro Jahr zur Verfügung; das sind über 650 Millionen Euro - eine Investition, die sich auszahlt. Die ETH Zürich hat sich in den vergangenen Jahren geradezu eine Sammlung an Nobelpreisen angelegt.

    Ich habe eine kleine Zahlenspielerei gemacht. Wenn Sie sagen, 1970 hat die Wissenschaft begonnen, weil das war die Zeit, als ich promoviert habe, dann haben in dieser Zeit alle Dutzend Jahre jemand einen Nobelpreis bekommen.

    Das ist beachtlich für ein kleines Land wie die Schweiz, die als Bundesstaat die ETH überwiegend finanziert - beachtlich, aber nicht überraschend, findet ETH-Präsident Olaf Kübler:

    Ein rohstoffarmes oder ein rohstoffloses Land wie die Schweiz kann nur auf Aktivitäten mit hoher Wertschöpfung setzen. Als Kleinstaat ist die Schweiz natürlich immer sehr nach außen orientiert gewesen und hat sich also immer in der globalen Konkurrenz befunden.

    Heute steht die ETH Zürich vor allem in der Konkurrenz um die Gunst qualifizierter Professoren, Dozenten, Doktoranden und Studenten aus aller Welt recht gut da. 50 Prozent aller Lehrenden und Doktoranden kommen aus dem Ausland, ebenso wie etwa 10 Prozent aller Diplomstudenten. Rund 1000 Deutsche haben sich an der ETH eingeschrieben. Einer von ihnen ist Florian Kleinbeck aus Stuttgart; er studierte in Zürich Chemie und arbeitet dort nun an seiner Promotion.

    Der ausschlaggebende Grund war allerdings der exzellente internationale Ruf der ETH. Daneben waren auch die exzellenten Studienbedingungen attraktiv. Man wird in Deutschland kaum eine Hochschule finden, die so gut ausgestattet ist. Zum einen ist es natürlich das neue Gebäude mit Forschungsmöglichkeiten und einer Laborausstattung, wie ich es in Deutschland nicht kennen gelernt habe. Daneben sind es auch die finanziellen Mittel: Apparativ ist auch das vorhanden, was man für zügige Forschungsarbeit benötigt.

    Doch daneben müssen diejenigen, die in Zürich studieren, im Vergleich zu deutschen Unis auch einen gewichtigen Nachteil in Kauf nehmen:

    Die Studiengebühren im Moment betragen 550 Franken im Semester, sind im Verhältnis also relativ gering. Es gibt allerdings Diskussionen, diese Studiengebühren zu erhöhen. Die Lebenshaltungskosten in Zürich sind deutlich höher als in Süddeutschland. Der Bedarf beträgt so zwischen 1200 und 1500 Franken im Monat, je nach persönlichen Bedürfnissen.

    macht umgerechnet etwa 1000 Euro monatlich. Das ist machbar, meinen die meisten deutschen Studenten in Zürich, wenn die Studiengebühren, wie ETH-intern immer mal wieder angedacht, in Zukunft nicht verdoppelt oder gar verdreifacht werden. Ab und zu machen die Studenten auch die Erfahrung, dass der internationale Geist, der überall durch die Labors und Hörsäle der ETH Zürich weht, nicht immer auch bis ins Stadtzentrum von Zürich hindurch dringt. Georg Woieteg aus München, ebenfalls Chemiedoktorand an der ETH:

    Na ja, es ist so, dass manchmal die Schweizer die Deutschen nicht so gerne sehen wie die Schweizer. Bei der Wohnungssuche spürt man das manchmal. Aber ansonsten gibt es vor allem mit den Leuten hier an der ETH keinerlei Probleme. Ich zahle für meine 25 Quadratmeter-Wohnung knapp 1000 Franken, was ungefähr 670 Euro sind, und das ist ziemlich happig.

    Und schließlich beobachten gerade deutsche Studenten Unterschiede im Aufbau der Lehre zwischen der ETH Zürich einerseits und deutschen Unis auf der anderen Seite. Architekturstudentin Christiane Möller aus Darmstadt absolviert ein Gastjahr in Zürich:

    Es ist auf jeden Fall so, dass es an der ETH sehr verschult ist. Also ich würde es eher vergleichen mit den deutschen Fachhochschulen statt mit deutschen Universitäten, und ich hätte mir wirklich den Unterschied nicht so markant vorgestellt, dass es wirklich hier so ein verschultes System ist; in Darmstadt arbeitet man viel freier, viel selbständiger.