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Die EU in der Finanzkrise

Fast zwei Wochen haben die EU-Regierungen gebraucht, um sich nach dem 700 Milliarden-Dollar-Hilfspaket der US-Regierung auf ein gemeinsames Rettungspaket für den angeschlagenen Finanzmarkt in Europa zu einigen. Zwei Wochen, in denen die europäischen Banken immer tiefer in den Strudel der weltweiten Finanzkrise gerieten.

Von Alois Berger | 15.10.2008
    Zwei Wochen, in denen die EU-Finanzminister oft mehr gegen- als miteinander agierten. Zwei Wochen, in denen sie sich mit einseitigen Garantieerklärungen gegenseitig Spareinlagen abwarben und das Leben schwer machten.

    Doch der Vorwurf, die EU habe versagt, sei ungerecht, verteidigte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die europäischen Institutionen vor dem Europäischen Parlament:

    "Die Krise ist nicht in Europa entstanden, sondern auf der anderen Seite des Atlantiks. Und wir haben in der Europäischen Union eben noch nicht - ich betone: noch nicht - die Regelungen, die für eine wirklich europäische Antwort nötig wären."

    Diese Regelungen würden nun Schritt für Schritt aufgebaut, verspricht der EU-Kommissionspräsident. Europa werde nicht nur aus der Krise lernen, sondern die Krise nutzen, um bislang Unmögliches durchzusetzen.

    In der Tat haben die Regierungen der EU-Mitgliedsländer in den vergangenen Jahren peinlich darauf geachtet, dass alle wichtigen Fragen der Finanzwirtschaft unter die nationale Verantwortung fielen. Wenn es ums große Geld geht, dann soll die EU-Kommission in Brüssel aussen vor bleiben. Da wollen sich die Mitgliedsländer nicht reinreden lassen.

    Die Aufsicht über die Banken, die Vorschriften für die Börsen, all das behalten sich deshalb nach wie vor die Mitgliedsländer vor. Es gibt in Euroland zwar eine gemeinsame Währung, aber die Kontrolle des Finanzsektors liegt weiterhin bei den nationalen Regierungen. Als die EU-Kommission vor vier Jahren eine Begrenzung der Managergehälter vorschlug, lehnten mit Ausnahme der Niederlande alle EU-Regierungen den Vorschlag rundweg ab.

    "Dieses Beispiel illustriert ziemlich gut, mit welchen Widerständen wir auf diesem Gebiet in den letzten Jahren zu kämpfen hatten."

    Die Klage des EU-Kommissionspräsidenten Barroso löste im Europäischen Parlament großes Erstaunen aus. Denn die EU-Kommission unter José Manuel Barroso hat sich in den vergangenen Jahren eher durch ihren Drang zu mehr Liberalisierung ausgezeichnet als durch die strikte Regulierung der Märkte. So arbeitet EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes seit langem erbittert daran, den deutschen Sparkassen ihre Sonderstellung zu nehmen. Und Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy hat bislang jede Forderung nach einer besseren Kontrolle der Finanzmärkte strikt zurückgewiesen.

    Aus Sicht des Europaparlaments war das umso ärgerlicher, weil die Binnenmarkt-Gesetzgebung die einzige Möglichkeit für die Abgeordneten ist, ein klein wenig an der Finanzgesetzgebung mitzuwirken. Bei allen Regelungen, die dafür sorgen, dass der Waren- und Kapitalverkehr des Binnenmarktes funktioniert, darf das Europaparlament mitentscheiden.

    Doch das alleinige Vorschlagsrecht hat die EU-Kommission. Parlament und Ministerrat können nur über Gesetze abstimmen, die von der EU-Kommission vorbereitet wurden. Und Binnenmarktkommissar McCreevy hat viele Gesetzesinitiativen gestartet, die den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr erleichtern. Etwa Richtlinien für den europaweiten Hypothekenmarkt, damit deutsche oder französische Bauherren für ihr Haus auch britische und irische Kredite in Anspruch nehmen können. Gleichzeitig aber hat sich der irische EU-Kommissar strikt geweigert, irgendetwas auf den Weg zu bringen, was diese Kredite sicherer macht oder die grenzüberschreitenden Geldflüsse in irgendeiner Form kontrolliert.

    Martin Schulz ist Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament:

    "Man muss einfach auch sehen, dass der Binnenmarktkommissar der Europäischen Union, McCreevy, einer der Hauptapologeten der absoluten Deregulierung war. Bis vor wenigen Wochen haben die in diesem Parlament und in der Kommission propagiert, der Markt regelt sich von selbst. Wer da interveniert ist ein altbackener Sozialist."

    Auch aus den Reihen der europäischen Volkspartei kommt inzwischen scharfe Kritik am Liberalisierungskurs der EU-Kommission. Der Wind hat sich offensichtlich radikal gedreht. Im gesamten Europaparlament gibt es kaum noch jemanden, der die Kommission nicht wegen ihres Deregulierungseifers geißelt.

    In der harschen Kritik steckt auch viel aufgestaute Wut über die eigene Ohnmacht. Banken brechen zusammen, Aktienkurse bröckeln, Autokonzerne geraten in den Strudel. Die Angst vor einer anhaltenden Wirtschaftskrise ist mit Händen zu greifen und überall in Europa werden die Abgeordneten gefragt, was denn die Europäische Union zur Lösung beiträgt. Doch außer in ein paar Randbereichen des Binnenmarktes haben die Abgeordneten nichts zu melden.

    Der Finanzmarkt gehört nicht zu den Bereichen, in denen die EU Kompetenzen hat. Vor allem die deutsche und die britische Regierung haben sich bislang dagegen verwehrt, der EU in diesen Fragen irgendwelche Zuständigkeiten zuzugestehen.

    Selbst die Absicherung der gemeinsamen Währung beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den nationalen Regierungen Handlungsanweisungen zu geben. Bei Staatsverschuldung und Haushaltsdefizit hat die EU-Kommission Sanktionsmöglichkeiten. Doch bei der Kontrolle von Banken und Finanzdienstleistern lassen sich die nationalen Regierungen bislang nicht dreinreden. Das regelt jedes Land alleine und höchst unterschiedlich.

    Das hat schwerwiegende Folgen. Innerhalb Europas sind Großbritannien und Irland in der Deregulierung bislang am weitesten gegangen - frei nach der Prämisse, der Markt macht es besser. Deshalb wissen die nationalen Bankenaufsichten dort auch heute noch nicht, wieviele vergiftete Kredite noch in den Kellern der Banken von London und Dublin liegen.

    Dieser Freiraum hat - ähnlich wie in den USA - die Wirtschaft in Großbritannien und in Irland angekurbelt. Die Folge war aber eben auch , dass unübersehbare Risiken angehäuft wurden. Hans Martens ist Direktor des European Policy Centers in Brüssel.

    "In den angelsächsischen Ländern gab es immer die Tendenz zu Boom und Bust, also zu extremen Ausschlägen beim Wirtschaftswachstum. Das liegt daran, dass der öffentliche Sektor relativ klein und der private Konsum sehr wichtig ist. Je mehr ein Staat den privaten Konsum ankurbelt, desto mehr Schulden machen die Leute. Die Struktur der britischen und irischen Hypothekenfinanzierung hat das unterstützt."

    Denn die Banken haben nicht nur Kredite an einkommensschwache Schichten vergeben, die bei der leichtesten Konjunkturflaute in Zahlungsprobleme geraten. Als die Hauspreise immer weiter stiegen, drängten die Banken den Hausbesitzern neue Kredite geradezu auf, Kredite, die ausschließlich in den Konsum flossen. Und viele Briten haben das Angebot gerne angenommen. War das Haus mehr wert, konnte man problemlos eine höhere Hypothek aufnehmen. Selbst die Zinsen wurden oft über neue Kredite finanziert.

    Als die Immobilienpreise in Großbritannien und Irland plötzlich sanken, konnten Zehntausende ihre Kredite nicht mehr bedienen. Die Blase platzte, Banken brachen zusammen. Erschwerend kam dazu, dass gerade in London besonders viele hochspekulative Börsenderivate gehandelt werden, die im Krisenfall das Risiko vervielfachen.

    Die Schockwellen erreichten auch andere Länder in Europa. Deutschland etwa wurde durch den Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate angesteckt, dessen Tochter Depfa sich in Irland infiziert hatte.

    Doch die ganz großen Probleme blieben bisher auf Großbritannien und Irland beschränkt. Diese beiden Länder, meint Hans Martens vom European Policy Centre, werden auch länger brauchen als andere, um aus der Krise herauszukommen, vor allem Großbritannien.

    "Ein großer Unterschied ist, dass Großbritannien nicht in der Eurozone ist. Der Euro hat die ganze Situation stabilisiert. Wir hatten nicht die üblichen Abwertungswettläufe früherer Zeiten. Die EZB konnte die Zinsen senken, weil die Euro-Länder wegen des Stabilitätspaktes in einer weit besseren Finanzverfassung sind als Großbritannien und die USA."

    Zum Beispiel Spanien . Das Land hat wie Großbritannien und Irland mit einer Immobilienkrise zu kämpfen. Doch auf dem Bankenmarkt scheint Spanien bislang kaum Probleme zu haben. Zwar hat auch die Regierung in Madrid 100 Milliarden Euro für Garantien auf dem Interbankenmarkt bereit gestellt, aber es sieht nicht so aus, als ob die nötig wären. Die spanischen Bankengesetze gelten als die härtesten in Europa, die spanische Bankenkontrolle als eine der schärfsten. Selbst in Brüssel wurde Madrid dafür häufig belächelt, Spanien lege damit seiner eigenen Wirtschaft unnötige Fesseln an, hieß es. Doch die spanischen Banken hätten deshalb eben weniger riskante Geschäfte gemacht als die britischen, meint Politikwissenschaftler Hans Martens. Zudem profitiere das Land von der Euro-Stabilität.

    Ganz anders Ungarn, dem der Internationale Währungsfonds bereits Hilfe angeboten hat. Zwar ist Ungarn wie alle neuen EU-Länder von der Kreditkrise nur wenig betroffen. Denn der gesamte Bankenmarkt in Mittel- und Osteuropa ist noch nicht so entwickelt und hochriskante Finanzprodukte sind dort nicht so verbreitet. Doch Ungarn hat seit einiger Zeit hohe Haushaltsdefizite. Und in der angespannten Gesamtsituation genügten kleine Anzeichen von Schwäche, damit Währungsspekulanten die ungarische Währung unter Beschuss nahmen. Seit Anfang letzter Woche verlor der Forinth sechs Prozent gegenüber dem Euro.

    Bei den neuen EU-Ländern hat sich durch diese Erfahrung der Drang noch verstärkt, so schnell wie möglich in die Währungsunion zu kommen. Sie wollen vor solchen Währungsangriffen geschützt sein. Doch das wird jetzt umso schwerer für sie, fürchtet Martens:

    "Der Test ist, ob sie es schaffen den Wechselkurs ihrer Währungen in den kommenden Jahren konstant zum Euro zu halten und gleichzeitig die Stabilität ihrer Wirtschaft zu sichern. Das wird sehr schwer werden. Diese Länder werden vermutlich durch die kommende Wirtschaftskrise stärker betroffen sein als durch die jetzige Finanzkrise. "

    Inzwischen zeichnen sich in der Europäischen Union die Anfänge einer Rezession ab, die sowohl die alten als auch die neuen EU-Länder ergreift. Je länger die Finanzkrise anhält, desto schlimmer dürfte die Wirtschaftskrise Europa treffen. Deshalb konzentriert sich die EU derzeit darauf, die Finanzkrise bald in den Griff zu bekommen und zu beenden. Fast 1.600 Milliarden Euro haben die EU-Regierungen in den letzten Tagen als Garantien bereitgestellt: Erste Hilfe-Maßnahmen, um den Kreditmarkt zu stabilisieren.

    Aber das kann nur ein erster Schritt sein. Auf dem EU-Gipfel heute und morgen in Brüssel werden die Regierungschefs darüber reden, was sie aus der aktuellen Krise lernen und wie sie das europäische Bankwesen für künftige Stürme wetterfest machen wollen.

    Fachleute fordern seit zehn Jahren eine europäische Bankenaufsicht. Schließlich agieren viele Banken über die Landesgrenzen hinweg europäisch. Doch bisher wollten die europäischen Finanzminister den Zugriff auf ihre Banken nicht aufgeben. Aber diese Front bröckelt.

    Unter den Finanzministern wird derzeit vor allem eine bessere Vernetzung der Aufsichtsbehörden diskutiert. Deutsch-italienische Banken etwa sollten durch deutsche und italienische Behörden gemeinsam kontrolliert werden. Denn die würden auch die zuständigen Gesetze am besten kennen. Doch selbst bei den Finanzministern wächst die Bereitschaft, eine europäische Bankenaufsicht aufzubauen. Was in normalen Zeiten nicht durchsetzbar war: in der Krise wird es möglich.

    So ist das fast immer in der Europäischen Union. So war es mit der gemeinsamen Außenpolitik, die erst nach den schlimmen Erfahrungen in den Jugoslawienkriegen richtig in die Gänge kam. So ist es mit den Ansätzen der gemeinsamen Innenpolitik, die unter dem Druck der Flüchtlingsströme zustande kamen. Und so wird es mit den europäischen Finanzmarktregeln sein. Bis zum Ende der Finanzkrise wird die Europäische Union ein wesentlich engeres Kontrollnetz für die Banken geflochten und wesentlich mehr Sicherungen eingebaut haben.

    Doch bis dahin bleibt noch viel Arbeit. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso macht sich keine Illusionen:

    "Wir werden da noch heftige Widerstände überwinden müssen. Einige Mitgliedsländer sträuben sich mit allen Mitteln gegen grenzüberschreitende Aufsichtsstrukturen. Aber die Kommission macht das nicht, um neue Kompetenzen an sich zu reißen, sondern weil bereits heute fast zwei Drittel aller Bankeinlagen grenzüberschreitender Natur sind. Das ist die Realität, deshalb brauchen wir eine europäische Lösung."

    Die Zeiten, in denen die Mitgliedsstaaten neue Aufgaben einfach der EU-Kommission übertragen haben, sind lange vorbei. Die Scheu, weitere Kompetenzen nach Brüssel zu geben oder gar neue EU-Institutionen zu schaffen, ist inzwischen sehr groß. Deshalb versuchen sie es zuerst mit einer besseren Koordinierung, einer engeren Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden und einer besseren Abstimmung.

    Oft reicht das, manchmal ist es sogar die bessere Lösung. Das Rettungspaket für die Banken, das die Euro-Länder am Sonntagabend in Paris beschlossen haben, ist dafür ein gutes Beispiel. Die Regierungen haben vereinbart, dass jedes Land seine für das Funktionieren des Finanzmarkts wichtige Banken notfalls mit dreistelligen Milliardenbeträgen stützen kann, dass es Garantien für Kredite zwischen den Banken abgeben und den Eigenkapitalanteil einiger Banken erhöhen darf. Die Europäische Union bestimmt das Ziel, die nötigen Summen und den Zeitpunkt der Intervention. Doch über die Mittel entscheidet jede europäische Regierung selbst, betonte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der zurzeit den Vorsitz in der EU führt.

    "Unser Rettungsplan gilt für alle Mitgliedsländer der Eurozone. Er erlaubt genügend Flexibilität, um den Unterschieden unserer Finanzsysteme und unserer nationalen Regeln gerecht zu werden. Nichtsdestotrotz ist es eine gemeinsame Aktion, mit der wir den Binnenmarkt und die Eurozone schützen."
    ...zone euro.

    Der Spielraum bei der Umsetzung des Plans ermöglicht der Bundesregierung unter anderem, die Finanzspritzen für die Banken an Bedingungen zu knüpfen. Banken, die staatliches Geld brauchen, werden die Managerbezüge kappen müssen. Das hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück bereits angekündigt. Auch Abschiedsprämien für gescheiterte Banker werde es in Deutschland nicht mehr geben. Auf europäischer Ebene wären solche Maßnahmen auf die Schnelle nicht durchsetzbar gewesen.

    Der französische Präsident wollte ursprünglich einen gemeinsamen europäischen Rettungsfonds für die Banken auflegen, ganz nach dem Vorbild des US-Paketes. Doch das lehnte Bundeskanzlerin Angela Merkel sofort ab. Eine solche Pauschalgarantie hätte von den Banken als Einladung verstanden werden können, alle faulen Kredite aus der Schublade zu holen und dem Steuerzahler zu überantworten.

    In Paris hat die brüske Absage an den geplanten europäischen Fonds dennoch schwere Irritationen hervorgerufen. Erst mit dem gemeinsamen Rettungsplan vom Sonntag wurden die Verstimmungen weitestgehend beseitigt. Die offene Koordinierung der Rettungsaktionen kommt vor allem den deutschen Vorstellungen entgegen. Doch Präsident Sarkozy konnte einen Erfolg verkünden und sein Gesicht wahren.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel ging es ganz offensichtlich auch darum, keinen Präzedenzfall zu schaffen, aus dem sich eine Zuständigkeit der Europäischen Union in Bankenfragen ableiten ließe.

    "Es geht bei den Maßnahmen, die jetzt getroffen werden sollen, nicht um einen europäischen Fonds. Sondern es geht um ein abgestimmtes Vorgehen der Mitgliedsstaaten der internationalen Gemeinschaft, damit natürlich auch als einen wichtigen Partner der Eurostaaten. Wo wir einen gleichen Instrumentenkasten parat haben, also die ähnlichen Instrumente, die aber jedes Land für sich so verwendet, dass es den entsprechenden Bedingungen des Landes auch gerecht wird."

    Was sich bei Sarkozy wie ein Rettungsplan für die Mitglieder der Euro-Zone anhört, das ist bei Merkel nur noch ein Plan der internationalen Gemeinschaft. Es klingt, als ob die Bundeskanzlerin schon wieder Distanz sucht zur europäischen Rettungsaktion - aus Angst, beim nächsten Mal vielleicht doch für andere in die Pflicht genommen zu werden.

    In der Tat ist die Krise noch nicht ausgestanden. Dass ausgerechnet die Regierungen in Washington und in London, die vehementesten Kämpfer für den freien Markt, reihenweise Banken verstaatlichen, wird nicht nur in einigen EU-Hauptstädten mit klammheimlicher Schadenfreude quittiert. Vor allem im Europaparlament glauben viele, dass sich in Europa nun ein gemäßigter Kapitalismus durchsetzen könnte.

    Dafür braucht es neue Regeln. Die Banken müssen zu besserer Risikoabsicherung verpflichtet werden: dazu gehören höhere Eigenkapitalquoten bei der Kreditvergabe, strengere Berichtspflichten für riskante Anlagen und koherentere Bilanzvorschriften in ganz Europa. Hans Martens vom European Policy Centre ist überzeugt, dass die Mehrheit der EU-Regierungen jetzt entschlossen ist, den Finanzmarkt EU-weit strenger zu regeln als das bisher denkbar war.

    Doch wenn die Finanzkrise vorbei ist und die nachfolgende Wirtschaftskrise das Denken bestimmt, dann werden einige Regierungen sicher wieder einen Rückzieher machen. Wenn mehr Risiko auch mehr Wirtschaftswachstum verspricht, dann lassen manche Regierungen die Zügel gerne wieder etwas lockerer. Genau das dürfe nicht passieren, warnt der Politikwissenschaftler Hans Martens:

    " Man sichert sein Haus nicht gegen Feuer, wenn es gerade brennt. Das macht man, bevor das Feuer ausbricht. Deshalb sage ich: Vergesst diese Tage nicht! Setzt euch hin, macht die nötigen Finanzmarktgesetze, damit sie fertig sind, wenn wieder eine solche Krise ausbricht."