Archiv


Die EU und der Stadtverkehr

Etwa 200 Teilnehmer, die hauptsächlich Umwelt- und Verkehrsverbänden sowie Initiativen angehören, informieren sich derzeit auf dem Bundesweiten Umwelt- und Verkehrskongress in Bremen, wie durch weniger Verkehr eine gesündere Umwelt zu erreichen ist. In diesem Jahr steht der Kongress unter dem Motto "EU vor Ort: Nachhaltig mobil". Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie kann die EU Verbänden, Initiativen und kleinen Ortschaften helfen, Umweltbelastungen zu verringern.

Von Carola Schwirblat |
    "Auch als Umweltinitiative kann man sich bei der EU Gehör verschaffen", davon ist Heike Aghte, Mitglied in der europäischen Verkehrsinitiative, überzeugt . Allerdings ist der Weg zunächst bis zu einer EU-Richtlinie und dann bis zu deren nationaler und kommunaler Umsetzung in der Bundesrepublik ein weiter. Doch das schreckt die erste Rednerin auf dem Kongress, Heike Aghte, nicht ab, denn die EU sei wesentlich transparenter als nationale Regierungen:

    " So sind zum Beispiel die Sitzungen des Europa-Parlaments grundsätzlich öffentlich. Man kann also, wenn man die Formalitäten erledigt hat, grundsätzlich hineingehen. Man kann auch die Parlamentarier ansprechen. Man kann sich mit Schreiben an die Kommission wenden. Und das dritte wichtige Gremium, den Ministerrat, kann man auch kontaktieren, zum Beispiel über die ganz normalen nationalen Ministerien."

    Allerdings, das räumt sie ein, ist es leichter, sich durchzusetzen, wenn man Verbündete hat - also ein Netzwerk. In ihrer Initiative sind insgesamt 48 kleinere zusammen geschlossen. Und Erfolge haben sie bereits errungen. Unter dem Motto "Den Stinkern an den Kragen" sei es gelungen, die Aktualisierung für die so genannte Wegkostenrichtlinie zu verändern. Nach den Entwürfen ihrer Initiative sollen Spediteure künftig zahlen für Staus, Luftverschmutzung und Lärmbelastungen, die durch LKW verursacht werden:

    " Das heißt, dass dadurch dann quasi das Geld, das eingenommen wird von den LKW-Fahrern pro gefahrenen Kilometer, dass das einfach höhere Gebühren werden. Und dass das eingenommene Geld dann auch dafür verwendet wird, den Verkehr insgesamt verträglicher zu machen und auch umweltverträglicher durch Lärmschutzwände."

    Zunächst waren derartige Vorstellungen in dem Gesetzesentwurf von 2003 nicht berücksichtigt worden. Doch jetzt habe das Parlament gefordert, das im Gesetzestext in den kommenden zwei Jahren entsprechend zu verändern. Heike Aghte geht davon aus, dass das auf die Arbeit ihrer Initiative zurückzuführen ist. Sie und ihre Mitstreiter haben immer wieder Briefe und E-Mails geschrieben - sogar eine regelrechte E-Mail-Aktion habe es gegeben.

    Sehr erfolgreich bewerten viele Kongress-Teilnehmer die neue Feinstaubrichtlinie, die seit Anfang des Jahres gilt. "Das hätte Deutschland alleine nicht geschafft", sagt dazu Michael Cramer Mitglied im Europa-Parlament. Allerdings hat München jetzt vor dem Verwaltungsgericht Einspruch dagegen erhoben und auch Recht bekommen. "Trotzdem wird die Verordnung durchgesetzt", Susan Krohn, stellvertretende Referatsleiterin im Bundesumweltministerium ist optimistisch:

    " Die Grenzwerte, die festgesetzt sind in der 22. Verordnung zum Bundesemissionsschutz-Gesetz, sind subjektive Rechte auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes. Der Bürger kann sie einklagen. Und es kann nicht sein, dass zwar ein Recht auf Einhaltung dieser Grenzwerte besteht, dann aber die Durchsetzung dieses Rechtes verlabert wird. Wir sind sehr optimistisch, dass die Entscheidungen. des Verwaltungsgerichtes in einer höheren Instanz aufgehoben werden."

    Ebenfalls offen ist, wie künftig in der Bundesrepublik, die europäische Lärmschutzrichtlinie eingehalten wird. Die Europäische Union hat diese 2002 verabschiedet. In Deutschland hätte sie bereits im vergangenen Sommer umgesetzt sein müssen. Allerdings ist das bisher immer am Kosten-Argument gescheitert. Am kommenden Mittwoch wird erneut im Vermittlungsausschuss darüber verhandelt. Bisher gibt es nur Einzelerfolge, berichtet Michael Cramer:

    " In meiner Stadt Berlin haben 30 Nachbarschaftsinitiativen für eine Lärmreduzierung gekämpft und haben durchgesetzt zum Beispiel in größeren Straßen, dass Tempo 30 eingeführt wird oder dass ein Nachtfahrverbot für LKW durchgesetzt wurde. Das wäre ohne die europäische Union, auch dann ohne die Rückendeckung der Gerichte nicht möglich gewesen."

    Kramer nennt noch ein weiteres Beispiel, wo Benachteiligten vor allem durch den Einfluss der EU geholfen wurde. Im vergangenen Jahr wurde eine Richtlinie verabschiedet. Sie besagt, alle Kleinbusse mit mindestens acht Sitzen behindertengerecht sein müssen:

    " Insgesamt haben wir nicht mehr die Diskussion, wenn ich meinen Bus behindertengerecht ausbaue, bin ich nicht mehr konkurrenzfähig, sondern das ist jetzt Standard geworden. Das hätte ein einzelner Nationalstaat nicht geschafft. Die EU hat es geschafft zugunsten der Behinderten und das sind immerhin 30 Prozent der Personen im öffentlichen Personennahverkehr, die behindert sind."