Jean-Claude Juncker:"Die jetzt beschlossene Stimmengewichtung bietet keinerlei Vorteile, im Gegensatz zu den Vorteilen, die wir gehabt hätten, wenn wir dem gesunden Menschenverstand gefolgt wären und das Prinzip der doppelten Mehrheit eingeführt hätten. Ich stelle fest, dass der gesunde Menschenverstand in kleineren Staaten besser ausgeprägt ist als in großen Flächenstaaten."
Der Sarkasmus des Luxemburger Premierministers Jean-Claude Juncker richtete sich vor allem gegen Frankreich. Am 11. Dezember 2000 war das, nach dem EU-Gipfel in Nizza. Die damals 15 Regierungschefs hatten gerade ein neues Abstimmungssystem beschlossen, das vor allem eines war: kompliziert. Dabei sollten die neuen Abstimmungsregeln die EU fit machen für die Osterweiterung, damit sie auch mit 25 Mitgliederländern noch handlungsfähig bleibt.
Doch dem französischen Präsidenten Jacques Chirac war anderes wichtiger. Er wollte sicherstellen, dass Frankreichs Einfluss im Ministerrat der EU durch die neuen Mitglieder nicht geschmälert wird. Im Ministerrat sind die Regierungen der EU-Länder vertreten. Nichts passiert in der EU ohne die Zustimmung dieses Ministerrates. Deshalb ist es so entscheidend, wie viele Stimmen jedes Land dort hat. Es geht um Macht, und deshalb ist Chirac in Nizza einfach hart geblieben, vier Tage lang, bis die anderen Regierungschefs keine Lust und keine Zeit mehr hatten und einlenkten.
Das Ergebnis von Nizza ist ein wirres und ungerechtes System von gewichteten Stimmen: Deutschland hat danach zum Beispiel 29 Stimmen, genauso viele wie das kleinere Frankreich und gerade einmal zwei Stimmen mehr als das halb so große Spanien. Seit zwei Jahren gilt dieser Vertrag von Nizza und selbst Chirac findet ihn nicht mehr gut: Zu umständlich, zu undurchsichtig, zu undemokratisch.
Die Europäische Verfassung soll den Fehler von Nizza nun wieder gutmachen. Statt mit gewichteten Stimmen soll der Ministerrat künftig mit einer so genannten doppelten Mehrheit entscheiden. Das heißt, für einen Beschluss sind 55 Prozent der EU-Staaten notwendig, und diese Staaten müssen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Die doppelte Mehrheit soll sicherstellen, dass große und kleine Staaten gleichermaßen berücksichtigt werden.
Bundesaußenminister Joschka Fischer:
"55 und 65 Prozent, das ist die Entscheidungsgrundlage, das ist die doppelte Mehrheit. Das repräsentiert die Bürgerunion und die Staatenunion. Dafür haben wir lange gekämpft. Die Vorstellung, dass drei große Länder miteinander entscheiden, ohne dass kleinere Länder beteiligt sind, halte ich für eine theoretische Vorstellung, die nicht zur Anwendung kommen wird."
Doch weit wichtiger als die Stimmengewichtung ist die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen. Bisher ist für zwei Drittel aller Entscheidungsfelder in der Europäischen Union die Einstimmigkeit notwendig. Das macht die EU nicht nur schwerfällig, sondern auch erpressbar. So hat Spanien vor drei Jahren eine Richtlinie zum europäischen Unternehmensrecht solange blockiert, bis die anderen einer Aufstockung der spanischen Strukturhilfen zugestimmt haben. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, aber das hat den damaligen spanischen Premier José Maria Aznar nicht interessiert. Er blieb stur, bis ihm die EU 1,5 Milliarden Euro zusätzlicher Mittel zusagte.
Das war kein Einzelfall: Das Veto hat immer wieder zum Missbrauch eingeladen - und es hat die EU schon viel Geld gekostet. Wenn die EU-Verfassung in Kraft tritt, werden die Möglichkeiten für solche Erpressungen drastisch eingeschränkt. Denn bis auf einige heikle Bereiche soll dann alles mit Mehrheit beschlossen werden. Der Zwang zur Einstimmigkeit wird künftig die Ausnahme sein. Steuerfragen zum Beispiel werden weiterhin nur im Konsens entschieden werden können, ebenso die Außen- und Sicherheitspolitik.
Mit der Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat wächst auch die Bedeutung des Europaparlaments. Denn das ist ein Grundprinzip der EU-Verfassung: Wo der Ministerrat mit Mehrheit entscheidet, darf auch das Parlament mitreden. Nur wenn alle 25 Regierungen einer Meinung sind, dann können sie auch künftig das Europaparlament übergehen. Der frühere Parlamentspräsident und SPD-Abgeordnete Klaus Hänsch:
"Es ist ein Quantensprung, dass das Mitentscheidungsverfahren die Gesetzgebungsregel ist. Während es heute die Ausnahme ist, die überall vermerkt werden muss. Da steht dann über all nur noch Gesetzgebungsverfahren und dann bedeutet das. Rat und Parlament beschließen völlig gleichgewichtig über die Europäischen Gesetze. Die Regelumkehr ist ein Quantensprung."
Der Sarkasmus des Luxemburger Premierministers Jean-Claude Juncker richtete sich vor allem gegen Frankreich. Am 11. Dezember 2000 war das, nach dem EU-Gipfel in Nizza. Die damals 15 Regierungschefs hatten gerade ein neues Abstimmungssystem beschlossen, das vor allem eines war: kompliziert. Dabei sollten die neuen Abstimmungsregeln die EU fit machen für die Osterweiterung, damit sie auch mit 25 Mitgliederländern noch handlungsfähig bleibt.
Doch dem französischen Präsidenten Jacques Chirac war anderes wichtiger. Er wollte sicherstellen, dass Frankreichs Einfluss im Ministerrat der EU durch die neuen Mitglieder nicht geschmälert wird. Im Ministerrat sind die Regierungen der EU-Länder vertreten. Nichts passiert in der EU ohne die Zustimmung dieses Ministerrates. Deshalb ist es so entscheidend, wie viele Stimmen jedes Land dort hat. Es geht um Macht, und deshalb ist Chirac in Nizza einfach hart geblieben, vier Tage lang, bis die anderen Regierungschefs keine Lust und keine Zeit mehr hatten und einlenkten.
Das Ergebnis von Nizza ist ein wirres und ungerechtes System von gewichteten Stimmen: Deutschland hat danach zum Beispiel 29 Stimmen, genauso viele wie das kleinere Frankreich und gerade einmal zwei Stimmen mehr als das halb so große Spanien. Seit zwei Jahren gilt dieser Vertrag von Nizza und selbst Chirac findet ihn nicht mehr gut: Zu umständlich, zu undurchsichtig, zu undemokratisch.
Die Europäische Verfassung soll den Fehler von Nizza nun wieder gutmachen. Statt mit gewichteten Stimmen soll der Ministerrat künftig mit einer so genannten doppelten Mehrheit entscheiden. Das heißt, für einen Beschluss sind 55 Prozent der EU-Staaten notwendig, und diese Staaten müssen mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Die doppelte Mehrheit soll sicherstellen, dass große und kleine Staaten gleichermaßen berücksichtigt werden.
Bundesaußenminister Joschka Fischer:
"55 und 65 Prozent, das ist die Entscheidungsgrundlage, das ist die doppelte Mehrheit. Das repräsentiert die Bürgerunion und die Staatenunion. Dafür haben wir lange gekämpft. Die Vorstellung, dass drei große Länder miteinander entscheiden, ohne dass kleinere Länder beteiligt sind, halte ich für eine theoretische Vorstellung, die nicht zur Anwendung kommen wird."
Doch weit wichtiger als die Stimmengewichtung ist die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen. Bisher ist für zwei Drittel aller Entscheidungsfelder in der Europäischen Union die Einstimmigkeit notwendig. Das macht die EU nicht nur schwerfällig, sondern auch erpressbar. So hat Spanien vor drei Jahren eine Richtlinie zum europäischen Unternehmensrecht solange blockiert, bis die anderen einer Aufstockung der spanischen Strukturhilfen zugestimmt haben. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, aber das hat den damaligen spanischen Premier José Maria Aznar nicht interessiert. Er blieb stur, bis ihm die EU 1,5 Milliarden Euro zusätzlicher Mittel zusagte.
Das war kein Einzelfall: Das Veto hat immer wieder zum Missbrauch eingeladen - und es hat die EU schon viel Geld gekostet. Wenn die EU-Verfassung in Kraft tritt, werden die Möglichkeiten für solche Erpressungen drastisch eingeschränkt. Denn bis auf einige heikle Bereiche soll dann alles mit Mehrheit beschlossen werden. Der Zwang zur Einstimmigkeit wird künftig die Ausnahme sein. Steuerfragen zum Beispiel werden weiterhin nur im Konsens entschieden werden können, ebenso die Außen- und Sicherheitspolitik.
Mit der Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat wächst auch die Bedeutung des Europaparlaments. Denn das ist ein Grundprinzip der EU-Verfassung: Wo der Ministerrat mit Mehrheit entscheidet, darf auch das Parlament mitreden. Nur wenn alle 25 Regierungen einer Meinung sind, dann können sie auch künftig das Europaparlament übergehen. Der frühere Parlamentspräsident und SPD-Abgeordnete Klaus Hänsch:
"Es ist ein Quantensprung, dass das Mitentscheidungsverfahren die Gesetzgebungsregel ist. Während es heute die Ausnahme ist, die überall vermerkt werden muss. Da steht dann über all nur noch Gesetzgebungsverfahren und dann bedeutet das. Rat und Parlament beschließen völlig gleichgewichtig über die Europäischen Gesetze. Die Regelumkehr ist ein Quantensprung."