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Die Europa-Wahl und der Stellenwert der Umweltpolitik

Sechs Wochen nach der dann vollzogenen Erweiterung der Europäischen Union findet am 13. Juni die Europawahl statt. Es geht dabei um die Verteilung der 99 deutschen Mandate im Europäischen Parlament in Straßburg, ein Parlament, das wichtige Mitentscheidungsrechte hat unter anderem in der Verkehrs-, der Sozial- und auch der Umweltpolitik. Welche Rolle die Umweltpolitik im Wahlkampf der Spitzenkandidaten spielt, das wollten die großen Umweltverbände in Deutschland wissen und haben deshalb zu einer ersten Diskussionsveranstaltung nach Berlin eingeladen. In dieser ersten Runde waren dabei die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen, von FDP und PDS.

Von Dieter Nürnberger |
    Europa, in diesem Punkt immerhin waren sich die Teilnehmer einig, ist durchaus ein populäres Thema. Anders aber sieht es bei der Europapolitik aus. Wie kann man die Leute dafür begeistern, was in Brüssel oder Straßburg passiert? Die Leute thematisch mitnehmen, deutlich machen, dass sich Engagement in der Europapolitik auch lohnen kann. Für Rebecca Harms, sie kandidiert auf Listenplatz 1 der grünen Liste für die Europawahl, gibt es gerade in der Umwelt- oder auch Agrarpolitik sehr wohl deutliche Akzente, die Mut machen, die vorbildlich seien:

    Dadurch sind auch Weichen gestellt worden, die besser sind, als wir das national je hingekriegt hätten. Etwa die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik - durch Entkopplung, die zwischen EU-Agrarminister Fischler und Renate Künast verabredet wurde. So ist es möglich, in Zukunft eben verstärkt Leistungen der Landwirte für die Umwelt, für die Nachhaltigkeit, für den Tierschutz zu fördern. Oder auch Leistungen der Landwirte für die regionale Entwicklung.

    Kann man also europäisch mehr erreichen als national? Kommt am Ende eines langen Entscheidungsprozesses mehr raus, als nur der so oft zitierte kleinste gemeinsame Nenner der Mitgliedsstaaten? Die Umweltpolitik zumindest haben FDP, Grüne und PDS natürlich alle im Programm für die Wahl im Juni. Allerdings eben mit deutlichen Akzentunterschieden. Hauptschlagwort für die PDS beispielsweise ist zuerst das soziale Europa. Vielleicht auch aus der Einsicht heraus, dass Umweltpolitik traditionell eher ein schwieriges Feld ist. Für die PDS will Silvia Ivonne Kaufmann wieder in das Europaparlament:

    Die ökonomischen Fragen spielen eine dermaßen herausragende Rolle, dass Umweltpolitik oder die Fragen der Nachhaltigkeit dem immer wieder untergeordnet werden. Und hier nicht einmal eine Gleichrangigkeit von ökonomischen und nachhaltigen Zielen in der praktischen Politik besteht. In Sonntagsreden aber sehr wohl.

    Gentechnik in Lebensmitteln, Chemikalienpolitik, erneuerbare Energien – um diese Themen geht es. Beim derzeit so kontrovers diskutierten Thema Chemikalienpolitik will Europa mehr Transparenz und auch Kennzeichnung durchsetzen. Diese Auseinandersetzung ist noch nicht entschieden, doch für Alexander Graf Lambsdorff, er kandidiert für die FDP, ist dies auch ein Beispiel für zuviel Bürokratie:

    Es geht ja um Chemikalien, die in verschiedenen Industrien eingesetzt werden sollen. Lebensmittelherstellung, Elektroindustrie – das sind alles Branchen, die von dieser vorgesehenen Regulierung erfasst würden. Und zwar in einem Maß, dass ihnen eine bürokratische Last aufgedrückt würde. Die Firmen gehen dann raus – ich rede jetzt nicht von den großen Unternehmen wie Bayer oder Boehringer – ich rede von den mittelständischen Chemieunternehmen. Und die gehen dann in Länder, wo es keine EU-Standards gibt.

    Ökologie kontra Ökonomie – dieser alte und bei weitem nicht immer zutreffende Konflikt, er spielt bei dieser Diskussion stets eine Rolle. Und mit der EU-Osterweiterung könnten sich auch die Gewichte verschieben. Denn in den Beitrittsländern sei Umweltpolitik noch weniger verankert als in der bisherigen EU. PDS-Kandidatin Kaufmann hat dennoch Hoffnung:

    Die Bürgerinnen und Bürger, das ist ja das Paradoxe, die haben die größten Erwartungen im Umweltbereich. Die Tatsache, dass Umweltverschmutzung die Grenzen nicht kennt, das ist schon im Alltagsbewusstsein verankert. Aber die Politik hängt hier dem Alltagsbewusstsein nach.

    Mehr Kompetenz für die parlamentarische Arbeit – dies könnte auch die Umweltpolitik stärken, sagt die Grüne Kandidatin Rebecca Harms:

    Wir brauchen als Grüne in dieser europäischen Auseinandersetzung , in Fragen der Umweltpolitik und auch der Nachhaltigkeit, da brauchen wir massive Unterstützung von unten.

    Und ein erster Schritt dahin sollte eine hohe Wahlbeteiligung sein. Auch hier waren sich die Kandidaten von FDP, Grüne und PDS einig – ganz generell, aber eben auch mit Blick auf die eigenen Wahlchancen.