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Die Europäische Union und ein Sitz im Weltsicherheitsrat

Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben bislang nur die USA, Frankreich, Großbritannien, Russland und China einen ständigen Sitz mit Vetorecht. Frankreich und Großbritannien vertreten somit auch die Interessen der Europäischen Union. Bevor sich die EU selbst um einen Sitz im Weltsicherheitsrat bemühen kann, sollte sie erstmal ihre gemeinsame Außenpolitik überzeugend organisieren, fordert der Brüsseler Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, Martin Winter.

    Die Großen dieser Welt haben in der vergangenen Woche in New York über die Reform des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen geredet. Wieder einmal und das zu Recht. Denn die Reform ist überfällig. Das Fünfeck der Vetomächte aus USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien, Produkt des zweiten Weltkrieges und des anschließenden kalten Krieges, passt nicht mehr auf einen Globus, der sich politisch und wirtschaftlich radikal verändert hat.

    Es fehlen am Tisch der Großen: Afrika, Asien, Lateinamerika und - ja, auch Europa. Wieso Europa?, wird sich mancher fragen. Da sitzen doch schon die Briten und die Franzosen im Sicherheitsrat und wenn nun auch noch der deutsche Wunsch nach einem Platz unter den ganz Großen erfüllt werde, dann sei Europa doch gut vertreten. Und einige wenden ein, einen Sitz für die EU zu fordern sei illusionär, weil Paris und London niemals auf den ihren verzichten würden. Da ist einiges Wahres dran.

    Aber dennoch spricht aus dem italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi nicht nur Eifersucht, wenn er Angela Merkels Anspruch auf einen ständigen und mit Vetomacht ausgestatteten Sitz im Sicherheitsrat mit der Forderung nach einem Sitz für die EU zurückweist. Denn die Europäische Union ist in den vergangenen Jahren zu einem Mitspieler auf der internationalen Bühne geworden. Sie hat mit den meisten Ländern der Welt Partnerschaftsabkommen geschlossen. Sie trägt die Hauptlast der weltweiten Entwicklungshilfe. Sie spielt eine gewichtige Rolle im Nahen Osten und auf dem Balkan. Ihr militärisches und ziviles Krisenmanagement hat sich auch schon in Afrika und in Asien bewährt.

    Mit einem Wort: Die EU besitzt ein ökonomisches, politisches und militärisches Gewicht, mit dem sie viel in der Welt bewegen kann. Wenn sie es denn gezielt und ausdauernd einsetzt. Genau hier aber liegt das Problem. Die EU schöpft ihre außenpolitischen Möglichkeiten bei weitem nicht aus, weil einige Mitgliedsländer sie daran hindern. Allen voran Großbritannien, das bei der Vertragsreform der EU nichts ausgelassen hat, den außen- und sicherheitspolitischen Spielraum der Gemeinschaft einzuengen.

    Aber auch die neue französische Regierung unter Nicolas Sarkozy schert sich wenig um europäische Stärke. Pariser Alleingänge etwa in der Iran-Politik oder im Nahen Osten haben die mühsam gefundene europäische Gemeinsamkeit ruiniert. Eine EU, mit deren Außenpolitik so liederlich umgegangen wird, dürfte von den anderen großen Spielern kaum ernst genommen werden.

    Und eine Europäische Union wird nicht als internationaler Partner respektiert werden, in der etwa Polen und Esten das große strategische Projekt einer Partnerschaft mit Russland für vergleichsweise lächerliche Streitigkeiten um Fleischexporte oder um die Platzierung eines Denkmals in Geiselhaft nehmen können.

    Außenpolitisch stolpert Europa immer noch mehr über seine eigenen Füße als über die Probleme der Welt. Ja, die EU ist so wichtig, dass sie an den Tisch in New York gehört. Aber erst dann, wenn sie ihre gemeinsame Außenpolitik überzeugend organisiert hat und zwischen Bedeutendem und Unbedeutendem auf der Welt unterscheiden kann.

    Eines Tages wird die EU das können. Wenn ihre großen wie ihre kleinen Mitglieder diese beiden Voraussetzungen für die Übernahme einer internationalen Hauptrolle nicht nur begriffen haben, sondern sich auch danach richten.