F. Springer, dieser, den Leser vom Umschlagfoto seiner Bücher so distinguiert anlächelnde 67jährige Schriftsteller aus Holland kennt solche Nöte nicht. Er behandelt und beschreibt die Ferne so gelassen, als handele es sich um eine Straßenkreuzung in Den Haag, wo Springer sich als freier Autor inzwischen niedergelassen hat. Er weiß, wovon er spricht. Er ist buchstäblich ein Kind der Kolonien. F. Springer wurde 1932 in Batavia, dem heutigen Djakarta geboren und wuchs in Indonesien auf. Als 14jähriger kam er mit seiner Familie in die Niederlande. Als Erwachsener blieb er der polyglotten Existenz treu, er war niederländischer Botschafter in verschiedenen Ländern, zuletzt in Ostberlin. Auch die Gelassenheit, die daher rührt, daß ein Schriftsteller nicht darauf angewiesen ist, sich mittels literarischer Produktion Prestige und Verdienst zu sichern, da er beides aus einem bürgerlichen Beruf bezieht, glaubt man Springers Romanen - drei sind bislang im Deutschen erschienen - anzumerken. Der Niederländer folgt einer einzigen großen Passion, seine Bücher sind ein einziges großes Echo der kolonialen Sehnsuchtsmelodie und sie sind sich darin bis in den Plot, die Motivik und den dramaturgischen Aufbau hinein erstaunlich ähnlich.
Allesamt sind F. Spingers Helden Geistesverwandte der europäischen Glückssucher und Abenteurer Joseph Conrads, aber sie sind weniger deren Brüder, als ihre desillusionierten Nachkommen, die verinnerlicht haben, daß sich die Abenteuer nicht mehr im Dschungel abspielen, sondern im Hirn. Wenn sie dem Traum folgen, "nichts als dem Traum", wie es bei Conrad heißt, dann bedeutet das, daß sie einer Erinnerung folgen und die Wiederholung einer paradiesisch-exotischen Szenerie inszenieren. Nostalgie, die rückwärtsgewandte Form der Utopie, das ist Springers Thema. Und wenn er davon erzählt, wenn er sein Thema in einer Geschichte aufrollt, dann greift er zu einer bewährten Methode: Er gibt der Nostalgie das Gesicht und den Namen einer Frau.
Einer Frau ? Pinkie, dieses Objekt einer lebenslang im Geist von Fergus Steyn nachhallenden Sehnsucht, ist vierzehn und das Gegenteil dessen, was man sich gemeinhin unter einer blassen, lasziv hingelagerten Kolonialschönheit vorstellt. Pinkie ist lang und mager, extrem storchenbeinig, extrem quecksilbrig und die Frequenz ihrer Einfälle, Ideen und Phantasien wirkt auf die Umgebung immer leicht überfordernd. Ihr Mut überflügelte den aller Jungen und es ist klar daß niemand anders als Pinkie der Chef einer Kinderbande war, zu der Fergus Steyn vor einem halben Jahrhundert auf Ceylon gehörte. Die Biographie dieses Helden lehnt sich stärker als die aller anderen Romanprotagonisten an das Leben ihres Erfinders F. Springer an. Fergus Steyn ist ebenfalls Holländer und lebt nun, als über 60jähriger Mann in Holland. Er ist ebenfalls in den Kolonien geboren und verließ sie wie Springer im Pubertätsalter, im Jahr 1946, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Internierung in einem japanischen Lager. Die Heimreise nach Holland gestaltet sich für Fergus und seine Mutter kompliziert. Die Passagierschiffe verkehren unregelmäßig, zudem wollen die meisten Holländerinnen und Engländerinnen, die bei der Internierung von ihren Männern getrennt wurden, Asien ohne diese nicht verlassen.
Mit vielen anderen Müttern und Kindern gerät Fergus Steyn nach Ceylon, auf einen Stützpunkt der englischen Armee. Von den Monaten, die er dort verbrint, in Baracken, aber gut ernährt, im Wartezustand, aber in dem eines euphorischen Urlaubsgefühls, erzählt der Roman aus der Erinnerungsperspktive des frisch pensionierten Fergus Steyn. Ceylon ist ein Symbol, ist der Rahmen eines Bildes, das sich verlorenes Paradies in sein Gedächtnis gesenkt hat - und in das der anderen Kinder. Nicht nur, weil sie Not nicht mehr und den Schulalltag noch nicht erleiden, weil sie unbeaufsichtigt durch den Dschungel rennen und im Freilichtkino amerikanische Filme anschauen, weil sie unter Pinkies gebieterischer Legendenproduktion sofort einen Geheimclub gründen, mit Geheimsprache und allem Drum und Dran. Sondern vor allem, weil all das in einer überwältigenden Zuneigung der Kinder füreinander geschieht. Einer Zuneigung, die noch keine Trennung kennt zwischen Freundschaft und Liebe, Loyalität und Eros. Auch für diese Utopie liefert Pinkie den Code: "auf ewiglich", soll ihre Freundschaft sein, schärft sie den anderen ein.
Pinkie ist Fergus Steyns erste Liebe. Und nun, an der Schwelle zum Alter, ein erfolgreiches Berufsleben hinter sich, aber als Mann allein lebend, lodert in dem Holländer Steyn plötzlich die Idee auf, sie sollte auch seine letzte Liebe sein. Er macht sich auf die Suche nach Pinkie, die nun eine ältere Dame sein muß, und, begleitet vom Herzklopfen des Lesers, findet er sie tatsächlich in London als wohlhabende, situierte Ehefrau. Er findet auch das Storchenbeinige und Quecksilbrige, Pinkies ganzen Charme und ihre Wärme, den ganzen Abglanz des Ceylon-Glücks wieder. Aber Pinkie sagt nicht mehr "auf ewiglich", sondern, Fergus Steyn mit Tränen in den Augen verabschiedend: "zu spät".
Natürlich liegt auf diesem Roman, "auf der Farbe des Septembers", die Farbe der Melancholie. Aber sie kommt in der Gestalt der Wehmut, des Bedauerns und Bedenkens daher, mit einer Leichtigkeit, die mit der morbiden, suizidal gesteuerten Melancholie in F. Springers Roman "Bougainville" nicht zu vergleichen ist. Dabei wird dort eine ganz ähnliche Geschichte erzählt, ebenfalls die Geschichte einer Liebe, die ein Leben lang flackert, aber nie gelebt wird. Das Gewicht grausamer Schicksalshaftigkeit, das auf "Bougainville" lastet, wollte der Autor dieser wunderbaren und wunderbar erzählten Kinderliebe nicht zumuten. Alles ist in diesem Roman ein wenig harmloser als sonst bei F. Springer, was nicht heißt, daß es banaler wäre. Einmal, als Fergus und Pinkie eng nebeneinander in einer Erdmulde im Dschungel kauern, berührt sie kurz sein Bein. Fergus geht es durch und durch. Mit einem Schlag weiß er instinktiv alles, ohne irgendetwas richtig zu begreifen, wie es in Kinderlieben so ist. Diesen Zustand merkt sich Fergus Steyn als Idealzustand der Liebe.
Allesamt sind F. Spingers Helden Geistesverwandte der europäischen Glückssucher und Abenteurer Joseph Conrads, aber sie sind weniger deren Brüder, als ihre desillusionierten Nachkommen, die verinnerlicht haben, daß sich die Abenteuer nicht mehr im Dschungel abspielen, sondern im Hirn. Wenn sie dem Traum folgen, "nichts als dem Traum", wie es bei Conrad heißt, dann bedeutet das, daß sie einer Erinnerung folgen und die Wiederholung einer paradiesisch-exotischen Szenerie inszenieren. Nostalgie, die rückwärtsgewandte Form der Utopie, das ist Springers Thema. Und wenn er davon erzählt, wenn er sein Thema in einer Geschichte aufrollt, dann greift er zu einer bewährten Methode: Er gibt der Nostalgie das Gesicht und den Namen einer Frau.
Einer Frau ? Pinkie, dieses Objekt einer lebenslang im Geist von Fergus Steyn nachhallenden Sehnsucht, ist vierzehn und das Gegenteil dessen, was man sich gemeinhin unter einer blassen, lasziv hingelagerten Kolonialschönheit vorstellt. Pinkie ist lang und mager, extrem storchenbeinig, extrem quecksilbrig und die Frequenz ihrer Einfälle, Ideen und Phantasien wirkt auf die Umgebung immer leicht überfordernd. Ihr Mut überflügelte den aller Jungen und es ist klar daß niemand anders als Pinkie der Chef einer Kinderbande war, zu der Fergus Steyn vor einem halben Jahrhundert auf Ceylon gehörte. Die Biographie dieses Helden lehnt sich stärker als die aller anderen Romanprotagonisten an das Leben ihres Erfinders F. Springer an. Fergus Steyn ist ebenfalls Holländer und lebt nun, als über 60jähriger Mann in Holland. Er ist ebenfalls in den Kolonien geboren und verließ sie wie Springer im Pubertätsalter, im Jahr 1946, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Internierung in einem japanischen Lager. Die Heimreise nach Holland gestaltet sich für Fergus und seine Mutter kompliziert. Die Passagierschiffe verkehren unregelmäßig, zudem wollen die meisten Holländerinnen und Engländerinnen, die bei der Internierung von ihren Männern getrennt wurden, Asien ohne diese nicht verlassen.
Mit vielen anderen Müttern und Kindern gerät Fergus Steyn nach Ceylon, auf einen Stützpunkt der englischen Armee. Von den Monaten, die er dort verbrint, in Baracken, aber gut ernährt, im Wartezustand, aber in dem eines euphorischen Urlaubsgefühls, erzählt der Roman aus der Erinnerungsperspktive des frisch pensionierten Fergus Steyn. Ceylon ist ein Symbol, ist der Rahmen eines Bildes, das sich verlorenes Paradies in sein Gedächtnis gesenkt hat - und in das der anderen Kinder. Nicht nur, weil sie Not nicht mehr und den Schulalltag noch nicht erleiden, weil sie unbeaufsichtigt durch den Dschungel rennen und im Freilichtkino amerikanische Filme anschauen, weil sie unter Pinkies gebieterischer Legendenproduktion sofort einen Geheimclub gründen, mit Geheimsprache und allem Drum und Dran. Sondern vor allem, weil all das in einer überwältigenden Zuneigung der Kinder füreinander geschieht. Einer Zuneigung, die noch keine Trennung kennt zwischen Freundschaft und Liebe, Loyalität und Eros. Auch für diese Utopie liefert Pinkie den Code: "auf ewiglich", soll ihre Freundschaft sein, schärft sie den anderen ein.
Pinkie ist Fergus Steyns erste Liebe. Und nun, an der Schwelle zum Alter, ein erfolgreiches Berufsleben hinter sich, aber als Mann allein lebend, lodert in dem Holländer Steyn plötzlich die Idee auf, sie sollte auch seine letzte Liebe sein. Er macht sich auf die Suche nach Pinkie, die nun eine ältere Dame sein muß, und, begleitet vom Herzklopfen des Lesers, findet er sie tatsächlich in London als wohlhabende, situierte Ehefrau. Er findet auch das Storchenbeinige und Quecksilbrige, Pinkies ganzen Charme und ihre Wärme, den ganzen Abglanz des Ceylon-Glücks wieder. Aber Pinkie sagt nicht mehr "auf ewiglich", sondern, Fergus Steyn mit Tränen in den Augen verabschiedend: "zu spät".
Natürlich liegt auf diesem Roman, "auf der Farbe des Septembers", die Farbe der Melancholie. Aber sie kommt in der Gestalt der Wehmut, des Bedauerns und Bedenkens daher, mit einer Leichtigkeit, die mit der morbiden, suizidal gesteuerten Melancholie in F. Springers Roman "Bougainville" nicht zu vergleichen ist. Dabei wird dort eine ganz ähnliche Geschichte erzählt, ebenfalls die Geschichte einer Liebe, die ein Leben lang flackert, aber nie gelebt wird. Das Gewicht grausamer Schicksalshaftigkeit, das auf "Bougainville" lastet, wollte der Autor dieser wunderbaren und wunderbar erzählten Kinderliebe nicht zumuten. Alles ist in diesem Roman ein wenig harmloser als sonst bei F. Springer, was nicht heißt, daß es banaler wäre. Einmal, als Fergus und Pinkie eng nebeneinander in einer Erdmulde im Dschungel kauern, berührt sie kurz sein Bein. Fergus geht es durch und durch. Mit einem Schlag weiß er instinktiv alles, ohne irgendetwas richtig zu begreifen, wie es in Kinderlieben so ist. Diesen Zustand merkt sich Fergus Steyn als Idealzustand der Liebe.