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Die Fischerinnen von Massa Carrara

Sieben europäische Frauen haben die Krise genutzt haben, um verkrustete Strukturen in der italienischen Fischereibranche zu knacken. Und sie sind damit sehr erfolgreich.

Von Karl Hoffmann | 28.09.2012
    Fischer am Hafen: alles Männer. Von Frauen am Ruder halten die nicht viel:

    "Ist schon für uns Männer schwer genug, stellen sie sich mal eine Frau da vor. Also Frauen auf einem Fischerboot, niemals. Das ist alte Tradition, dass eine Frau nichts auf einem Boot zu suchen hat. Frauen bringen Unglück, das ist eine alte Fischerweisheit."

    Mit solchen Traditionen und Vorurteilen wollen Rady, Sabrina, Tania, Margherita, Cinzia, Carol und Rita jetzt aufräumen. Am Anfang waren die sieben Frauen - eine Bulgarin, eine Kolumbianerin, eine Polin und vier Italienerinnen - noch brave Köchinnen in Marina di Carrara. Sie bereiteten schmackhafte Speisen aus dem Fisch zu, den die Männer an Land brachten. Erklärt Rady Petrova:

    "Wir haben Produkte verarbeitet und vertrieben, die aus dem Fischfang hier vor unserer Küste stammen. Dafür haben wir die weniger beliebten Fischsorten genommen, die oft wieder ins Meer zurückgeworfen werden. Wir haben fast alles in einen Topf geworfen und dann fertige Fischgerichte für wenig Geld auf Volksfesten angeboten."

    Das war vor zwei Jahren. Das Geschäft lief so gut, dass die unternehmungslustige 38-jährige Bulgarin, die vor 13 Jahren ihre Heimat am Schwarzen Meer verließ und an der toskanischen Küste den Anker warf, mit ihrer Frauengruppe einen schmucken, kleinen Laden aufmachen konnten:

    "Das ist unsere kleine Fischhandlung, die wir eingerichtet haben mit dem Gewinn aus unseren Fischprodukten. Jede von uns hat dann noch ein paar Ersparnisse dazugelegt. Seit wir sieben Frauen angefangen haben uns selbstständig zu machen, haben wir eine Menge Hürden überwunden und man hat unsere Arbeit oft sehr skeptisch betrachtet. Aber jetzt wollen wir auch noch ein Restaurant eröffnen, wo man unseren eigenen Fang essen kann. Hoffen wir, dass es klappt."

    Seit Monaten belegt Rady Kurse, macht Prüfungen und bekommt demnächst das Kapitänspatent. Denn die Fischerfrauen haben sich einen eigenen Fischkutter gekauft und bieten inzwischen nur noch Ware aus eigenem Fang an. Dass eine Frau kein Fischer werden sollte, hält Rady für Unsinn.

    "Wer behauptet, die Fischerei sei nichts für Frauen, der irrt. Grundsätzlich gibt es sowieso keine typischen Männer- oder Frauenberufe. Jeder kann alles machen, wenn er sich Mühe gibt. Im Gegenteil. Gerade Frauen haben in der Fischerei beste Voraussetzungen. Zum Beispiel die Fische aus den Netzen ziehen. Alles, was mit Knüpfen und Stricken zu tun hat, liegt doch den Frauen regelrecht im Blut. Mit Netzen zu arbeiten, dafür taugen Frauen viel besser als Männer."

    Und dann ist da noch ein entscheidender Punkt. Die modernen Zeiten bringen immer strengere Regeln und mehr Bürokratie mit sich.

    "Die Männer tun sich schwer mit den neuen Vorschriften. Die meisten sind es zum Beispiel nicht gewöhnt, alle gefangenen Fische zu wiegen und in Listen einzutragen. Der Fischerberuf ist heutzutage mit viel Schreibarbeit verbunden, denn jeder Fang muss heute mit detaillierten Papieren versehen sein."

    Aus Radys Gruppe ist inzwischen eine Frauenkooperative geworden. "Bio e Mare" setzt auf nachhaltigen Fischfang und nachhaltige Produktion. Verkauft wird nur in der näheren Umgebung, der Umwelt zuliebe. Ein Erfolgsrezept, das den männlichen Kollegen langsam aber sicher zu schaffen macht.

    "Frauen setzen sich überall durch, wir haben inzwischen Frauen als Straßenkehrer und Frauen als Minister. Überall sind sie."