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Die Fischler-Vorschläge und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft auf dem Weltmarkt

Im schleswig-holsteinischen Neumünster trafen sich gestern wie alljährlich um diese Zeit die Mitglieder des Rationalisierungskuratoriums für Landwirtschaft aus dem gesamten Bundesgebiet. Rund 1.400 Mitglieder gehören diesem Beratungsring an, dem es um eine wettbewerbsorientierte Form der Landwirtschaft geht. Dennoch haben auch hier die Vorschläge des EU-Agrarkommissars Franz Fischler zur Halbzeit der Agenda 2002 für Unruhe gesorgt. Dem grundlegenden Ziel einer besseren Marktorientierung der europäischen Landwirtschaft stimmen die RKL-Landwirte zwar zu, aber wie dies auch vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung gelingen wird, kann derzeit niemand sagen.

Von Annette Eversberg | 08.01.2003
    Mit den neuen Fischler-Vorschlägen sind Veränderungen auf jeden Fall programmiert. Einige davon sind politisch gewollt. Unter dem Begriff der Cross Compliance soll die europäische Landwirtschaft beispielsweise veranlasst werden, nachhaltiger zu wirtschaften. Der Begriff der guten fachlichen Praxis wird damit erweitert. Einiges davon lässt sich leicht erfüllen, weil nationale Auflagen z.B. im Pflanzenschutz bereits diesem Vorschlag entsprechen, erläutert Friedrich Otto Ripke vom Pflanzenschutzamt Hannover:

    Ich habe für Niedersachsen heute vorgestellt, dass die Teilnehmer an Agrarumweltprogrammen, wenn sie diese Prämie empfangen, im Gesamtbetrieb gute fachliche Praxis gewährleisten müssen. Wenn sie dies nicht einhalten, wird nicht nur ein Bußgeld fällig, sondern auch die Agrarumweltprämie wird gekürzt, insofern ist das schon eine Art Cross Compliance.

    Doch die neuen Fischler-Vorschläge können auch zu Veränderungen führen, die weniger erwünscht sind. Professor Halvor Jochimsen von der schleswig-holsteinischen Landwirtschaftskammer verweist dabei auf die Neuordnung der Prämienzahlungen im Rahmen der sogenannten Entkopplung:

    Es gibt eine Verschiebung, die Prämienzahlung nicht mehr an das einzelne Produkt zu koppeln, sondern ist dem Betrieb zu zahlen, unabhängig davon, ob dieses Produkt in den nächsten Jahren noch erzeugt wird oder nicht. Wenn das so wäre, dann müssen die Landwirte die einzelnen Produkte, allein aufgrund der Marktpreise kalkulieren. Und da wird es Verschiebungen geben, beispielsweise zwischen Gemüse und Kartoffeln auf der einen Seite, für die Produkte werden keine Prämien gezahlt im Vergleich zu Getreide und Raps. Getreide und Raps wird weniger wettbewerbsfähig, das andere wird interessanter.

    Dem Verbraucher könnte das nur recht sein, wenn mehr Gemüse und Kartoffeln angeboten werden. Doch die Veränderungen bleiben auch für ihn nicht ohne Wirkung. Halvor Jochimsen:

    Der Vorschlag dieser entkoppelten Betriebsprämie, die der Landwirt bekommt, unabhängig davon, dass er noch Rinder mästet oder nicht. Wenn das so kommt, in der krassen Form, dann müssen die Landwirte, ihre Rentabilität neu bestimmen in der Rindermast und werden in der Regel zu dem Schluss kommen, dass sich die Rindermast nicht mehr lohnt.

    Europa wäre dann verstärkt auf Importe angewiesen. Zum Beispiel aus Argentinien. 600.000 Tonnen Rindfleisch werden von dort aus jedes Jahr auf den Weltmarkt exportiert. Doch gerade das Beispiel Argentinien zeigt, wie die reine Wettbewerbsorientierung die Struktur der Landwirtschaft grundlegend verändern kann, berichtet Franz Hollmann, landwirtschaftlicher Berater aus Raisdorf bei Kiel:

    Wir haben gesehen an den Produktionszahlen, dass enorme Grünflächen verschwunden sind und für den Sojaanbau bereitgestellt worden sind. Das Bild der großen grünen Flächen mit den großen Rinderherden gibt es heute noch, aber sie sind zurückgedrängt in die trockeneren Gebiete, gerade Cordoba ist die Hauptrinderregion derzeit.

    Weil die Preise auf dem Weltmarkt hoch sind und die Nachfrage auch in China wegen des dortigen Ausbaus der Fleischproduktion wächst, hat sich z.B. die Sojaanbaufläche in Argentinien seit 1993 fast verdreifacht. Große Betriebe von bis zu 3000 Hektar sind in der Hand von Argentiniern und zunehmend auch von kapitalkräftigen Investoren aus dem Ausland. Auf Umweltbestimmungen muss keine Rücksicht genommen werden. Die Verwendung großer Pflanzenschutzmittelmengen führt schon zu erheblichen Resistenzen. Der Boden wird überdüngt und durch die Bearbeitung zunehmend verdichtet. Auf dem Weltmarkt bedeutet all dies zunächst einen Wettbewerbsvorteil. Sorgen braucht sich die europäische Landwirtschaft dennoch nicht zu machen, denn Nachhaltigkeit beim sorgsamen Umgang mit der Umwelt und dem Produktionsmittel Boden zahlt sich aus der Sicht von Franz Hollmann auf jeden Fall aus:

    Ich denke, Nachhaltigkeit wird sich langfristig rechnen. Ich sehe eine gewisse Gefahr gerade auf den nicht Superböden, speziell das Beispiel Argentinien gesehen, dass Bodenfruchtbarkeit so runter gefahren wird, dass eine rentable Produktion nicht mehr möglich ist und Flächen wieder brach fallen werden. Weil ich denke, diese Form der Landwirtschaft, dass man kurzfristig versucht, so kostengünstig wie möglich zu produzieren, wird langfristig keinen Bestand haben.