Die Rezensenten blieben aber trotzdem kalt. Hanno Rauterberg in der ZEIT: "So freut man sich am Ende über die Intensität der Ausstellung - und erschrickt zugleich über ihre historische Leichtfertigkeit. Erschrickt auch über Klaus-Dieter Lehmann, der die Stiftung Preußischer Kulturbesitz leitet und bei der Pressekonferenz einen Topos der Rechtsnationalen paraphrasiert. Wir müssen aus Hitlers Schatten heraustreten, das sagt er nicht. Er sagt, dass die Ausstellung Hitlers Schatten kleiner mache. Spätestens da merkt man: Die Trennung von Kunst und Geschichte ist unaufhebbar. Die Debatte über Sammlung und Sammler bleibt eine deutsche Debatte."
Was mit Leichtfertigkeit gemeint sein konnte und kann, zeigt Thomas Wagner in der FAZ (22.9.04) an einem interessanten Beispiel: "Wie leicht im Kontext der Debatte um das problematische Erbe der Familie auch in der Kunst ein Scherz bitter werden kann, zeigt das Beispiel von Martin Kippenbergers ironisch dekonstruiertem Gemälde mit dem schönen Titel "Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken". Was bei Kippenberger bewusst geschmacklos und provokativ sein sollte, weil dies zum Programm seiner Kunst gehörte, wirkt in einer Sammlung Flick deplaziert. Der Sammler kann sich den Sarkasmus Kippenbergers nicht aneignen, indem er dessen Werk kauft. So scheint Friedrich Christian Flick vor allem eines zu fehlen: Einbildungskraft, um sich vorzustellen, was die Opfer der Geschäfte seines Großvaters an dem Erben taktlos finden müssen. Takt aber lässt sich nicht delegieren, schon gar nicht an die Kunst."
Für Gustav Seibt in der Süddeutschen vom Donnerstag ist die Sammlung kurz und bündig eine "Allegorie der deutschen Gesellschaft": "Sie ist von heute, nur das Geld kommt noch von gestern."
Die völlig überreizte Atmosphäre und ein Attentat, das eine 35-jährige am Mittwochabend auf eine Installation des amerikanischen Künstlers Gordon Matta Clark verübt hat, führten zufolgendem Kommentar von Harald Jähner in der "Berliner Zeitung" vom Freitag:
"Noch ist nur wenig bekannt über die 35-Jährige, die in der Ausstellung der Flick-Collection randaliert hat. Es gibt nichts, was uns Aufschluss über ihre Motive geben könnte. Es geht auch nicht darum, das Herumspringen in künstlerischen Installationen zu rechtfertigen, auch wenn diese nur nachzustellen scheinen, wie es bei Hempels unterm Sofa zugeht. Aber zum Verrücktwerden steht es um die Flick-Collection schon. Man muss nur einen Tick neben der Spur liegen, nur ein klein wenig abgedreht und überspannt sein, um an dem Drumherum dieser Ausstellung auszurasten. Einige Kommentatoren haben die Kanzler-Rede zur Flick-Collection als ein Zeichen dafür gewertet, dass die Bundesrepublik moralisch erwachsen geworden sei. Ohne Verdrängung und ohne Schlussstrichmentalität, ohne Schuld-, aber mit Verantwortungsgefühl sei Deutschland aus dem Schatten der Vergangenheit herausgetreten. In der Tat hätte man jedes Kanzlerwort im Hamburger Bahnhof sinngemäß unterschreiben können. Aber die perfekte Glätte seiner Wortwahl, die betulichen Umschreibungen der Sammlermacht, die peinliche Vermeidung des Themas Geld selbst dort, wo es um das Erbe Flicks ging, das konnte ein überreiztes Hirn in Misstrauen, Schwermut oder Erregung versetzen."
Wer immer noch nicht oder jetzt schon gar nicht Kunst des 20. Jahrhunderts sehen will, kann es jetzt im Kino auch mit der des 17. Jahrhunderts versuchen: Peter Webbers Film "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" über den Maler Jan Vermeer findet ebenso auffallend positive Rezensenten wie Michael Manns Thriller "Collateral". Dort werde- so die taz (23.9.) - "eine Großstadtnacht im 21.Jahrhundert gezeigt, wie man sie im Kino noch nicht gesehen hat."
Vom 14. bis 17. September fand in Kiel der 45. deutsche Historikertag statt. Mit positivem Ergebnis, wie etwa Arne Karsten in der Frankfurter Rundschau (20.09.) meinte:
"Wichtiger aber waren für den Gesamteindruck die positiven Ansätze, Forschungsergebnisse von gesellschaftlicher Relevanz zu präsentieren, und zwar in einer Form, die über den Kreis der Fachkollegen hinaus wahrgenommen werden kann. Es gab in Kiel Neuerungen, die Zukunft haben, etwa die Wahl von "Partnerländern", diesmal waren es Polen und die drei baltischen Republiken, mit der ein Zeichen zur verstärkten internationalen Zusammenarbeit gesetzt werden soll. Noch viel versprechender erscheint die längst überfällige Öffnung den Schulen gegenüber."
Gibt es eine neue Chance für den ehemaligen Palast der Republik in Berlin? Bis zum 12. November war der Initiative "Volkspalast" eine kulturelle Zwischennutzung zugestanden worden. Diese Zwischennutzung wird jetzt, so Flierl, bis zum Sommer 2005 verlängert. Eckhard Fuhr in der "WELT" (24.9.) hört schon das Gras wachsen:
"So redet man nicht über eine Ruine, die man los werden will. So redet man, wenn man eine politische Entscheidung durch semantische Aufweichung revidieren will. Im nächsten Sommer wird es darum gehen, ob ein unter dem Zuspruch des Kultursenators am Leben gehaltener Ort öffentlicher Auseinandersetzung durch brutale Abrissbirnen gemordet werden darf, ob die in den Ruinen des sozialistischen Prestigebaus blühende Kunst und Kultur niedergewalzt werden darf von der politischen Selbstgerechtigkeit Kalter Krieger und dem nostalgischen Ästhetizismus adeliger Schlossfreunde. Das ist das politische Entscheidungs-Szenario, an dem Flierl werkelt. Und er ist dabei nicht ungeschickt."
Nicht vergessen wurden letzte Woche auch zwei große Geburtstage: der 70. Geburtstag von Sophia Loren und der 70. Geburtstag von Leonhard Cohen. Der Schriftsteller Georg Klein gratulierte und dankte Cohen in der SZ (21.09.04):
"Weltweit finden Leonard-Cohen-Birthday Parties statt. In Toronto, in Kopenhagen, in Barcelona und in Toowooomba/Australien werden mehr oder minder hübsche Jünglinge die Akkordfolgen seiner Lieder zerklampfen und hemmungslos losschmachten, um heutigen Maiden mit geliehenen Fingern möglichst tief ins Gemüt zu grabschen. Wer aber ein Organ für den Vers hat, wer ein Herz besitzt, das Lyrik zu rühren vermag, oder wer wie ich als Satzschmiedgeselle von diesem Meister lernen durfte - der wird heute in stiller Lesekammer ein Knie beugen, um Leonard Cohen als poetischen Zeitgenossen zu ehren."
Was mit Leichtfertigkeit gemeint sein konnte und kann, zeigt Thomas Wagner in der FAZ (22.9.04) an einem interessanten Beispiel: "Wie leicht im Kontext der Debatte um das problematische Erbe der Familie auch in der Kunst ein Scherz bitter werden kann, zeigt das Beispiel von Martin Kippenbergers ironisch dekonstruiertem Gemälde mit dem schönen Titel "Ich kann beim besten Willen kein Hakenkreuz entdecken". Was bei Kippenberger bewusst geschmacklos und provokativ sein sollte, weil dies zum Programm seiner Kunst gehörte, wirkt in einer Sammlung Flick deplaziert. Der Sammler kann sich den Sarkasmus Kippenbergers nicht aneignen, indem er dessen Werk kauft. So scheint Friedrich Christian Flick vor allem eines zu fehlen: Einbildungskraft, um sich vorzustellen, was die Opfer der Geschäfte seines Großvaters an dem Erben taktlos finden müssen. Takt aber lässt sich nicht delegieren, schon gar nicht an die Kunst."
Für Gustav Seibt in der Süddeutschen vom Donnerstag ist die Sammlung kurz und bündig eine "Allegorie der deutschen Gesellschaft": "Sie ist von heute, nur das Geld kommt noch von gestern."
Die völlig überreizte Atmosphäre und ein Attentat, das eine 35-jährige am Mittwochabend auf eine Installation des amerikanischen Künstlers Gordon Matta Clark verübt hat, führten zufolgendem Kommentar von Harald Jähner in der "Berliner Zeitung" vom Freitag:
"Noch ist nur wenig bekannt über die 35-Jährige, die in der Ausstellung der Flick-Collection randaliert hat. Es gibt nichts, was uns Aufschluss über ihre Motive geben könnte. Es geht auch nicht darum, das Herumspringen in künstlerischen Installationen zu rechtfertigen, auch wenn diese nur nachzustellen scheinen, wie es bei Hempels unterm Sofa zugeht. Aber zum Verrücktwerden steht es um die Flick-Collection schon. Man muss nur einen Tick neben der Spur liegen, nur ein klein wenig abgedreht und überspannt sein, um an dem Drumherum dieser Ausstellung auszurasten. Einige Kommentatoren haben die Kanzler-Rede zur Flick-Collection als ein Zeichen dafür gewertet, dass die Bundesrepublik moralisch erwachsen geworden sei. Ohne Verdrängung und ohne Schlussstrichmentalität, ohne Schuld-, aber mit Verantwortungsgefühl sei Deutschland aus dem Schatten der Vergangenheit herausgetreten. In der Tat hätte man jedes Kanzlerwort im Hamburger Bahnhof sinngemäß unterschreiben können. Aber die perfekte Glätte seiner Wortwahl, die betulichen Umschreibungen der Sammlermacht, die peinliche Vermeidung des Themas Geld selbst dort, wo es um das Erbe Flicks ging, das konnte ein überreiztes Hirn in Misstrauen, Schwermut oder Erregung versetzen."
Wer immer noch nicht oder jetzt schon gar nicht Kunst des 20. Jahrhunderts sehen will, kann es jetzt im Kino auch mit der des 17. Jahrhunderts versuchen: Peter Webbers Film "Das Mädchen mit dem Perlenohrring" über den Maler Jan Vermeer findet ebenso auffallend positive Rezensenten wie Michael Manns Thriller "Collateral". Dort werde- so die taz (23.9.) - "eine Großstadtnacht im 21.Jahrhundert gezeigt, wie man sie im Kino noch nicht gesehen hat."
Vom 14. bis 17. September fand in Kiel der 45. deutsche Historikertag statt. Mit positivem Ergebnis, wie etwa Arne Karsten in der Frankfurter Rundschau (20.09.) meinte:
"Wichtiger aber waren für den Gesamteindruck die positiven Ansätze, Forschungsergebnisse von gesellschaftlicher Relevanz zu präsentieren, und zwar in einer Form, die über den Kreis der Fachkollegen hinaus wahrgenommen werden kann. Es gab in Kiel Neuerungen, die Zukunft haben, etwa die Wahl von "Partnerländern", diesmal waren es Polen und die drei baltischen Republiken, mit der ein Zeichen zur verstärkten internationalen Zusammenarbeit gesetzt werden soll. Noch viel versprechender erscheint die längst überfällige Öffnung den Schulen gegenüber."
Gibt es eine neue Chance für den ehemaligen Palast der Republik in Berlin? Bis zum 12. November war der Initiative "Volkspalast" eine kulturelle Zwischennutzung zugestanden worden. Diese Zwischennutzung wird jetzt, so Flierl, bis zum Sommer 2005 verlängert. Eckhard Fuhr in der "WELT" (24.9.) hört schon das Gras wachsen:
"So redet man nicht über eine Ruine, die man los werden will. So redet man, wenn man eine politische Entscheidung durch semantische Aufweichung revidieren will. Im nächsten Sommer wird es darum gehen, ob ein unter dem Zuspruch des Kultursenators am Leben gehaltener Ort öffentlicher Auseinandersetzung durch brutale Abrissbirnen gemordet werden darf, ob die in den Ruinen des sozialistischen Prestigebaus blühende Kunst und Kultur niedergewalzt werden darf von der politischen Selbstgerechtigkeit Kalter Krieger und dem nostalgischen Ästhetizismus adeliger Schlossfreunde. Das ist das politische Entscheidungs-Szenario, an dem Flierl werkelt. Und er ist dabei nicht ungeschickt."
Nicht vergessen wurden letzte Woche auch zwei große Geburtstage: der 70. Geburtstag von Sophia Loren und der 70. Geburtstag von Leonhard Cohen. Der Schriftsteller Georg Klein gratulierte und dankte Cohen in der SZ (21.09.04):
"Weltweit finden Leonard-Cohen-Birthday Parties statt. In Toronto, in Kopenhagen, in Barcelona und in Toowooomba/Australien werden mehr oder minder hübsche Jünglinge die Akkordfolgen seiner Lieder zerklampfen und hemmungslos losschmachten, um heutigen Maiden mit geliehenen Fingern möglichst tief ins Gemüt zu grabschen. Wer aber ein Organ für den Vers hat, wer ein Herz besitzt, das Lyrik zu rühren vermag, oder wer wie ich als Satzschmiedgeselle von diesem Meister lernen durfte - der wird heute in stiller Lesekammer ein Knie beugen, um Leonard Cohen als poetischen Zeitgenossen zu ehren."