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Die Flutung beginnt

Auwälder sind schlicht und einfach Wasserwälder, Bäume, die mal mehr, mal weniger im Wasser stehen. Natürliche, großflächige Auwälder sind selten geworden in Deutschland, was gerade mit Blick auf den Hochwasserschutz bedauerlich ist. Denn gerade in den Auwäldern können sich Wassermassen ungehindert auf riesigen Flächen ausbreiten, wodurch der weitere Wasserabfluss in das enge Flussbett sich deutlich verzögert. Der Hochwasserschutz ist auch einer der Gründe, warum in Bayern jetzt eines der größten Auwaldprojekte Europas verwirklicht werden soll - und zwar an der Donau zwischen Neuburg und Ingolstadt.

Von Susanne Lettenbauer |
    Mit viel Elan, aber nicht unbedingt viel Geschick trieb Umweltminister Werner Schnappauf bei ein Grad über Null den Bohrer in den Auwaldgrund. Später soll daraus die erste von acht Messstationen des Grundwasserpegels rund um die Donau zwischen Ingolstadt und Neuburg an der Donau entstehen. Beginnende Hochwasser können damit künftig schnellstmöglich erkannt werden, ist sich der Chef vom zuständigen Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt Karl Deindl sicher. Er und das Umweltministerium stützen sich dabei auf Untersuchungen des renommierten Aueninstitutes des WWF. Bis zur endgültigen regelmäßigen Flutung der Auwälder 2 bis 3mal im Jahr statt derzeit alle 5 bis 10 Jahre müssen sich alle aber noch ein wenig gedulden, denn:

    " Dort muss zum einen ein Ausleitungsbauwerk für den Fischpass errichtet werden. Da können bis zu 5 qm ausgeleitet werden. Und als zweites wird im Stauhaltungsdamm der Staustufe Bergheim ein Ausleitungsbauwerk für die ökologische Flutung des Auwaldes errichtet. "

    Mit der ministeriellen Probebohrung hat eines der größten Auwaldprojekte Europas begonnen: Auf gut 2000 Hektar sollen, geht alles wie geplant, auf der 70 Kilometer Strecke zwischen Ingolstadt und Neuburg die Fische wieder flussaufwärts wandern, sich seltene Orchideen und Frösche, gut 500 Rote Liste-Arten ansiedeln und die Donau ihr Wasser im vorgesehenen Rahmen fließen lassen können wie sie will. Eine erhebliche Verbesserung der Donau in ihrer Funktion als europäische Biotopverbundachse. Seit Regulierung der Donau 1830 und dem Bau der beiden umstrittenen Staustufen 1971 gleich nebenan ein Wunschdenken von Umweltschützern.

    Künftig hat das Wasser die Möglichkeit ab einem gewissen Pegelstand über Normal gezielt die angrenzenden Auwälder zu überfluten und nicht wie bislang geschehen die Altstadt von Neuburg und Ingolstadt sowie deren Stadtwiesen. Durch das Auwaldprojekt werden ehemalige kleine Flussarme reaktiviert. Initialbaggerungen sollen dem Wasser die Richtung vorgeben. Ein 8 km langer naturnaher Gewässerlauf wird von der Staustufe Bergheim bei Neuburg durch den Auenbereich südlich der Donau bis zur Staustufe Ingolstadt angelegt. In den so genannten Rinnen kann das Wasser dann die jahrelang trocken gelegenen Auwälder regelmäßig durchfließen. Bis zu einer Breite von einem Kilometer kann sich die Donau bei Bedarf ausdehnen. Bereits das Kappen von nur 30 cm des Hochwasserpegels durch Umleiten von bis zu 30 000 Litern pro Sekunde, so die Rechnung vom Umweltministerium, könnte Millionenschäden verhindern. Wie eben jene, die das diesjährige Pfingsthochwasser in großen Teilen Oberbayerns angerichtet hat. Waren die Pläne für die Auwaldrenaturierung nach jahrelangen Diskussionen und Vorbehalten im Frühjahr 2005 noch kurz vor dem Erliegen - spätestens mit den Deichbrüchen bei Oberau und Eschenlohe waren diese Bedenken buchstäblich weggespült worden. Plötzlich standen die 11,5 Millionen Euro, die das Auwaldprojekt kosten wird, bereit. Plus Gelder für eine extra Stiftungsprofessur an der der Universität Eichstätt zum Thema Auwälder. Die Besitzer der betroffenen Ländereien an der Donau, darunter der Wittelsbacher Ausgleichsfond unter Generaldirektor Peter Scherkamp, gaben schließlich nach entsprechender Ausgleichszahlung auch ihre Einwilligung.

    " Es ist halt so, wenn man, wie die Wittelsbacher jahrhundertelang diesen Wald gehegt und gepflegt hat, dann hat man im ersten Moment, ich sage bewusst im ersten Moment, schon das Gefühl, dass man ein Stück weit teilenteignet wird. Das hat sich gottseidank nicht so herausgestellt, sondern es ist sehr konstruktiv verhandelt worden. Und für das was wir nicht an Nutzungen durchführen können ist auch wirklich eine Nutzungsentschädigung vereinbart worden. "

    Und wenn das königliche Haus mit Herzog Franz von Bayern der Auwälderflutung nichts entgegenzusetzen hat, dann wehrt sich in Oberbayern auch kein anderer Waldbesitzer mehr, weiß Landrat Richard Kessler von Neuburg-Schrobenhausen:

    " Nachdem das königliche Haus dem Projekt grundsätzlich zugestimmt hat, hat es solch gute Beispielwirkung gehabt für die Waldgenossen, dass wir im wesentlichen die Zustimmung aller Waldbesitzer aus dieser Region hatten. Das ist also gut gelaufen. Bei diesen Rechtlern in Bergheim, die wollten natürlich bei der Gelegenheit viel herausholen an Entschädigungssummen. Es ist aber jeder gleich behandelt worden. "

    Doch wer gedacht hatte, mit der Renaturierung der Auenwälder hätte sich auch die geplante dritte Staustufe an der Donau bei Straubing erledigt, hat sich geirrt. Umweltminister Schnappauf setzt weiterhin auf Wasserkraft - auch wenn hinterher den Fische und dem Hochwasser kostenintensive Ausweichflächen zugewiesen werden müssen :

    " Mit der Staustufe wird eine erneuerbare Energie genutzt, die Wasserkraft und mit diesem Projekt wird die Staustufe umgangen. Die Fische können auf einer Strecke von ca. 70 Kilometern wieder frei die Donau erwandern, so dass wir damit Ökologie und Ökonomie wieder besser in ein Gleichgewicht bringen. "