Die Sandachse Radtour beginnt für mich in der Bierstadt Bamberg. Sandstein beherrscht das Stadtbild, der mächtige Dom ist daraus gebaut, genauso wie etliche der alten Häuser. Die "Obere" und die "Untere Sandstraße" gibt es genauso wie das "Sandbad", in Ufernähe zur Regnitz. Auch wenn hier noch nicht viel an Sandlandschaft zu sehen ist. Oder besser – nicht mehr, denn das sandige Ufer, gegenüber vom sogenannten "Klein-Venedig", einer Ansammlung romantischer Fischerhäuschen, ist längst von Unkraut überwuchert. In alten Zeiten war das anders, so die Ethnologin Elisabeth Skantze:
"Natürlich wurde dieses Sandgebiet auch anders genutzt, denn wir haben vom Main früher die Flößer gehabt, die gerade im 19. Jahrhundert das Holz, was im Frankenwald geschlagen worden ist, über die Regnitz, Main, bis nach Rotterdam gebracht haben und genau hier in diesem Gebiet hatte man freie Flächen, damit diese Flößer im Notfall im Winter ihre Flöße ans Wasser bringen konnten, warten konnten, bis das Wetter besser wurde und dann weitergeflößt sind."
Die ersten Kilometer in Richtung Forchheim führen zunächst entlang der Regnitz, die schlammtrüb dahinfließt. Sommerliche Hitze liegt über den Feldern zwischen Main-Donau-Kanal und Regnitz, nur wenige Radler sind unterwegs in den Buger Wiesen, südlich von Bamberg. Die gezielte Suche nach malerischen Sandbänken erweist sich allerdings als Flop: Die genannten Sandbänke in Erlach, am Flüsschen Reiche Ebrach sind teils bebaut und teils derart zugewachsen, dass man von der Sandlandschaft gar nichts mehr sieht. Statt Sandbank gibt es dann, ein wenig abseits von der Sandachse, in Schlüsselau, Sandkuchen. Denn die Pfarrgemeinde im alten Zisterzienserkloster hat zum jährlichen Gartenfest gerufen. Tradition hat Konjunktur, auch auf der Kuchenplatte. Die originalen fränkischen Krapfen von Zilly Dachwald, fein mit Puderzucker bestreut, sind begehrt:
"Den muss man erst einrühren, ist a Hefeteig und dann muss man gehe lassen und dann werden sie rausgemacht, werden so Kugeln gerollt und die müssen wieder gehen und dann werden sie ausgezogen, über so ´n Kopf, Krapfenkopf, und dann werden sie in Schmalz gebacken, Butterschmalz. Und dann werden sie abgelegt und das ist der Krapfen."
In Forchheim drängt sich Fachwerk auf dem Rathausplatz und in der Altstadt. Auffällig in einer der Seitenstraßen ist ein großes, blau gestrichenes Garagentor. Dahinter verbirgt sich die Galerie der Restauratorin Jutta Minor, Spezialistin für alte Kirchengemälde und Holzskulpturen. Galerie und Werkstatt sind denkmalgeschützt und - natürlich aus Sandstein. Handwerklich geschickt, hat die Mittvierzigerin viel Arbeit in das alte Haus gesteckt und sich – zwangsläufig – über das prägende Gestein informiert:
"Jeder Ort hat eine Sandsteingrube, Forchheim einen Steinbruch und aus dem Steinbruch hat man sich dann bedient, um Häuser zu bauen oder die Stadtmauer. Nur dieser Sandstein hat nicht die Härte wie in anderen Regionen Deutschlands, sondern ist relativ weich. Das ist ein sogenannter Schilfsandsstein, der meistens auch etwas grünlicher ist und weniger Eisenoxidpigmente besitzt, die ihn härter machen."
Wer ein solches Haus bewohnt, muss den weichen Stein zusätzlich härten, damit er nicht bröckelt und alles zusammenbricht. Jutta Minor wendet sich wieder Mikroskop, Skalpell und Lösemitteln zu und ich mich der Sandachse Richtung Erlangen. Doch um Sandlebensräume zu entdecken, brauche ich eindeutig Nachhilfe, die erst in Erlangen auf mich wartet. Die Sonne brennt, zum Radeln ist es fast zu heiß. In einem kleinen Dörfchen kurz vor der Universitätsstadt gibt es Abkühlung in einem kleinen See.
Eine willkommene Abkühlung, bevor es mit Wiebkea Bromisch vom Landschaftspflegeverband Mittelfranken zum Naturschutzgebiet Exerzierplatz am Rande von Erlangen geht. Der Landschaftspflegeverband ist eine der Institutionen, die sich für die Sandachse eingesetzt haben. Regelmäßig gibt es Führungen, die über das Leben im Sand informieren. Denn nur dann sieht man mehr als eine grüne Wiese oder ein paar bunte Blümchen auf Sand. Sandmagerrasen wie hier gibt es nur noch sehr wenige. Meistens wird aus solchen Landschaften Bauland. Auch am Exerzierplatz drängen sich Neubauten. Doch das Naturschutzgebiet ist tabu. Hier regiert das unscheinbare Silbergras. Bromisch:
"Das Silbergras, das wächst in so Horsten, das ist ein Gras, das nicht so breite, dünne Blätter hat, sondern die Blätter sind zusammengerollt beim Silbergras, es ist wirklich sehr igelig und das Besondere dabei ist auch die Rotfärbung. Wenn es im Sommer recht heiß wird, dann bildet diese Pflanze einen Farbstoff aus, was eine Rotfärbung verursacht und dadurch wird die Pflanze vor Sonneneinstrahlung geschützt, das ist so eine Art Lichtschutzfaktor für die Pflanze."
Die kleinen Pflanzen und Blumen sind perfekt an die trocken-heißen Sandflächen angepasst – wahre Überlebenskünstler, die so gut wie alle zu den bedrohten Arten gehören und auf der roten Liste stehen. So wie die Sandgrasnelke mit ihren süß duftenden, zartlila Blüten.
"Man könnte erst mal meinen, dass die Blüte eine große Blüte ist. Aber das Besondere bei der Sandgrasnelke ist, dass die ganz viele kleine Blüten hat, die sich zu einer großen Blüte dann zusammensetzen . Das ist eine Art Reserve, die die Pflanze jetzt hat, dass wenn schlechte Zeiten da sind, dass sie Blüten in Reserve hat."
Betreten der Magerwiesen ist – ausgenommen in Brutzeiten - ausdrücklich erlaubt. Denn Schritte von Mensch und Tier oder das Buddeln eines Hundes lockern den sandigen Boden und schaffen Platz für die empfindlichen Pflanzen und Tiere. Besonders erwünscht ist das im "Tennenloher Forst", der nächsten Station auf der Sandachsentour. Dieses Naturschutzgebiet war ein Truppenübungsplatz der Amerikaner, die hier mit Panzern und Schießübungen den Boden aufwühlten und so – unfreiwillig – Lebensraum zum Beispiel für die Gelbbauchunke schafften. Wiebkea Bromisch:
"Seit über zehn Jahren ist der Truppenübungsbetrieb eingestellt, es ist recht schnell Naturschutzgebiet geworden, und wir haben jetzt das Problem, dass die Flächen nach und nach verbuschen, zuwachsen, mit Gehölzen. Und wir haben jetzt hier auf 50 Hektar ein Beweidungsprojekt ins Lebens gerufen, seit 2003 stehen hier Przewalski-Pferde aus dem Tiergarten Nürnberg und dem Tierpark Hellabrunn, die eigentlich die Aufgabe der Panzer übernehmen. Das, was vorher die Panzer gemacht haben, immer offenen Sandboden schaffen, das sollen jetzt die Pferde für uns machen."
Die zotteligen Urpferde der mongolischen Steppen sind ideale "Rasenmäher". Sie vertragen Hitze und Kälte und kommen gut mit der wenigen Nahrung aus, die so eine "Sandsteppe" bietet. Mit ihren Hufen zerwühlen sie den Boden - unerwünschte Büsche und Bäume gehen zurück, der Sand bleibt.
"Sandboden lebt davon, dass er auch immer wieder gestört wird, dass immer wieder die Grasnarbe aufgerissen wird und dass auch im kleineren Bereich, wie beispielsweise durch Huftritt, das sind ja nur ein paar Quadratzentimeter, aber das ist auch, wovon diese Dynamik Sandgebiete lebt und sich weiter entwickeln kann. Beispielsweise Grabwespen können da ihre Brutröhren bauen im lockeren Sandboden oder auch Heuschrecken, wie beispielsweise die blauflügelige Ödlandschrecke, die kann wieder gut ihren Lebensraum finden."
Die blauflügelige Ödlandschrecke, das Symbol des Sandachseradwegs, ist das Stichwort. Abschied von Wiebkea Bromisch und weiterradeln auf der Sandachse, Richtung Nürnberg, mit seiner imposanten, mittelalterlichen Kaiserburg – natürlich auch aus Sandstein gebaut. Am nächsten Morgen geht die Tour mit Wolfgang Dötsch vom bayerischen Bund Naturschutz weiter. Der leidenschaftliche Radler und Naturschützer kennt beinahe jeden Grashalm am Wegesrand. Erster Stopp auf einer Wiese mitten im Wald, nahe der Pegnitz. Wieder ein Sandmagerrasen. Wolfgang Dötsch lenkt den Blick auf die leuchtend pinkfarbenen Karthäuser- und die kleinere Heidenelken:
"Die hat eine ganz lustige Zeichnung auf der Blüte, es sieht nämlich so aus, als hätte jemand mit einem Pinsel so weiße Farbkleckse darauf gespritzt und außerdem ist auf jedem Blütenblatt noch so ein kleiner Querstrich drauf. Der ist so dunkelrot und jeder Querstrich gibt in der Blüte zusammen praktisch so einen runden Kreis, wenn man sich das zusammen vorstellt, das ist praktisch für die Bienen wie ein Art Zielscheibe, damit sie das Zentrum von der Blüte besser finden."
Nur wenige Schritte weiter spielt sich ein Drama im Magerrasen ab:
"Hier hat eine schlanke Feldwespe gerade einen Grashüpfer gefangen und diesen Grashüpfer, den zerlegt sie gleich vor Ort, weil sie trägt nicht den ganzen Grashüpfer zu ihrer Brut ins Nest, sondern sie nimmt nur das Muskelfleisch aus dem Brustkörper des Insekts mit und formt kleine Bällchen draus und das nimmt sie dann mundgerecht mit für ihre Nachkommen."
Wolfgang Dötsch könnte allein auf dieser Wiese Stunden verbringen, doch unser Tagesziel sind die Dünen von Weißenbrunn. Zwischendrin ein Stopp an einer Sandgrube. Auffällig sind hier viele gelbe, fast kissenartig wachsende Pflanzen mit kleinen, sternförmigen Blüten. Der Mauerpfeffer, der ähnlich wie Kakteen Wasser in seinen kurzen, dicken Stengeln speichert und scharf ist, wenn man ihn kaut, und zudem giftig. Daneben seltsam dicht gewebte Spinnennetze, die beinahe aussehen wie Engelshaar, mit einem nach innen gewobenen Trichter. Darin sitzt die Trichterspinne, die blitzschnell aus ihrem Versteck hervorschießt, sobald sich ein Insekt auf ihrem klebrigen Netz verfangen hat. Der Weg durch den Reichsforst ist anstrengend. Die Räder graben sich in den kiesig-sandigen Weg und es gibt kaum Kühlung im Nadelwald. Dafür dichtes grünes Moos und unzählige Blaubeeren! Endlich angekommen, fällt der Blick auf weite, teils fichtenbewachsene, teils sandige, bis zu 20 Meter hohe Dünen. Das ist hier zwar nicht die Sahara, aber immerhin die größte Düne Mittelfrankens. Für Wolfgang Dötsch wüstenartig genug:
"Diese Dünen sind in der Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren entstanden, als die Landschaft hier baumfrei war und der Westwind hat den Sand aus dem fränkischen Becken hier zu großen Dünnen zusammengeblasen, wie in der Sahara. Hätten wir hier keine Bäume, da wären wirklich so sichelartige Dünen, wie in der Wüste selbst."
Trotz des offensichtlichen Grüns sind diese Dünen ein extremer Lebensraum. Trocken, nährstoffarm mit vielen spezialisierte Insekten, wie dem äußerst schnellen Sandlaufkäfer, dem Bienenwolf oder dem Ameisenlöwen. Wer Leben in dieser heißen Trockenheit entdecken will, muss die Augen auf kleinste Details richten. Direkt neben einer hölzernen Bank sind kleine Trichter im Sandboden. Die Höhle des Löwen sozusagen. Des Ameisenlöwen. Mit einer Becherlupe gräbt Wolfgang Dötsch vorsichtig in den Trichter:
"Der gräbt sich jetzt natürlich sofort wieder ein, ich versuch einmal hier rauszutun. Jetzt sehen Sie ihn gut mit der gezähnten Zange in der Becherlupe – Aah! -Da sieht man auch schön in der Lupe die großen Zangen vorne vom Ameisenlöwen, mit denen packt er dann die Ameisen, wenn sie in seinen Trichter gefallen sind und saugt sie nachher aus. - Der ist sehr unscheinbar. – Ja, so ein richtiges hässliches Entchen mit den Warzen und den Borsten, man sollte gar nicht glauben, dass irgendwann mal die schöne Ameisenjungfer draus wird."
Die Ameisenjungfer ist ein libellenähnliches, zartflügeliges Insekt, nicht zu vergleichen mit dem hässlichen, winzigen Larvenraubtier in seiner Trichterhöhle.
Und wieder heißt es Abschied nehmen und weiterradeln. Die Nachhilfe von Wolfgang Dötsch hat meinen Blick auf die winzigen Lebewesen und scheinbar unauffälligen Pflanzen am Wegesrand geschärft. Plötzlich ist es einfach, in einer Magerwiese seltene Nelken zu entdecken oder die winzigen Sandhöhlen wilder Bienen. Ab Schwabach ändert sich die Landschaft, wird hügeliger. Die Sandlebensräume werden wieder weniger und gehen in die Fränkische Seenlandschaft über. Über das barocke Ellingen endet die Tour in Weißenburg. Besonders bekannt ist der Sandachseradweg in der Region jedoch noch nicht. Nur Johann Rudingsdörfer, der nebst Gattin auf einer Bank ausruht, hat schon mal davon gehört:
"Der soll angehen, glaub ich, da drunten, rechts is a See und da geht’s links durch Wald durch, die Hochspannungsleitung entlang a Stück, und dann gehts nei Richtung Roth zu und I weiß Bamberg,, Fränkische Schweiz, die Richtung soll er gehen. Den hat mer erst eröffnet. Soll sehr schön sein."
"Natürlich wurde dieses Sandgebiet auch anders genutzt, denn wir haben vom Main früher die Flößer gehabt, die gerade im 19. Jahrhundert das Holz, was im Frankenwald geschlagen worden ist, über die Regnitz, Main, bis nach Rotterdam gebracht haben und genau hier in diesem Gebiet hatte man freie Flächen, damit diese Flößer im Notfall im Winter ihre Flöße ans Wasser bringen konnten, warten konnten, bis das Wetter besser wurde und dann weitergeflößt sind."
Die ersten Kilometer in Richtung Forchheim führen zunächst entlang der Regnitz, die schlammtrüb dahinfließt. Sommerliche Hitze liegt über den Feldern zwischen Main-Donau-Kanal und Regnitz, nur wenige Radler sind unterwegs in den Buger Wiesen, südlich von Bamberg. Die gezielte Suche nach malerischen Sandbänken erweist sich allerdings als Flop: Die genannten Sandbänke in Erlach, am Flüsschen Reiche Ebrach sind teils bebaut und teils derart zugewachsen, dass man von der Sandlandschaft gar nichts mehr sieht. Statt Sandbank gibt es dann, ein wenig abseits von der Sandachse, in Schlüsselau, Sandkuchen. Denn die Pfarrgemeinde im alten Zisterzienserkloster hat zum jährlichen Gartenfest gerufen. Tradition hat Konjunktur, auch auf der Kuchenplatte. Die originalen fränkischen Krapfen von Zilly Dachwald, fein mit Puderzucker bestreut, sind begehrt:
"Den muss man erst einrühren, ist a Hefeteig und dann muss man gehe lassen und dann werden sie rausgemacht, werden so Kugeln gerollt und die müssen wieder gehen und dann werden sie ausgezogen, über so ´n Kopf, Krapfenkopf, und dann werden sie in Schmalz gebacken, Butterschmalz. Und dann werden sie abgelegt und das ist der Krapfen."
In Forchheim drängt sich Fachwerk auf dem Rathausplatz und in der Altstadt. Auffällig in einer der Seitenstraßen ist ein großes, blau gestrichenes Garagentor. Dahinter verbirgt sich die Galerie der Restauratorin Jutta Minor, Spezialistin für alte Kirchengemälde und Holzskulpturen. Galerie und Werkstatt sind denkmalgeschützt und - natürlich aus Sandstein. Handwerklich geschickt, hat die Mittvierzigerin viel Arbeit in das alte Haus gesteckt und sich – zwangsläufig – über das prägende Gestein informiert:
"Jeder Ort hat eine Sandsteingrube, Forchheim einen Steinbruch und aus dem Steinbruch hat man sich dann bedient, um Häuser zu bauen oder die Stadtmauer. Nur dieser Sandstein hat nicht die Härte wie in anderen Regionen Deutschlands, sondern ist relativ weich. Das ist ein sogenannter Schilfsandsstein, der meistens auch etwas grünlicher ist und weniger Eisenoxidpigmente besitzt, die ihn härter machen."
Wer ein solches Haus bewohnt, muss den weichen Stein zusätzlich härten, damit er nicht bröckelt und alles zusammenbricht. Jutta Minor wendet sich wieder Mikroskop, Skalpell und Lösemitteln zu und ich mich der Sandachse Richtung Erlangen. Doch um Sandlebensräume zu entdecken, brauche ich eindeutig Nachhilfe, die erst in Erlangen auf mich wartet. Die Sonne brennt, zum Radeln ist es fast zu heiß. In einem kleinen Dörfchen kurz vor der Universitätsstadt gibt es Abkühlung in einem kleinen See.
Eine willkommene Abkühlung, bevor es mit Wiebkea Bromisch vom Landschaftspflegeverband Mittelfranken zum Naturschutzgebiet Exerzierplatz am Rande von Erlangen geht. Der Landschaftspflegeverband ist eine der Institutionen, die sich für die Sandachse eingesetzt haben. Regelmäßig gibt es Führungen, die über das Leben im Sand informieren. Denn nur dann sieht man mehr als eine grüne Wiese oder ein paar bunte Blümchen auf Sand. Sandmagerrasen wie hier gibt es nur noch sehr wenige. Meistens wird aus solchen Landschaften Bauland. Auch am Exerzierplatz drängen sich Neubauten. Doch das Naturschutzgebiet ist tabu. Hier regiert das unscheinbare Silbergras. Bromisch:
"Das Silbergras, das wächst in so Horsten, das ist ein Gras, das nicht so breite, dünne Blätter hat, sondern die Blätter sind zusammengerollt beim Silbergras, es ist wirklich sehr igelig und das Besondere dabei ist auch die Rotfärbung. Wenn es im Sommer recht heiß wird, dann bildet diese Pflanze einen Farbstoff aus, was eine Rotfärbung verursacht und dadurch wird die Pflanze vor Sonneneinstrahlung geschützt, das ist so eine Art Lichtschutzfaktor für die Pflanze."
Die kleinen Pflanzen und Blumen sind perfekt an die trocken-heißen Sandflächen angepasst – wahre Überlebenskünstler, die so gut wie alle zu den bedrohten Arten gehören und auf der roten Liste stehen. So wie die Sandgrasnelke mit ihren süß duftenden, zartlila Blüten.
"Man könnte erst mal meinen, dass die Blüte eine große Blüte ist. Aber das Besondere bei der Sandgrasnelke ist, dass die ganz viele kleine Blüten hat, die sich zu einer großen Blüte dann zusammensetzen . Das ist eine Art Reserve, die die Pflanze jetzt hat, dass wenn schlechte Zeiten da sind, dass sie Blüten in Reserve hat."
Betreten der Magerwiesen ist – ausgenommen in Brutzeiten - ausdrücklich erlaubt. Denn Schritte von Mensch und Tier oder das Buddeln eines Hundes lockern den sandigen Boden und schaffen Platz für die empfindlichen Pflanzen und Tiere. Besonders erwünscht ist das im "Tennenloher Forst", der nächsten Station auf der Sandachsentour. Dieses Naturschutzgebiet war ein Truppenübungsplatz der Amerikaner, die hier mit Panzern und Schießübungen den Boden aufwühlten und so – unfreiwillig – Lebensraum zum Beispiel für die Gelbbauchunke schafften. Wiebkea Bromisch:
"Seit über zehn Jahren ist der Truppenübungsbetrieb eingestellt, es ist recht schnell Naturschutzgebiet geworden, und wir haben jetzt das Problem, dass die Flächen nach und nach verbuschen, zuwachsen, mit Gehölzen. Und wir haben jetzt hier auf 50 Hektar ein Beweidungsprojekt ins Lebens gerufen, seit 2003 stehen hier Przewalski-Pferde aus dem Tiergarten Nürnberg und dem Tierpark Hellabrunn, die eigentlich die Aufgabe der Panzer übernehmen. Das, was vorher die Panzer gemacht haben, immer offenen Sandboden schaffen, das sollen jetzt die Pferde für uns machen."
Die zotteligen Urpferde der mongolischen Steppen sind ideale "Rasenmäher". Sie vertragen Hitze und Kälte und kommen gut mit der wenigen Nahrung aus, die so eine "Sandsteppe" bietet. Mit ihren Hufen zerwühlen sie den Boden - unerwünschte Büsche und Bäume gehen zurück, der Sand bleibt.
"Sandboden lebt davon, dass er auch immer wieder gestört wird, dass immer wieder die Grasnarbe aufgerissen wird und dass auch im kleineren Bereich, wie beispielsweise durch Huftritt, das sind ja nur ein paar Quadratzentimeter, aber das ist auch, wovon diese Dynamik Sandgebiete lebt und sich weiter entwickeln kann. Beispielsweise Grabwespen können da ihre Brutröhren bauen im lockeren Sandboden oder auch Heuschrecken, wie beispielsweise die blauflügelige Ödlandschrecke, die kann wieder gut ihren Lebensraum finden."
Die blauflügelige Ödlandschrecke, das Symbol des Sandachseradwegs, ist das Stichwort. Abschied von Wiebkea Bromisch und weiterradeln auf der Sandachse, Richtung Nürnberg, mit seiner imposanten, mittelalterlichen Kaiserburg – natürlich auch aus Sandstein gebaut. Am nächsten Morgen geht die Tour mit Wolfgang Dötsch vom bayerischen Bund Naturschutz weiter. Der leidenschaftliche Radler und Naturschützer kennt beinahe jeden Grashalm am Wegesrand. Erster Stopp auf einer Wiese mitten im Wald, nahe der Pegnitz. Wieder ein Sandmagerrasen. Wolfgang Dötsch lenkt den Blick auf die leuchtend pinkfarbenen Karthäuser- und die kleinere Heidenelken:
"Die hat eine ganz lustige Zeichnung auf der Blüte, es sieht nämlich so aus, als hätte jemand mit einem Pinsel so weiße Farbkleckse darauf gespritzt und außerdem ist auf jedem Blütenblatt noch so ein kleiner Querstrich drauf. Der ist so dunkelrot und jeder Querstrich gibt in der Blüte zusammen praktisch so einen runden Kreis, wenn man sich das zusammen vorstellt, das ist praktisch für die Bienen wie ein Art Zielscheibe, damit sie das Zentrum von der Blüte besser finden."
Nur wenige Schritte weiter spielt sich ein Drama im Magerrasen ab:
"Hier hat eine schlanke Feldwespe gerade einen Grashüpfer gefangen und diesen Grashüpfer, den zerlegt sie gleich vor Ort, weil sie trägt nicht den ganzen Grashüpfer zu ihrer Brut ins Nest, sondern sie nimmt nur das Muskelfleisch aus dem Brustkörper des Insekts mit und formt kleine Bällchen draus und das nimmt sie dann mundgerecht mit für ihre Nachkommen."
Wolfgang Dötsch könnte allein auf dieser Wiese Stunden verbringen, doch unser Tagesziel sind die Dünen von Weißenbrunn. Zwischendrin ein Stopp an einer Sandgrube. Auffällig sind hier viele gelbe, fast kissenartig wachsende Pflanzen mit kleinen, sternförmigen Blüten. Der Mauerpfeffer, der ähnlich wie Kakteen Wasser in seinen kurzen, dicken Stengeln speichert und scharf ist, wenn man ihn kaut, und zudem giftig. Daneben seltsam dicht gewebte Spinnennetze, die beinahe aussehen wie Engelshaar, mit einem nach innen gewobenen Trichter. Darin sitzt die Trichterspinne, die blitzschnell aus ihrem Versteck hervorschießt, sobald sich ein Insekt auf ihrem klebrigen Netz verfangen hat. Der Weg durch den Reichsforst ist anstrengend. Die Räder graben sich in den kiesig-sandigen Weg und es gibt kaum Kühlung im Nadelwald. Dafür dichtes grünes Moos und unzählige Blaubeeren! Endlich angekommen, fällt der Blick auf weite, teils fichtenbewachsene, teils sandige, bis zu 20 Meter hohe Dünen. Das ist hier zwar nicht die Sahara, aber immerhin die größte Düne Mittelfrankens. Für Wolfgang Dötsch wüstenartig genug:
"Diese Dünen sind in der Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren entstanden, als die Landschaft hier baumfrei war und der Westwind hat den Sand aus dem fränkischen Becken hier zu großen Dünnen zusammengeblasen, wie in der Sahara. Hätten wir hier keine Bäume, da wären wirklich so sichelartige Dünen, wie in der Wüste selbst."
Trotz des offensichtlichen Grüns sind diese Dünen ein extremer Lebensraum. Trocken, nährstoffarm mit vielen spezialisierte Insekten, wie dem äußerst schnellen Sandlaufkäfer, dem Bienenwolf oder dem Ameisenlöwen. Wer Leben in dieser heißen Trockenheit entdecken will, muss die Augen auf kleinste Details richten. Direkt neben einer hölzernen Bank sind kleine Trichter im Sandboden. Die Höhle des Löwen sozusagen. Des Ameisenlöwen. Mit einer Becherlupe gräbt Wolfgang Dötsch vorsichtig in den Trichter:
"Der gräbt sich jetzt natürlich sofort wieder ein, ich versuch einmal hier rauszutun. Jetzt sehen Sie ihn gut mit der gezähnten Zange in der Becherlupe – Aah! -Da sieht man auch schön in der Lupe die großen Zangen vorne vom Ameisenlöwen, mit denen packt er dann die Ameisen, wenn sie in seinen Trichter gefallen sind und saugt sie nachher aus. - Der ist sehr unscheinbar. – Ja, so ein richtiges hässliches Entchen mit den Warzen und den Borsten, man sollte gar nicht glauben, dass irgendwann mal die schöne Ameisenjungfer draus wird."
Die Ameisenjungfer ist ein libellenähnliches, zartflügeliges Insekt, nicht zu vergleichen mit dem hässlichen, winzigen Larvenraubtier in seiner Trichterhöhle.
Und wieder heißt es Abschied nehmen und weiterradeln. Die Nachhilfe von Wolfgang Dötsch hat meinen Blick auf die winzigen Lebewesen und scheinbar unauffälligen Pflanzen am Wegesrand geschärft. Plötzlich ist es einfach, in einer Magerwiese seltene Nelken zu entdecken oder die winzigen Sandhöhlen wilder Bienen. Ab Schwabach ändert sich die Landschaft, wird hügeliger. Die Sandlebensräume werden wieder weniger und gehen in die Fränkische Seenlandschaft über. Über das barocke Ellingen endet die Tour in Weißenburg. Besonders bekannt ist der Sandachseradweg in der Region jedoch noch nicht. Nur Johann Rudingsdörfer, der nebst Gattin auf einer Bank ausruht, hat schon mal davon gehört:
"Der soll angehen, glaub ich, da drunten, rechts is a See und da geht’s links durch Wald durch, die Hochspannungsleitung entlang a Stück, und dann gehts nei Richtung Roth zu und I weiß Bamberg,, Fränkische Schweiz, die Richtung soll er gehen. Den hat mer erst eröffnet. Soll sehr schön sein."