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Die Fräse als Bankschalter

Von einer Krise kann bei der Sorpetaler Fensterbau GmbH keine Rede sein. Seit 20 Jahren beteiligen sich die Mitarbeiter mit Genussscheinen an ihrem Betrieb. Dafür profitieren sie von den Gewinnen - und erhöhen zugleich die Eigenkapitalquote des Unternehmens. Die Bank gewährt der Firma daher auch in schwierigen Zeiten Kredite.

Von Dietmar Reiche |
    Mitten im Grünen - tiefstes Sauerland in Sundern. Auf der Landstraße kriecht ein Lastwagen durch das Tal, vor der Fabrikhalle der Sorpetaler Fensterbau GmbH plätschert ein Bach, im Hintergrund brummen Holzfräsen und Schleifmaschinen. Bodenständigkeit pur.

    65 Mitarbeiter arbeiten in dem Familienbetrieb, in dem heute ein besonderer Tag ist. Firmenchef Eduard Appelhans steht in der Mittagspause an der Rundumfräse.

    "Ich sehe Ihr seid alle da. Fehlt noch einer, ist noch einer am arbeiten? Alle hier? Gut. Ich finde das schön, dass wir uns auch dieses Jahr wieder…"

    Eduard Appelhans hält eine kurze Rede, bedankt sich für das besondere Vertrauen, das die Mitarbeiter ihm und der Firma entgegenbringen. Denn sie, die Mitarbeiter, stecken zumindest einen Teil ihrer Ersparnisse in ihren Betrieb. Und heute ist Zahltag. So wie jedes Jahr im Juni. Heute werden die Schecks verteilt.

    Entgegen fast allen Gepflogenheiten im Mittelstand beteiligt die Unternehmerfamilie Appelhans ihre Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs. In diesem Jahr beträgt die Rendite 5,6 Prozent auf das Kapital, das jeder Mitarbeiter individuell der Sorpetaler Fensterbau GmbH anvertraut hat. Insgesamt schüttet die Firma in diesem Jahr 120.000 Euro aus, und fast jeder Mitarbeiter schielt als erstes verstohlen in den weißen Umschlag.

    Immerhin zwei Drittel der Beschäftigten, damit aber auch nicht alle, haben stimmrechtlose Genussscheine erworben, haben damit seit 1989 maßgeblich die Eigenkapitalquote auf nun 20 Prozent nach oben geschoben und so ganz nebenbei auch die Kreditwürdigkeit der Firma gestärkt. Nur, weil die Mitarbeiter sich an der Firma beteiligen, finanziert die Bank nun eine neue 1,5 Millionen Euro teure Fräsmaschine. Am Tag nach der Ausschüttung kommen fünf LKW aus Italien, dann wird die computergesteuerte Fräse zusammengebaut.

    Investieren in der Krise, mit dem Kapital der Mitarbeiter und ohne Hilfe des Staates, das schafft nur ein bodenständiger Mittelständler im Sauerland. Eduard Appelhans, der 49-jährige Firmenchef, hat mit seinen innovativen Holzfenstern und -türen und mit der Auftragsfertigung im gehobenen Preissegment eine lukrative Marktnische gefunden. Klasse statt Masse, lautet die Strategie des Mittelständlers - und er hat Erfolg:

    "Die Kernkompetenz ist, die kleinen Stückzahlen von hochwertigen Holzfenstern termingerecht, in guter Qualität dem Handwerker zu liefern, dass er vor Ort dem Kunden etwas Gutes tun kann."

    Sieben Millionen Euro Umsatz hat der Betrieb im vergangenen Jahr erwirtschaftetet und trotz der Wirtschaftskrise stehen schwarze Zahlen in der Bilanz. Gleichwohl spüren auch die Sorpetaler Fensterbauer die Konjunkturflaute. Der Exportanteil sei von 30 auf 20 Prozent geschrumpft, sagt Ehefrau Elisabeth Appelhans. Sie kümmert sich im Familienbetrieb um die Werbung, das Personalwesen und um den Vertrieb.

    "Wir liefern nach Irland, Griechenland, Spanien, USA, Österreich, Schweiz - also schon Europa und die USA."

    Besonders stolz sind die Firmeninhaber auf ihren jüngsten Auftrag aus Nordrussland - Holzfenster für die Burganlage, den Kreml, in Nowgorod.
    Ein griechischer Geschäftspartner hat das Prestigeobjekt mit den Russen vermittelt.

    "Und die haben ihre Bekannten gefragt, wo man gute Fenster kriegen kann. Das ist nämlich Weltkulturerbe und die feiern im Herbst ihr 1150-jähriges Bestehen. Die haben dann gesagt, wenden Sie sich doch mal an den Sorpetaler Fensterbauer in Deutschland. Und so sind wir in Kontakt gekommen. Dann sind unsere Mitarbeiter nach Nowgorod gefahren. Das hat gut funktioniert und offensichtlich hat auch alles gut gestimmt. Und jetzt haben wir den Auftrag und machen schöne Eichenfenster für den Kreml in Nowgorod."

    Und weil auch deshalb die Auftragslage noch gut ist, bleibt auch keine Zeit zum Feiern. Die Gewinnausschüttung findet in die Mittagspause statt. Heinz Udo Neuhaus, ein 49-jähriger Tischler, hat 12.000 Euro gespart. Er weiß, dass er sein Geld auch verlieren kann, sollte es der Firma einmal schlecht gehen.

    "Aber toi, toi, toi. Bis jetzt ist es gut gegangen. Man kann ja auch durch seine eigene Kraft dazu beitragen, dass es lange gut geht."

    Verantwortung und Motivation, das sind Schlüssel zum Erfolg. Und mit dem jährlichen Scheck hofft Firmenchef Eduard Appelhans, beides zu verbinden.

    "Wenn wir alle ins Rad packen, werden auch im nächsten Jahr hier wieder stehen und einen weißen Umschlag in Empfang nehmen."

    http://www.sorpetaler.de/