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Die Frankfurter Rundschau vor der Übernahme

Wer übernimmt die Frankfurter Rundschau? Der Holtzbrinck-Verlag war im Gespräch oder der Münchner Verleger Dirk Ippen, dem die "Offenbach Post" gehört. Nun soll der Kölner Zeitungsverlag DuMont Schauberg kurz vor einem Einstieg bei der Frankfurter Rundschau stehen. Wie die Süddeutsche Zeitung heute berichtet, will DuMont 50 Prozent der Anteile übernehmen. Die SPD-Medienholding, die zurzeit noch 90 Prozent der Rundschau hält, soll also nur noch 40 Prozent behalten. Dem Bericht zufolge sind die entscheidenden Verhandlungen bereits geführt und die meisten Streitpunkte erledigt. Im Gespräch sei ein Kaufpreis von über 30 Millionen Euro. Der neue Chefredakteur Uwe Vorkötter hatte sich schon bei seinem bisherigen Arbeitgeber, der Berliner Zeitung, für einen Einstieg des DuMont Verlags stark gemacht. Die Berliner Zeitung wurde aber gegen seinen Widerstand an Finanzinvestoren unter Führung des Briten David Montgomery verkauft.

    Christoph Schmitz: Uwe Kamman, Leiter des Grimme-Instituts in Marl, welcher neue Miteigentümer würde am besten zur FR passen?

    Uwe Kammann: Ja, Herr Schmitz, das ist natürlich eine Spekulation, weil man die genauen Geschäftspläne nie kennt. Wenn ich das mal vom Verlagsprofil her sehen würde, würde ich von meiner Seite aus sagen eher Holtzbrinck, denn Holtzbrinck beweist beispielsweise in Berlin mit dem "Tagesspiegel", dass man eine sehr anspruchsvolle, eine liberale Zeitung macht, das ist sicherlich bei den Zeitungen aus dem Hause DuMont in dieser Form nicht zu sagen. Also das Profil, glaube ich, würde eher für Holtzbrinck sprechen.

    Schmitz: Das Profil der "Frankfurter Rundschau" ist das eines links-liberalen Blattes, vor den Entscheidungen der Übernahme, beziehungsweise der neuen Gewichtung der Anteilseigner: Was ist zu erwarten, wird das Blatt sein Gesicht verändern müssen?

    Kammann: Ja, das ist die große Frage. Die Leser werden das natürlich nicht hoffen, obwohl sie ja die Frankfurter Rundschau ein bisschen mit einem Auflagenschwund auch bestraft haben. Die Auflage ist ja stark zurückgegangen, im Augenblick sind es noch rund 161, 162.000.

    Aber die Zeitungslandschaft ist ja insgesamt in Bewegung und das zeigt, dass natürlich neue Eigentümer dann auch neue Richtungen mit sich bringen. Bei der "Berliner Zeitung", die sie ja schon genannt hatten, ist dieses sehr deutlich geworden. Montgomery, ein internationaler Investor, will vorwiegend Rendite sehen, und da müssen die Redaktionen bluten. Darum gab es ja auch den Streit mit Uwe Vorkötter, der dieses so nicht mittragen wollte. Dann hieß es einfach, man habe keine gemeinsamen inhaltlichen und geschäftlichen Strategien mehr verfolgen können. Das ist ja ein bisschen ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel, denn pikanterweise ist ja Wolfgang Storz, der vor drei Jahren schon die "Frankfurter Rundschau" schon in höchster Not als Chefredakteur übernommen hatte, jetzt überraschend gekündigt worden und Vorkötter ist eben von der "Berliner Zeitung" jetzt dorthin gewechselt.

    Das könnte man natürlich als eine Art von Vorzeichen nehmen, weil, das hatten Sie ja auch schon erwähnt, Vorkötter DuMont gelobt hatte, und gesagt, die könnten das wohl richtig übernehmen, man könnte DuMont diese Zeitung wohl anvertrauen. Also, ob da schon im Hintergrund irgendetwas mitgespielt hat, das ist schwer zu sagen.

    Bei der "Berliner Zeitung" wiederum hat es ja jetzt eine richtige Krise gegeben mit einer Notauflage, weil die Redaktion dem neuen Chefradakteur, der eingesetzt worden war von der Geschäftsführung, eigentlich nicht getraut hat und gesagt, dass ist so ein, ja, wenn ich es jetzt sehr überspitzt sage, jemand, der soll das vollstrecken, was an Renditeerwartungen da ist. Also eine sehr verfahrene Situation, die für mich vor allen Dingen eines zeigt: Im Zeitungsmarkt gibt es tatsächlich eine Krise, das ist eine Krise ökonomischer Natur, es ist eine strukturelle Krise, wegen der Anzeigenverlagerungen gerade bei den Rubriken an Zeitungen wie Immobilien, Arbeitsmarkt ins Internet. Und das zeigt sich an diesen Verwerfungen und auch an diesen Übernahmegeschichten, von denen ich wie gesagt im konkreten Fall nicht sagen kann, ob es tatsächlich schon so entschieden ist.

    Die "Süddeutsche Zeitung" beruft sich auf einen so genannten Eingeweihten und schreibt dann auch, "wenn nichts dazwischen kommt", dann geht die "Frankfurter Rundschau" an den Kölner DuMont Verlag. Mir ist das noch ein bisschen zu weich. Es könnten ja auch natürlich interessierte Kreise sein, die dieses so streuen wollen, damit eine bestimmte Richtung sich dann vollziehen kann.

    Schmitz: Wie steht es überhaupt um den Rationalisierungs- oder den Fusionierungsprozess auf dem deutsche Zeitungsmarkt?

    Kammann: Ja zum Teil sehr stark, es gibt ja ein berühmtes Beispiel auch dafür, für Rationalisierung, das ist die gemeinsame Redaktionsarbeit der "Welt" und der "Berliner Morgenpost" in Berlin. Das war ja von Springer damals als Modellprojekt geradezu gefeiert worden, zu sagen, es gibt Synergieeffekte und man kann zum Teil ähnliche Dinge von gleichen Redakteuren machen lassen. Wenn ich heute diese beiden Zeitungen nebeneinander lege, die Berliner Morgenpost und die Welt, dann sehe ich zu weiten Teilen wirklich identische Artikel, da gibt es gar keinen Unterschied mehr, insofern haben sich für mich die Profile damit verwässert und das, was so als eine Überlebenschance ausgerufen wurde, war für mich, wenn ich es so lese, eine ganz knallharte Rationalisierungsmaßnahme, die sich redaktionell nicht im positiven Sinne ausgewirkt hat.

    Man muss also heute einfach mit sehr viel weniger Redakteuren zwei Blätter bestreiten und das heißt eben viele Gleichteile, so würde man das bei Autokonzernen nennen, und das dient natürlich nicht der Vielfalt, die ja lange Zeit doch ein ganz gutes Kennzeichen des Deutschen Zeitungsmarktes war, jedenfalls wenn man die überregionalen Zeitungen betrachtet hat.

    Schmitz: Herr Kammann, vielen Dank für das Gespräch. Das war der Leiter des Adolf-Grimme-Instituts über die Veränderungen und die Zukunft der Frankfurter Rundschau.