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Die Frau des Terroristen

Magdalena Kopp lebte 13 Jahre lang mit dem selbsternannten Revolutionär Carlos, genannt "der Schakal", zusammen. Im Dokumentarfilm "In the Darkroom" erzählt sie von ihrem Leben für den Terror - und ist dem Zuschauer durch einen technischen Trick besonders nah.

Von Josef Schnelle | 26.09.2013
    "Es gab dauernd Diskussionen in den Universitäten über die alten Strukturen. Frauengruppen gab es und Kinderläden und Kommunen. Es war für mich eine ganz andere Welt. Eine Welt, in die ich eigentlich gehen wollte."
    Magdalena Kopp stammt aus einem bürgerlichen Haushalt in Bayern. Doch in Frankfurt war sie Mitbegründerin der "Revolutionäre Zellen", die Anfang der 1970er-Jahre erste Anschläge verübten. Und sie lernte den Topterroristen "Carlos" kennen, den "Schakal", der 1975 durch die Geiselnahme arabischer Ölminister beim OPEC-Gipfel in Wien zum Medienstar wurde.

    13 Jahre lebte Magdalena mit dem charismatischen selbsternannten Revolutionär und Strippenzieher europäischer Politbanden zusammen. Ein Leben in Terrorzellen, Trainingslagern in Palästina und im Jemen, in Gefängnissen und geheimen Wohnungen. Immer auf der Flucht und auf der vermeintlich richtigen Seite der Weltrevolution.

    Heute sitzt "Carlos" wegen seiner Morde und Terroraktionen, mehrfach zu Lebenslänglich verurteilt, in Frankreich im Gefängnis. Magdalena Kopp sagte sich 1994 von dem eben erst verhafteten Venezolaner Illich Ramirez Sánchez, genannt "Carlos", los.

    In einer Dunkelkammer der Fotografin Kopp waren die beiden einander näher gekommen. Und "In der Dunkelkammer" des die Wahrheit suchenden israelischen Dokumentaristen Nadav Schirman versucht sie sich ihrer Vergangenheit zu erinnern. Der geliebte Mann, die Phrasen von der Revolution, das Leben in Saus und Braus mit dem Geld aus Bankrauben und von reichen Unterstützern dubioser Herkunft schildert sie fast wie ein Abenteuerleben.

    1982 wurde sie in Paris mit Sprengstoff gefasst und kam ins Gefängnis, wo sie bis zur Verbüßung ihrer Strafe blieb, obwohl Carlos sie mit einer wütenden Anschlagserie freizupressen versuchte. Magdalena gibt sich heute als eher naive Schülerin des kleinen Einmaleins der terroristischen Revolution.
    "Carlos dachte, Frauen gehören auch zur Revolution. Frauen müssen auch zeigen, dass sie was können. Er sagte: Du fährst jetzt dort hin. Und dann bin ich gefahren."
    Das Interview mit Magdalena ist mit der Interrotron-Methode gefilmt worden. Die hat Oscarpreisträger Errol Morris erfunden. Dabei wird ein Telepromter, so wie er von den Nachrichtensprechern benutzt wird, vor die Kameralinse gesetzt. Darauf wird das Gesicht des Interviewers projiziert. Durch diesen Trick entsteht eine Distanz zum Interviewer bei direktem Augenkontakt zum Publikum, der sonst bei Dokumentarfilmen dezidiert vermieden wird. Magdalena Kopp spricht unmittelbar mit uns.

    "In the Darkroom" wurde in einem leeren Frankfurter Kino gedreht, das bald abgerissen werden sollte und aus dem alle Stühle schon entfernt worden waren. Das Kino als Beichtstuhl, als dunkler Raum der Imagination. Das funktioniert in diesem Film ganz prächtig. Die Methode hat auch einen poetischen Touch. Andererseits kann sich, das spürt man deutlich, die Hauptzeugin der Anklage ganz sicher fühlen und ihr verpfuschtes Leben so heruntererzählen, als wäre es gar nicht ihr eigenes.

    Zum Ereignis wird der Film aber erst, wenn Rosa auftaucht, die Tochter von Carlos und Magdalena, die als junge Frau heute ein Leben verkraften muss, für das sie gar nicht verantwortlich ist. Einmal im Jahr schreibt ihr Carlos aus dem Gefängnis eine Postkarte. Seit ihrem fünften Lebensjahr hat sie ihn nicht mehr gesehen. Sie musste mehrfach umziehen, fremde Sprachen lernen und trotzdem heranwachsen. Ihre Augen glitzern wie damals die ihrer Mutter. Eine ganz persönliche Lektion in Sachen Zeitgeschichte, die nicht vergangen ist, bevor nicht alle Fragen geklärt sind. Magdalena erinnert sich an die Geburt ihrer Tochter Rosa in Damaskus.

    "Das war nachmittags um zwei Uhr. Ich wusste, dass jetzt die Geburt bevorsteht. Das Fruchtwasser ging ab. Und ich hab schon gemerkt, dass die Rosa in den nächsten zehn Minuten auf die Welt kommt. Und dann hat mich Carlos ins Auto getragen. In einer ganz belebten Straße in Damaskus zwischen unserem Haus und dem Krankenhaus kam das Kind im Auto zur Welt."