In Brian Moores Roman heißt der Zauberer Henri Lambert. Seine Tricks bedienen sich des gerade entdeckten elektrischen Stroms und der Leiter des arabischen Büros ist überzeugt davon, daß sich die gottesfürchtigen Araber mithilfe des faulen Zaubers von der französischen Überlegenheit überzeugen lassen, vielmehr von der überlegenen Stärke des christlichen Glaubens und der abendländischen Kultur. Henri Lambert hat keinerlei Skrupel, die gläubigen Moslems zu betrügen. Allerdings läßt ihn Brian Moore dabei in eine ziemlich brenzlinge Lage geraten. Wie er seinen Kopf aus der selbst umgelegten Schlinge ziehen und damit zugleich die Moslems davon überzeugen kann, sich zu unterwerfen, ist brillant erfunden und gut erzählt. Doch dem Schriftsteller ging es mit seiner Geschichte um mehr, als nur Spannung zu erzeugen. Er ist davon überzeugt, daß die damaligen Ereignisse bis heute Auswirkungen haben: "Die Franzosen redeten davon, es sei ihre Aufgabe, die Menschen zu zivilisieren, zur Zivilisation zu bekehren und so fing die Mission der Zivilisation an", erläutert Brian Moore. "Heute geschehen entsetzliche Dinge in Algerien. Den Menschen werden die Köpfe abgeschnitten. Ich frage mich, ob all diese schrecklichen Dinge in Algerien passieren würden, wenn es nicht kolonisiert worden wäre, denn die Militärregierung, die es heute regiert, ist ein direktes Ergebnis der französischen Herrschaft. Sie ist nicht religiös, zeigt dieselbe überhebliche Haltung wie die Franzosen diesen Dingen gegenüber. Ich glaube, der religiöse Krieg, der derzeit zwischen der nichtreligiösen Regierung und den fundamentalistischen Extremisten stattfindet, ist in gewisser Hinsicht ein Ergebnis der französischen Kolonisation."
Es ist aber nicht Henri Lambert, der uns die Geschichte erzählt. Wir sehen alle Ereignisse mit den Augen seiner jungen, hübschen Frau Emmeline, die sich am Hofe Napoleons III. inmitten der Hofschranzen ebenso unglücklich fühlt wie in der ihr völlig fremden Wüstenlandschaft Algeriens. Es ist nicht das erste Mal, daß der Schriftsteller eine Frauenfigur in den Mittelpunkt eines Romans stellt. Bereits sein 1955 herausgekommener Erstling "Die Passion der Judith Heare", erzählt die traurige Geschichte einer irischen Katholikin, die in ihrer Einsamkeit zur Alkoholikerin wird, aus der Sicht der Frau. "Frauen sind offener als Männer, wenn sie einem ihr Leben erzählen", so Moore. "Ich habe immer gesagt, daß Männer dazu neigen, Verdienste vorzutragen. Wenn man einen Mann trifft, erzählt der einem, was er bislang getan hat, und man erzählt ihm dann das gleiche von sich. Es ist die ganze Zeit eine Art Wettbewerb. Frauen machen das nicht. Sie lehnen sich zurück und - selbst wenn man sie nicht besonders gut kennt - sie erzählen einem im Laufe des Abends sehr interessante Sachen über ihr Leben. Mein neues Buch ist dafür ein gutes Beispiel. Zwar geht es um einen berühmten Zauberer, aber ich habe es aus der Sicht seiner Frau geschrieben, die jung, unwissend, provinziell ist. Wenn man vom Standpunkt einer Frau aus schreibt, dann kann die Frau das Publikum sein und uns erzählen, was geschieht."
Ihre Naivität, ihr Staunen erlaubt es Brian Moore ohne große Verrenkungen die Situation auf Kaiserhof, die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse Frankreichs und Algeriens zu jener Zeit zu beschreiben. Emmeline, nicht ihr Mann Lambert empfindet die Verachtung, die in dem raffinierten Machtschachzug der Zauberei mitschwingt, spürt den Hochmut und die Arroganz der französischen Eroberer gegenüber den stolzen, tief religiösen Wüstenmenschen. Sie ist offen für den Reiz der Landschaft, für die Klugheit, Schönheit und Würde seiner Menschen, begreift, daß sie eine uralte Kultur verkörpern, keine dummen Barbaren sind, die man nicht ernst zu nehmen braucht. Ihr Mann wird ihr zusehends fremder. Dennoch hält sie weiterhin zu ihm, auch als sich ihm sein größter politischer Triumpf in eine bittere persönliche Niederlage verwandelt. So wie alle Romane Brian Moores vermeidet auch "Die Frau des Zauberers" eine eindeutige politische Aussage getreu seiner Grundüberzeugung. "Ich denke, es stimmt, was Wystan Hugh Auden sagte: ‘Dichtung ändert gar nichts, und daran glaube ich.’ Es stimmt meistens. Ich glaube aber, daß das nicht bedeutet, daß wir es nicht genießen oder daran interessiert sind oder hoffen, daß sich was ändert, dadurch daß wir darüber schreiben. Ich möchte dem Leser ein Problem vorstellen und sagen, denk mal drüber nach. Meine Bücher bieten keine Lösungen. Niemand sagt, du hättest dieses oder jenes machen sollen. Meine Bücher sagen: Schau dir dies Dilemma an. Was hältst du davon?"