Diese meditative, fast priesterliche Attitüde bildet den Kontrapunkt zu Susan Sontags e-her nüchtern, soziologisch, gesellschaftspolitisch argumentierendem Text. Sontag hat dem Ibsen-Stück alle Psychologie ausgetrieben, alles versponnen folkloristisch naiv Reflektierende weggeätzt zugunsten eines lakonischen Reports und Kommentars über die bürgerliche Ehe-hölle. Grundthese: die Frau vom Meer gehört ins Wasser, sie ist eine Meerjungfrau, die sich verirrt hat, in der Ehe hat die sowieso nichts zu suchen.
Das mag feministisch korrekt sein, dramaturgisch ist es eine Katastrophe: das Stück tritt auf der Stelle. Während bei Ibsen Frau Ellida Wangel sich 3 Theaterstunden lang nach dem geheimnisvollen Fremden sehnt, über den sie ständig spricht und der dann endlich auftritt, während das Stück bei Ibsen also sexuell aufgeladen ist, bleibt bei Sontag nur eine dubiose Wunsch-Gestalt, die man beliebig herbeizitieren kann, und das miefige Eheallerlei. Die offensichtliche Begrenztheit des Stücks hat die Regisseurin Monika Gintersdorfer in Salzburg dazu verführt, es zu vergagen und zu verjuxen. Dem Neumarkt-Mit-Intendanten Otto Kukla ist das zu billig.
Kukla, der seit Jahren auf der Bühne mit Video experimentiert, lässt in einem klinisch wei-ßen Raum auf zwei Monitoren und einer Projektionswand immer wieder Wasser-Impressionen einspielen. Ein U-Boot auf psychoanalytischer Erkundungsfahrt: immer wollen wir das, was wir nicht haben. Der Einsame sehnt sich nach Familie und Geborgenheit, der familiär Gebundene sucht die Unabhängigkeit und Weite. 1890, bei Ibsen, war es materiell fast unmöglich, sich als Frau von der Familie zu trennen. Das ist heute einfacher; aber das Klagen ist auch zur Mode geworden. Die Schauspieler sind durchweg famos: Crescentia Dünßer zeigt uns als Ellida Wangel alle möglichen Leidensposen, aber sie spielt sie dann so aus, das sie als Posen kenntlich werden. Tobias Beyer, der Ehemann, ist der aufgeklärte Spießer, der es eben nicht besser kann. Die Töchter sind freche Gören, der verklemmte Lehrer Arnholm des Andreas Storm eine schöne Karikatur, die vor lauter Sprachlosigkeit dann wieder ins Tragische kippt.
Regisseur Kukla bringt es fertig, diese am Reißbrett entworfenen soziologischen Figuren in eine Art Traumtheater einzubinden. Sie stoßen ihre Signalsätze hervor ("Ich langweile mich. Ich will hier raus"), aber Susan Sontags pädagogischer Zeigefinger wird vom unbeding-ten Stilwillen der Inszenierung, von ihrer Technik der depressiven Verkünstlichung schön weggeknickt.
Nur am Ende, da geht Ehefrau Wangel, die sich gerade fürs Dableiben im Puppenheim entschieden hat, mit ihrem Gatten an den Strand und sagt in aller Unschuld: "Und dann schlage ich ihm mit einem flachen Stein den Schädel ein". Da hat die feministische Seele wieder Ruh. Merke: nicht jede Essayistin sollte fürs Theater schreiben.
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1962.html
Das mag feministisch korrekt sein, dramaturgisch ist es eine Katastrophe: das Stück tritt auf der Stelle. Während bei Ibsen Frau Ellida Wangel sich 3 Theaterstunden lang nach dem geheimnisvollen Fremden sehnt, über den sie ständig spricht und der dann endlich auftritt, während das Stück bei Ibsen also sexuell aufgeladen ist, bleibt bei Sontag nur eine dubiose Wunsch-Gestalt, die man beliebig herbeizitieren kann, und das miefige Eheallerlei. Die offensichtliche Begrenztheit des Stücks hat die Regisseurin Monika Gintersdorfer in Salzburg dazu verführt, es zu vergagen und zu verjuxen. Dem Neumarkt-Mit-Intendanten Otto Kukla ist das zu billig.
Kukla, der seit Jahren auf der Bühne mit Video experimentiert, lässt in einem klinisch wei-ßen Raum auf zwei Monitoren und einer Projektionswand immer wieder Wasser-Impressionen einspielen. Ein U-Boot auf psychoanalytischer Erkundungsfahrt: immer wollen wir das, was wir nicht haben. Der Einsame sehnt sich nach Familie und Geborgenheit, der familiär Gebundene sucht die Unabhängigkeit und Weite. 1890, bei Ibsen, war es materiell fast unmöglich, sich als Frau von der Familie zu trennen. Das ist heute einfacher; aber das Klagen ist auch zur Mode geworden. Die Schauspieler sind durchweg famos: Crescentia Dünßer zeigt uns als Ellida Wangel alle möglichen Leidensposen, aber sie spielt sie dann so aus, das sie als Posen kenntlich werden. Tobias Beyer, der Ehemann, ist der aufgeklärte Spießer, der es eben nicht besser kann. Die Töchter sind freche Gören, der verklemmte Lehrer Arnholm des Andreas Storm eine schöne Karikatur, die vor lauter Sprachlosigkeit dann wieder ins Tragische kippt.
Regisseur Kukla bringt es fertig, diese am Reißbrett entworfenen soziologischen Figuren in eine Art Traumtheater einzubinden. Sie stoßen ihre Signalsätze hervor ("Ich langweile mich. Ich will hier raus"), aber Susan Sontags pädagogischer Zeigefinger wird vom unbeding-ten Stilwillen der Inszenierung, von ihrer Technik der depressiven Verkünstlichung schön weggeknickt.
Nur am Ende, da geht Ehefrau Wangel, die sich gerade fürs Dableiben im Puppenheim entschieden hat, mit ihrem Gatten an den Strand und sagt in aller Unschuld: "Und dann schlage ich ihm mit einem flachen Stein den Schädel ein". Da hat die feministische Seele wieder Ruh. Merke: nicht jede Essayistin sollte fürs Theater schreiben.
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