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Die Frauen sind aufgebracht

Im März wird in Rheinland-Pfalz der neue Landtag gewählt. Die CDU-Politikerin Julia Klöckner soll nach dem Finanzskandal in der Partei für frischen Wind sorgen. Die Unterstützung der Frauenunion in Pirmasens hat sie.

Von Volker Fittkau | 13.01.2011
    Pirmasens, Luisenstraße 39. Ein gepflegtes Mehrfamilienhaus, hellgelb gestrichen. Ein nur etwas mehr als Din-A4 großes Plastikschild weist den Weg zur CDU-Geschäftsstelle und den Abgeordnetenbüros. Auf einer Hofmauer unmittelbar neben dem Hauseingang ein Protestplakat. Ein Sozialverband macht seiner Wut gegen die Gesundheitsreform der schwarz-gelben Bundesregierung Luft: Bittere Pille – diese Aufschrift ist von Weitem zu lesen.

    Drinnen ist von bitteren Pillen zunächst nichts zu spüren. Zehn Mitglieder der Frauenunion treffen sich zur ersten Vorstandssitzung des Jahres. Auf der Tagesordnung die bevorstehenden Wahlen: Am 27. März wird nicht nur der neue Landtag gewählt, sondern auch der Pirmasenser Oberbürgermeister. Der hat zurzeit ein CDU-Parteibuch. So fröhlich die Sitzung an diesem Abend auch beginnt: Die Frauen sind genervt von den Männern an der Mainzer Parteispitze; von Männern, die für den seit Jahren schwelenden Finanzskandal verantwortlich sind. Annemarie Scheitel und Brigitte Linse nehmen kein Blatt vor den Mund:

    "Diese Unehrlichkeit macht einem schon zu schaffen. Es ist immer wieder scheibchenweise weiter aufgeklärt worden. Und wenn man mal gedacht hat, jetzt haben wir es überstanden, kam das Nächste. Es ist halt schade."

    "Es ist natürlich sehr unerfreulich, von der eigenen Partei solche Machenschaften aufgedeckt zu sehen. Es ist nicht nur das Finanzielle. Es ist natürlich auch das Finanzielle. Es ist eine große finanzielle Belastung. Aber alleine der Hintergrund und das Vorgehen unserer Verantwortlichen damals ist für uns sehr bedrückend und auch sehr enttäuschend."

    Kopfnicken in der Runde. Die Damen sind aufgebracht. Selbst die Antwort auf eine delikate Frage scheuen sie nicht: Einige Männer der Landtagsfraktion hatten sich mit Fraktionsgeldern sogar einen Bordellbesuch genehmigt. Ob sich Brigitte Linse ärgert?

    "Das ist jetzt nicht das, was mich sehr erschüttert. Sondern allgemein, wie die Frau Scheitel gesagt, die Unehrlichkeit, der Betrug, auch gerade an der Basis. Weil wir arbeiten und die es verwalten sollen und gut machen sollen, die machen es dann so schlecht."

    100 Mitglieder hat die Frauenunion in der 40.000 Einwohner-Stadt; die CDU insgesamt zählt in Pirmasens 600 Mitglieder. Weil ihr Oberbürgermeister sehr beliebt ist, ist der Optimismus groß, dass er wiedergewählt werden wird. In puncto Landtagswahl sind die Zweifel größer. Ob ihre Spitzenkandidatin Julia Klöckner eine Chance hat? Achselzucken am Tisch. Hätte Klöckner intern früher auf den Tisch hauen müssen, um sich von den illegalen Machenschaften ihrer Vorgänger zu distanzieren? Brigitte Linse übt Frauensolidarität:

    "Ich glaube, dass die Frau Klöckner klar Position bezogen hat, sie hat das sehr verurteilt. Und dann jetzt sozusagen als Gutmensch zu kommen, jetzt wird alles auf den Tisch gelegt, ich weiß nicht, ob das dann nicht überstrapaziert wird. Und was wäre gewesen, wenn es noch etwas anders gewesen wäre, dann wäre sie mit zwei Füßen in den Dreck geschubst sozusagen."

    Mit den Füßen im Dreck – da stecken aus Sicht der Pirmasenser Unionsfrauen nicht Frau, sondern die Männer, die den Finanzskandal zu verantworten haben. An erster Stelle der ehemalige Landesvorsitzende Christoph Böhr. Doch Ulla Eder und Annemarie Scheitel wollen nicht nur zurückschauen:

    "Natürlich ist das für die CDU ne Belastung an sich, das sollte einfach nicht sein. Und wenn dann noch ne Wahl gewonnen werden will, dann erst recht. Aber ich denke, dass wir mit der Julia Klöckner eine Top-Spitzenkandidatin haben, die das auch schafft, die Schwächen der Regierung auch aufzudecken und das wir da doch sehr gute Chancen haben."

    "Ich denke, vielleicht muss unsere Aufgabe jetzt sein, zu sagen, wir fangen jetzt neu an. Der Landesrechnungshof hat heute unserer Regierung eine schallende Ohrfeige verpasst, Nürburgring kostet, auch da müssten wir nun unsere Finger in die Wunden legen."

    Es gäbe im Land doch genug Themen, über die man sich mit den regierenden Sozialdemokraten streiten könne, meint auch Brigitte Linse, die die Versammlung leitet. Die Damen von der Basis ärgert es etwa, dass ihre Stadt bisher die von der Landesregierung geforderte Integrierte Gesamtschule nicht bekommen hat.

    "Und ich bin auch dafür, das ist die Julia Klöckner auch, für die Einrichtung von Ganztagsschulen bereits im Grundschulbereich und die Grundschullehrerausbildung muss sich auch verbessern, besser als sie bisher war."

    Im Wahlkampf will sich die Frauenunion Pirmasens engagieren wie immer. Zum Mut-Mach-Termin morgen in Mainz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel fährt aber wohl niemand hin. In Pirmasens gibt es genug zu tun. Es spiele auch keine große Rolle, dass man erstmals eine weibliche Spitzenkandidatin hat. Frauen seien sowieso die besten Wahlkämpfer, ist sich Annemarie Scheitel sicher:

    "Und wenn sie mal gucken, wer an den Infoständen die Arbeit leistet, dann sieht man uns immer. Wir sind also immer sehr präsent und machen schon in den letzten Jahren immer einen engagierten Wahlkampf. Wir sind auch außerhalb des Wahlkampfs präsent mit unseren Veranstaltungen und Infoständen in der Fußgängerzone. Ich denke, wir werden das jetzt genauso machen, egal ob das eine Frau oder ein männlicher Kandidat ist."

    Wenn sie mit ihrer Landespartei schon nichts zu lachen haben, dann machen sich die Frauen ihren Spaß eben selber. An diesem Abend endet die Sitzung schon nach einer Stunde – sie gehen gemeinsam essen. Das sei so üblich zum Jahresbeginn, heißt es. Schließlich ist Frau in der Südwestpfalz nur wenige Kilometer von der französischen Grenze entfernt. Da spielt das Genießen ohnehin eine große Rolle – komme politisch aus Mainz, was da wolle.