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"Die Frauenweltmeisterschaft in Deutschland wird ein Riesenevent"

Von der Fußballeuphorie für die deutschen Fußballnationalmannschaft profitiert auch der Frauenfußball, sagt Doris Fitschen, Managerin der deutschen Fußball-Frauennationalmannschaft. Sie fiebere schon jetzt der Frauenweltmeisterschaft im kommenden Jahr entgegen, die in Deutschland stattfindet.

Doris Fitschen im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Gestern Abend in Johannesburg: Deutschland siegt 1:0 gegen Ghana. Beide Teams ziehen ins Achtelfinale und jetzt geht die Fußball-WM erst richtig los. Am Sonntag der Klassiker gegen England. - Am Telefon begrüße ich Doris Fitschen, 144-malige Fußballnationalspielerin, mehrfache Europameisterin und jetzt Managerin der deutschen Nationalmannschaft der Frauen. Guten Morgen, Frau Fitschen.

    Doris Fitschen: Guten Morgen!

    Spengler: Sie müssen uns zunächst Ihren Kommentar zum Spiel gestern geben.

    Fitschen: Ja. Wir haben schon mal besser gespielt, aber letztlich muss man sagen, für diese junge Mannschaft war das schon eine beeindruckende Leistung. Wir sind eine Runde weiter, das ist das Wichtigste.

    Spengler: Also kein tolles, aber ein spannendes Spiel. Und verdient gewonnen?

    Fitschen: Ich denke schon. Wir waren die überlegene Mannschaft, auch wenn wir ab und zu hinten wirklich glück hatten, aber insgesamt, denke ich, war das verdient.

    Spengler: Was denken Sie denn, wie weit die jungen Jungs kommen?

    Fitschen: England ist natürlich ein Hammer. Die zählten vor der WM zumindest mit zu den Top-Favoriten. Also das ist jetzt ein Spiel, wo es wirklich fifty-fifty steht, aber wenn man das übersteht, dann ist auch alles Weitere möglich. Ich habe vor der WM schon gesagt, unsere Mannschaft ist wirklich zu allem fähig. Also es hätte auch sein können, dass sie ausscheidet. Aber jetzt können sie auch ganz weit nach vorne kommen.

    Spengler: Sie kennen das ja viel besser als unsereins, weil Sie selber aktive Spielerin waren. Wie wichtig ist jetzt so ein Sieg gewesen, auch wenn der vielleicht nicht so richtig schön gewesen ist, aber so ein Sieg vor einem solchen Klassiker mit England?

    Fitschen: Das ist natürlich psychologisch schon unheimlich wichtig, auch jetzt als Gruppenerster aus dieser Gruppenphase hervorzugehen, und da kann die Mannschaft schon selbstbewusst auftreten. Alle Auftritte, die sie bisher hier abgeliefert hat bei der Weltmeisterschaft, waren ja sehr gut - das erste Spiel natürlich überragend, aber auch gestern hat man gesehen, dass gerade so Spieler wie Schweinsteiger oder Özil oder Philipp Lahm, dass die wirklich überragend spielen.

    Spengler: Es scheint, sehr viel Harmonie in dem Team zu geben. Wie kommt so etwas zustande?

    Fitschen: Das ist schwierig zu sagen. Da hat man nicht immer großen Einfluss drauf. Aber ich denke einfach, gerade durch die Ausfälle der Leistungsträger - ich sage jetzt mal Ballack und Adler - musste sich die Mannschaft eben einfach zusammenraufen und jeder musste mehr Verantwortung übernehmen, und allen war klar, sie schaffen das nur, hier weiterzukommen, wenn sie wirklich als Team zusammenstehen und das gemeinsam anpacken, und das haben sie bisher wirklich beeindruckend gemacht.

    Spengler: Ist das so etwas wie die Harmonie der Gleichen?

    Fitschen: Ja, so könnte man es nennen, obwohl es natürlich in der Mannschaft auch schon eine Rangordnung gibt. Das muss auch so sein. Gerade ein Schweinsteiger, der gestern für mich wirklich überragend gespielt hat, der gibt da schon wirklich den Ton an, und ich denke, das ist wirklich eine sehr gute Mischung.

    Spengler: Nun sind ja die deutschen Frauen amtierende Europa- und Weltmeister. Was könnten denn die deutschen Männer von den Frauen lernen?

    Fitschen: Schwer zu sagen. Na klar, unsere Frauen haben in den letzten Jahren auch wirklich überragend gespielt und haben einfach bis zum Ende immer gewonnen. Aber da schlaue Tipps zu geben, das ist eigentlich nicht unsere Art. Ich denke, Jogi Löw, der weiß schon, wie er seine Mannschaft einstellt, und sie sind ja auf einem sehr guten Weg.

    Spengler: Aber das Siegen lernen, das könnte man lernen sozusagen?

    Fitschen: Ja, aber das machen sie ja auch so.

    Spengler: Kennen Sie sich eigentlich? Kennen sich die deutsche Männernationalmannschaft und die deutsche Frauennationalmannschaft? Begegnet man sich ab und zu?

    Fitschen: Eigentlich eher selten.

    Spengler: Also man hat nicht viel miteinander zu tun?

    Fitschen: Ich habe hier mit dem Trainerteam zu tun oder auch mit Oliver Bierhoff, die ab und zu hier beim DFB sind. Mit Jogi Löw beispielsweise habe ich auch mal einen Fußballlehrerschein zusammen gemacht, also den kenne ich sehr gut. Aber ansonsten gibt es bei den Mannschaften auch terminlich selten Überschneidungen, dass die Mannschaften zusammen unterwegs sind. Deshalb macht man da relativ wenig zusammen, wobei der eine oder andere Spieler und die Spielerin, die kennen sich natürlich. Aber gemeinsame Aktionen gibt es eigentlich nicht.

    Spengler: Gemeinsames Training oder so etwas, das würde wahrscheinlich auch nicht viel bringen, oder?

    Fitschen: Männer- und Frauenfußball leistungsmäßig zu vergleichen, ist halt unheimlich schwierig, weil Männer nun mal körperlich ganz andere Voraussetzungen haben, und gerade Kraft und Schnelligkeit spielen eben eine extrem wichtige Rolle beim Fußball. Deshalb ist es schwer, so etwas zu vergleichen.

    Spengler: Blicken wir mal voraus. Nächstes Jahr gibt es die Frauen-Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, also Titelverteidigung auf eigenem Boden. Wo sind Sie eigentlich fiebriger, bei einer Frauenweltmeisterschaft oder einer Männerweltmeisterschaft?

    Fitschen: Ich bin natürlich am Frauenfußball enger dran und jetzt als Managerin - den Job mache ich seit einem Jahr - noch enger an der Mannschaft. Deshalb fiebere ich natürlich der Frauenweltmeisterschaft noch mehr entgegen. Wobei ich natürlich sagen muss: Je besser unsere Mannschaft hier bei der Männerweltmeisterschaft spielt, je weiter sie kommt, desto größer ist auch die Fußballeuphorie in Deutschland, und davon profitieren wir als Frauen und im nächsten Jahr bei der Frauenweltmeisterschaft natürlich auch enorm.

    Spengler: Wird denn eine Frauenweltmeisterschaft jemals so viel Aufmerksamkeit erhalten wie eine Männer-WM?

    Fitschen: Jemals weiß ich nicht. Im nächsten Jahr wird es eine sehr große Aufmerksamkeit geben. Es ist sicherlich nicht vergleichbar mit 2006 beispielsweise, aber die Frauenweltmeisterschaft in Deutschland wird schon ein Riesenevent werden und jeder in Deutschland wird auch wissen, dass die Weltmeisterschaft stattfindet, und ich hoffe, dass das ganze Land eben dann auch dahinter steht.

    Spengler: Alles Gute wünsche ich Ihnen. - Das war Doris Fitschen, mehrfache Europameisterin, 144-malige Fußballnationalspielerin für Deutschland und jetzt die Managerin der deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen. Einen schönen Tag noch, Frau Fitschen.

    Fitschen: Danke! - Ebenso!