Die Feinde indes sind nach den großartigen Feldschlachten der frühen Jahre immer mickriger geworden. So muss Friedrich Nietzsche herhalten, weil sein Satz von der "Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik" schön klingt, aber die Wahrheit verbiegt. In den letzten beiden Vorträgen sind es die Erben von Schriftstellernachlässen, an denen sich der letzte deutsche Kampfliterat aufreibt. Nein, wir erleben bei durchaus faktenreicher Essayistik - mit ermüdend langen Zitateinschüben - den betrüblichen Niedergang eines mürrischen Rechthabers. Im Zieleinlauf scheinen die Feinde von einst endlich gesiegt zu haben: Dem Empörer die Alterswürde abzuschneiden ist so ziemlich die sicherste Methode, sein Lebenswerk zu diskreditieren; am effektivsten tut er dies freilich selbst.
Die Geburt der Tragödie aus dem Krieg. Frankfurter Poetikvorlesungen
Der Mensch braucht Feinde, zumal der schreibende. In einer in sich gerecht gefügten Welt gibt es für ihn nichts mehr aufzuräumen, es sei denn, er rüttelt an den Grundfesten der Gesellschaft und provoziert den Einsturz einiger Gewissheiten. Im allgemeinen tun das nur jugendliche Helden, was das Problem aufwirft, wohin man all die vitalen Frührentner jenseits des 25. Lebensjahres stecken soll? Ein verschwindend kleiner Prozentsatz wandert in die Gefängnisse, die allermeisten lassen sich problemlos im bürgerlichen Leben recyclen, und nur ganz wenige Ausnahmen, die sich zurecht mit der Mehrheit anlegten - was die Mehrheit ungern zugibt -, erwartet ein unersprießliches Schicksal: Sie dürfen die Rolle des nützlichen, aber geächteten Rebells nie mehr verlassen. Schimmert irgendwo ein Hauch von Altersmilde durch, stehen sofort die früheren Gegner Gewehr bei Fuß: Der Feind, den ich mir schuf, sorgt dafür, dass ich nie aus den alten Verhältnissen entlassen werde.
Die Feinde indes sind nach den großartigen Feldschlachten der frühen Jahre immer mickriger geworden. So muss Friedrich Nietzsche herhalten, weil sein Satz von der "Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik" schön klingt, aber die Wahrheit verbiegt. In den letzten beiden Vorträgen sind es die Erben von Schriftstellernachlässen, an denen sich der letzte deutsche Kampfliterat aufreibt. Nein, wir erleben bei durchaus faktenreicher Essayistik - mit ermüdend langen Zitateinschüben - den betrüblichen Niedergang eines mürrischen Rechthabers. Im Zieleinlauf scheinen die Feinde von einst endlich gesiegt zu haben: Dem Empörer die Alterswürde abzuschneiden ist so ziemlich die sicherste Methode, sein Lebenswerk zu diskreditieren; am effektivsten tut er dies freilich selbst.