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Die Gefahr im Blick

Der Großeinsatz von Polizei und anderen Sicherheitskräften auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm hat erneut gezeigt, wie personalintensiv und damit auch wie teuer die Terror- und Gefahrenabwehr sein kann. Dass es in anderen Fällen auch billiger geht, beweist eine kleine High-Tech-Schmiede aus Berlin: Sie baut Überwachungsroboter, die Sportstadien oder Lagerhallen automatisch im Visier haben.

Von Sandra Schulz |
    "Achtung Hindernis, bitte identifizieren sie sich."

    Nur gut 1,20 Meter ist der Roboter MOSRO groß, doch sein Ton ist resolut. Auf einem blechernen Rumpf sitzt eine rote Lampe mit Infrarotkamera - fast wie ein Kopf. MOSRO steht vor einem der beiden Geschäftsführer von Robowatch, Jens Hanke. Der legt nun seinen Daumen auf den gedachten Scheitel des Roboters.
    "Sie haben sich identifiziert."

    MOSRO ist einer der Stars aus dem Sortiment von Robowatch. Seine Artgenossen sind schon auf der ganzen Welt im Einsatz, etwa in Argentinien, Brasilien, Tschechien, Polen, vor allem aber in Asien. Mehrsprachigkeit ist da selbstverständlich, bei Bedarf gibt MOSRO seine Kommandos auch auf Koreanisch:

    "MOSRO kann man sich als elektronischen Wachmann vorstellen in seiner einfachsten Funktion, manche sagen auch , er sei eine fahrbare Plattform und diese Plattform ist in der Lage, wenn man ihm einen Weg gezeigt hat, diesen Weg abzufahren und Daten an eine Leitzentrale zu schicken."

    Erklärt Jens Hanke. MOSROs Revier: Messen, Lager- und Produktionshallen. Während "MOSRO" sich auf Einsätze innerhalb von Gebäuden versteht, übernimmt Aufklärungsroboter "Ofro" Outdoor-Einsätze. Während der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr hat Ofro zum Beispiel die Stadien überwacht und damit Aufgaben der Terrorabwehr übernommen. Ausgestattet mit einer Thermokamera, Gasmesstechnik und eingebauter Videokamera kann Ofro atomare, biologische oder chemischen Gefahren aufspüren und in Notsituationen bei der ersten Aufklärung helfen, - oder einfach ungebetene Gäste aufspüren. Keine triviale Aufgabe für einen Roboter, der nicht bei jedem Hund Alarm schlagen soll.

    Dennis Williams kümmert sich um die Verfeinerung der Software, mit der die Roboter Menschen zu identifizieren lernen. Technisch ist das höchst anspruchsvolle Programmierarbeit, die in die Probleme der künstlichen Intelligenz hineinreicht, denn die Roboter sind mit einem so genannten neuronalen Netz ausgestattet, also lernfähig.

    "Wir benutzen ein neuronales Netz, das heißt wir trainieren die Roboter mit verschiedenen Mustern: Menschen, Formen, Bewegungsarten, unterschiedlichen Klamotten etc, so dass das neuronale Netz selbständig lernt zu unterscheiden, was ist ein Mensch, was ist kein Mensch und was macht einen Menschen in unterschiedlichen Positionen aus."

    Gut 50 Mitarbeiter hat Robowatch, das Durchschnittsalter liegt bei Mitte dreißig. Die meisten sind Informatiker, Mathematiker oder Maschinenbauingenieure. Denn das Unternehmen konzentriert sich vollständig auf die Entwicklung. Die Produktion ist ausgelagert nach Jena und Korea, für den Vertrieb hat Robowatch Partner gewonnen, große Unternehmen im Bereich der Sicherheitstechnik. Und die Entwicklungen von Robowatch sind gefragter denn je. Vor zwei Jahren schrieb das Unternehmen erstmals schwarze Zahlen. Im vergangenen Jahr wuchs der Umsatz von 5 Millionen Euro um rund 40 Prozent auf sieben Millionen und für dieses Jahr erwartet Robowatch einen weiteren Anstieg auf 10 Millionen Euro - eine Entwicklung, die Jens Hanke, trotz des geschäftlichen Erfolgs ambivalent sieht:

    "Je größer das Sicherheitsbedürfnis hier, in den USA und in Asien, umso mehr Umsätze machen wir natürlich. So traurig wie es ist, müssen wir natürlich den administrativen Kräften von Herrn Bush danken, dass sich unsere Branche so gut entwickelt hat."

    Im Jahr 2000 gründete Hanke das Unternehmen, gemeinsam mit dem Sicherheitsexperten und Co-Geschäftsführer Ulf Stremmel. Zuvor hatte der Mathematiker Hanke am Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin geforscht, bis sich - drängender als je zuvor - ein alter Wunsch wieder meldete:

    "Ich bin dann zu meinem Chef gegangen und habe gesagt: Ich möchte Roboter bauen. Habe dann gekündigt und habe ein Jahr lang zu Hause Unternehmensplanung gemacht und habe dann einen Prototypen für einen solchen Sicherheitsroboter gebaut. Und das war letztendlich die Erfüllung eines Kindheitstraumes."

    Auf den Bereich der Sicherheitstechnik spezialisierte sich Hanke eher gezwungenermaßen. Einen Bügel- oder Staubsaugerroboter zu entwerfen, würde ihn nicht minder reizen, technisch liegen solche Entwicklungen aber im Moment noch weit jenseits des Machbaren. Bedingungslos hat sich Hanke dem Sicherheitsgeschäft darum nicht verschrieben. Auch wenn Robowatch mit dem Entschärfungsroboter Assendro mittlerweile unter anderem bei Militärs auf Interesse stößt, sieht er seine Roboter am liebsten bei sportlichen Großereignissen im Einsatz.

    "Unsere Technik wird nur eingesetzt zum Schützen und Entlasten von bestimmten Tätigkeiten, also wir werden auf unsere Roboter bestimmt keine Waffen bauen. Dieses Problem hat man natürlich immer. Das war bei den Erfindern von Autos bestimmt auch so, dass man sich nicht ausgemalt hat, dass da mal Waffen draufmontiert werden, aber die Firma Robowatch wird so was bestimmt nicht tun."

    Für die Frauenfußballmeisterschaft in China im Herbst sind die Roboter schon gebucht. Die Verhandlungen über die Einsätze bei den Olympischen Spielen in Peking im nächsten Jahr laufen. Das eine oder andere technische Problem wird sich bis dahin gewiss auch lösen lassen:

    "Die Spannung der Batterie ist zu niedrig. Ich schalte mich nun aus."