Sylvia Canel ist entspannt, als sie in ihrem Bürgerbüro im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel Besucher mit einer Tasse Kaffee empfängt. Dabei liegen stressige Tage hinter der Hamburger FDP-Abgeordneten: erst die Klausurtagung ihrer Fraktion in Bensberg, dann diese Woche Haushaltsberatungen im Bundestag. Und über allem Inhaltlichen schwebt auch noch das Damoklesschwert der freidemokratischen Selbstzerfleischung. Doch Sylvia Canels Blick ist nach vorn gerichtet: auf den 29. September. Dann entscheidet der Bundestag, ob der Euro-Rettungsschirm noch weiter aufgespannt wird. Die 53-Jährige ist fest entschlossen: Sie wird dagegen stimmen.
"Ich finde, der Meinungsbildungsprozess bezüglich dieser Finanzkrise ist schauerlich. Wir werden überhaupt nicht als Abgeordnete integriert. Der Bürger bekommt keine Ansprache von Angela Merkel. Wir kriegen fertige Anträge, die wir, wenn´s geht, nur noch abnicken sollen. Das geht natürlich nicht."
Einfach abnicken, das ist ihre Sache nicht. Sie findet deutliche Worte. Auch in der eigenen Fraktion nimmt sie selten ein Blatt vor den Mund, wenn ihr etwas nicht passt. Ihr gehen, wie auch einer ganzen Reihe anderer Abgeordneter, die Hilfen für den Euro zu weit. Vor allem dann, wenn die Parlamentarier nicht mitentscheiden sollen:
"Man kann nicht jede Entscheidung durch jedes Parlament jagen. Aber wenn man eine Schuldenwirtschaft jetzt einführen möchte, dann muss ich doch sagen: Oh, Stopp. Das kann nicht sein. Wir sind eine Transferunion in Europa. Das waren wir immer, aber im positiven Sinne. Jetzt wiederum wollen wir aber das System umdrehen. Wir wollen sagen, das politische Versagen einzelner Länder finanzieren wir jetzt gemeinschaftlich, und da soll der deutsche Steuerzahler auch noch den dicksten Brocken mit hineinlegen. Da muss ich als Vertreterin der Bürger sagen: Stopp. Diesen Bürgern verleihe ich damit die Stimme, dass ich dem nicht zustimme."
Bei der Testabstimmung zum Euro-Rettungsschirm EFSF zu Beginn der Woche zeigte sich: Angela Merkel hat Schwarz-Gelb nicht geschlossen hinter sich. Eine Kanzlermehrheit – also ein klares Abstimmungsergebnis für die Hilfsmaßnahme - wird sie vermutlich verfehlen. Eine Vorlage für die Oppositionsparteien, die bereits von vorgezogenen Neuwahlen sprechen. Sylvia Canel lässt sich von einem möglichen Ende der Koalition nicht einschüchtern. Im Gegenteil. Sie war die Erste, die offen über ein Ende von Schwarz-Gelb auf Bundesebene philosophierte. In einem Gespräch mit dem Regionalsender Hamburg 1 erklärte sie bereits Anfang August freimütig zum Ende des Bundesbündnisses:
"Ich finde den Gedanken persönlich sehr sympathisch. Denn ich bin mit manchem recht unglücklich in dieser Koalition."
Sylvia Canel bekommt Zuspruch aus anderen Bundesländern: Zum Beispiel vom Berliner FDP-Spitzenkandidaten Christoph Meyer. Der sieht, besonders nach der kläglichen Niederlage der Liberalen in Mecklenburg-Vorpommern, für seine eigene Wahl in zehn Tagen in Berlin sämtliche freidemokratischen Felle davonschwimmen.
Mit der Zerstrittenheit in der eigenen Partei habe das nichts zu tun, versichern Meyer und Canel einmütig. Vielmehr sei der große Koalitionspartner schuld, dass die Liberalen ihr eigenes Profil nicht schärfen, ihre Errungenschaften nicht genügend kommunizieren könnten. Bestes Beispiel: das ureigene FDP-Thema Steuergerechtigkeit. Das müsse die FDP alleine kommunizieren dürfen, schließlich sei sie damit in den Wahlkampf gezogen. Die Liberalen wollten Ergebnisse sehen. Doch gerade der Unions-Fraktionsvorsitzende mache ihnen einen Strich durch die Rechnung:
"Thema Steuergerechtigkeit: muss der FDP gehören. Und da kann nicht ein Kauder von hinten kommen und sagen: Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß was. Ich nenne jetzt schon die Zahlen, die Sie erst im Herbst berechnen wollen. Das ist unanständig. So was tut man einfach nicht."
Da zeigt sich wieder: Politik ist ein schmutziges Geschäft. Unanständig. Ohne Manieren. Das "Pfui" in ihrer Stimme ist nicht zu überhören. Man könne ja niemandem mehr trauen, beschwert sich die gepflegte Hanseatin mit den halblangen blonden Haaren. Deshalb: Schluss damit!
"Eine CDU-CSU, die es sich zum Ziel gemacht hat, die FDP runter zu reden, damit sie nicht mehr im Bundestag vertreten ist und damit sie die Wähler übernehmen können – denen muss ich wirklich mal sagen, ob das so richtig ist. Und meine Partei muss sich fragen, ob sie das Spiel noch zwei Jahre mitmacht. Da wäre ich auch wirklich auf der Seite hart, ja. Es kann nicht sein, dass wir noch zwei Jahre von der CDU-CSU geschliffen werden."
Die neueste Sonntagsfrage zeigt: Die FDP im Bund würde kaum über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Während viele die schwindende Wählergunst den Freien Demokraten selbst zuschreiben – und ihren innerparteilichen Querelen -, wiegelt die Hamburger Abgeordnete ab:
"Ich sehe meine Partei durchaus in einer schwierigen Situation. Ich würde aber nicht sagen, dass sie zerrissen ist."
Der Streit zwischen Guido Westerwelle und der jungen aufstrebenden Polit-Boygroup Rösler/ Lindner/ Bahr sei nicht mehr als eine Auseinandersetzung im Zuge eines "natürlichen" Generationswechsels.
"Lassen wir auch mal Zeit Herrn Rösler, um sich zu entwickeln. Denn es ist sehr schwer für Rösler, jetzt den Ablösungsprozess von Westerwelle zu gestalten. Und das muss er – denn er ist nun mal der Nächste in der Generation, der jetzt führt. Und wir sagen ja so schön in Deutschland: Unter einer starken Eiche wächst so schnell kein anderer Baum. Rösler ist ein komplett anderer Baum. Der kann das schaffen, aber der braucht eben auch die Gelegenheit und die mediale Ruhe, sich da gut entwickeln zu können."
Vielleicht kehrt ja viel schneller Ruhe ein, als Sylvia Canel und einige in ihrer Partei sich das wünschen. In zehn Tagen, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin, droht der FDP die nächste Schlappe. Kaum einer glaubt noch an einen Erfolg. Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der Liberalen in Schleswig-Holstein und Mitglied im Bundesvorstand, bringt es für viele auf den Punkt. Es scheint, als habe die FDP momentan "generell verschissen".
"Ich finde, der Meinungsbildungsprozess bezüglich dieser Finanzkrise ist schauerlich. Wir werden überhaupt nicht als Abgeordnete integriert. Der Bürger bekommt keine Ansprache von Angela Merkel. Wir kriegen fertige Anträge, die wir, wenn´s geht, nur noch abnicken sollen. Das geht natürlich nicht."
Einfach abnicken, das ist ihre Sache nicht. Sie findet deutliche Worte. Auch in der eigenen Fraktion nimmt sie selten ein Blatt vor den Mund, wenn ihr etwas nicht passt. Ihr gehen, wie auch einer ganzen Reihe anderer Abgeordneter, die Hilfen für den Euro zu weit. Vor allem dann, wenn die Parlamentarier nicht mitentscheiden sollen:
"Man kann nicht jede Entscheidung durch jedes Parlament jagen. Aber wenn man eine Schuldenwirtschaft jetzt einführen möchte, dann muss ich doch sagen: Oh, Stopp. Das kann nicht sein. Wir sind eine Transferunion in Europa. Das waren wir immer, aber im positiven Sinne. Jetzt wiederum wollen wir aber das System umdrehen. Wir wollen sagen, das politische Versagen einzelner Länder finanzieren wir jetzt gemeinschaftlich, und da soll der deutsche Steuerzahler auch noch den dicksten Brocken mit hineinlegen. Da muss ich als Vertreterin der Bürger sagen: Stopp. Diesen Bürgern verleihe ich damit die Stimme, dass ich dem nicht zustimme."
Bei der Testabstimmung zum Euro-Rettungsschirm EFSF zu Beginn der Woche zeigte sich: Angela Merkel hat Schwarz-Gelb nicht geschlossen hinter sich. Eine Kanzlermehrheit – also ein klares Abstimmungsergebnis für die Hilfsmaßnahme - wird sie vermutlich verfehlen. Eine Vorlage für die Oppositionsparteien, die bereits von vorgezogenen Neuwahlen sprechen. Sylvia Canel lässt sich von einem möglichen Ende der Koalition nicht einschüchtern. Im Gegenteil. Sie war die Erste, die offen über ein Ende von Schwarz-Gelb auf Bundesebene philosophierte. In einem Gespräch mit dem Regionalsender Hamburg 1 erklärte sie bereits Anfang August freimütig zum Ende des Bundesbündnisses:
"Ich finde den Gedanken persönlich sehr sympathisch. Denn ich bin mit manchem recht unglücklich in dieser Koalition."
Sylvia Canel bekommt Zuspruch aus anderen Bundesländern: Zum Beispiel vom Berliner FDP-Spitzenkandidaten Christoph Meyer. Der sieht, besonders nach der kläglichen Niederlage der Liberalen in Mecklenburg-Vorpommern, für seine eigene Wahl in zehn Tagen in Berlin sämtliche freidemokratischen Felle davonschwimmen.
Mit der Zerstrittenheit in der eigenen Partei habe das nichts zu tun, versichern Meyer und Canel einmütig. Vielmehr sei der große Koalitionspartner schuld, dass die Liberalen ihr eigenes Profil nicht schärfen, ihre Errungenschaften nicht genügend kommunizieren könnten. Bestes Beispiel: das ureigene FDP-Thema Steuergerechtigkeit. Das müsse die FDP alleine kommunizieren dürfen, schließlich sei sie damit in den Wahlkampf gezogen. Die Liberalen wollten Ergebnisse sehen. Doch gerade der Unions-Fraktionsvorsitzende mache ihnen einen Strich durch die Rechnung:
"Thema Steuergerechtigkeit: muss der FDP gehören. Und da kann nicht ein Kauder von hinten kommen und sagen: Herr Lehrer, Herr Lehrer, ich weiß was. Ich nenne jetzt schon die Zahlen, die Sie erst im Herbst berechnen wollen. Das ist unanständig. So was tut man einfach nicht."
Da zeigt sich wieder: Politik ist ein schmutziges Geschäft. Unanständig. Ohne Manieren. Das "Pfui" in ihrer Stimme ist nicht zu überhören. Man könne ja niemandem mehr trauen, beschwert sich die gepflegte Hanseatin mit den halblangen blonden Haaren. Deshalb: Schluss damit!
"Eine CDU-CSU, die es sich zum Ziel gemacht hat, die FDP runter zu reden, damit sie nicht mehr im Bundestag vertreten ist und damit sie die Wähler übernehmen können – denen muss ich wirklich mal sagen, ob das so richtig ist. Und meine Partei muss sich fragen, ob sie das Spiel noch zwei Jahre mitmacht. Da wäre ich auch wirklich auf der Seite hart, ja. Es kann nicht sein, dass wir noch zwei Jahre von der CDU-CSU geschliffen werden."
Die neueste Sonntagsfrage zeigt: Die FDP im Bund würde kaum über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Während viele die schwindende Wählergunst den Freien Demokraten selbst zuschreiben – und ihren innerparteilichen Querelen -, wiegelt die Hamburger Abgeordnete ab:
"Ich sehe meine Partei durchaus in einer schwierigen Situation. Ich würde aber nicht sagen, dass sie zerrissen ist."
Der Streit zwischen Guido Westerwelle und der jungen aufstrebenden Polit-Boygroup Rösler/ Lindner/ Bahr sei nicht mehr als eine Auseinandersetzung im Zuge eines "natürlichen" Generationswechsels.
"Lassen wir auch mal Zeit Herrn Rösler, um sich zu entwickeln. Denn es ist sehr schwer für Rösler, jetzt den Ablösungsprozess von Westerwelle zu gestalten. Und das muss er – denn er ist nun mal der Nächste in der Generation, der jetzt führt. Und wir sagen ja so schön in Deutschland: Unter einer starken Eiche wächst so schnell kein anderer Baum. Rösler ist ein komplett anderer Baum. Der kann das schaffen, aber der braucht eben auch die Gelegenheit und die mediale Ruhe, sich da gut entwickeln zu können."
Vielleicht kehrt ja viel schneller Ruhe ein, als Sylvia Canel und einige in ihrer Partei sich das wünschen. In zehn Tagen, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin, droht der FDP die nächste Schlappe. Kaum einer glaubt noch an einen Erfolg. Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der Liberalen in Schleswig-Holstein und Mitglied im Bundesvorstand, bringt es für viele auf den Punkt. Es scheint, als habe die FDP momentan "generell verschissen".