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Die Germanen kommen!

Das Rheinische Landesmuseum in Bonn plant für diesen Sommer eine Ausstellung über die Langobarden. Und gerade ging dort im Landesmuseum eine Tagung über Langobarden zu Ende. Diese Völkerschaft war kräftig beteiligt am Untergang des römischen Reiches. Der Archäologe Michael Schmauder erklärt, woher die Langobarden eigentlich kamen.

Moderation: Beatrix Novy |
    Beatrix Novy: Frage an den teilnehmenden Archäologen Michael Schmauder: Wer waren eigentlich diese Langobarden, die unter ihrem König Alboin aufgebrochen sind nach Italien, um da das Erbe des römischen Reiches anzutreten?

    Michael Schmauder: Die langobardische Geschichte beginnt sehr viel früher. Wir können die Langobarden das erste Mal im ersten Jahrhundert nach Christus an der Niederelbe fassen, da berichten römische Historiker von den Langobarden, und wir können das eben auch mit einer archäologischen Kultur verbinden, die wir dort fassen. Dann bricht das so im zweiten, dritten Jahrhundert ab, und dann tauchen die Langobarden unter diesem Namen eben erst wieder 487/488 in Niederösterreich auf und breiten sich dann von da ausgehend in verschiedenen Eroberungszügen nach Pannonien, also dem heutigen Ungarn. Und dort ist dann eben auch Alboin, der dann 568 beschließt, mit seinen Langobarden nach Italien zu ziehen.

    Novy: Und als die Langobarden dann nach Italien zogen, um dort sozusagen das Erbe des römischen Reiches und der Goten anzutreten, da waren sie aber nicht einfach ein ethnisch reines Volk von Langobarden?

    Schmauder: Nein, gar nicht. Diese Vorstellungen der ethnischen Geschlossenheit von Völkern, das ist eine Vision des 19. Jahrhunderts, die ja zu vielen Konflikten geführt hat. Die Völker des Frühmittelalters sind meistens sehr heterogen. Und wir wissen, dass eben gerade bei den Langobarden, das berichtet uns Paulus Diakonus, der eben die langobardische Geschichte aufgeschrieben hat, dass da Gepiden dabei waren, da waren Sachsen dabei, da waren Sueben dabei. Da waren Romanen eben aus Pannonien dabei, also ein ganz buntes Völkergemisch, das dann unter den Langobarden-Namen eben nach Italien gezogen ist.

    Novy: Und wie wurde das Reich dann erobert?

    Schmauder: Das römische Reich, da gab es ganz wenige byzantinische Besatzungstruppen, die dort standen. Nach dem Goten-Krieg war ja Italien für kurze Zeit byzantinisch geworden, also gehörte zum oströmischen Reich, und diese Garnisonen wurden dann nach und nach von den Langobarden erobert. Es gab zwei länger währende Kampfhandlungen, aber innerhalb weniger Jahre waren dann weite Teile Italiens tatsächlich in langobardischer Hand.

    Novy: Das war also eine Eroberung, die aber dann doch umschlug in eine Vermischung. Mit der Zeit, mit den Jahrhunderten haben sich Langobarden und die vorher da gewesene Bevölkerung vermischt, und so kam das dann zu einem friedlich kulturellen Ende?

    Schmauder: Genau. Es entstand dann quasi so nach und nach das, was wir uns unter den Italienern, der italienischen Nation vorstellen. Man muss sich vorstellen, das sind ja sehr wenige Leute, die dort quasi Italien erobert haben. Man geht davon aus, dass es vielleicht ein Zug zwischen 80.000 und 120.000 Menschen war, und das war natürlich eine verschwindende Minderheit gegenüber der romanischen Bevölkerung, die in Italien lebte. Und es mussten einfach dann Formen über die Jahrhunderte gefunden werden, die ein Zusammenleben ermöglichten. Erst gab es relativ rigide Trennungen, da durfte nicht geheiratet werden und so weiter. Aber das löste sich dann bald schon auf innerhalb von Jahrzehnten, und es kam dann eben schon zu einer Art Vermischung zwischen Romanen und Langobarden.

    Novy: In der Geschichtsforschung wird ja seit Langem, Langem gefragt, was der Untergang des römischen Reiches eigentlich war, was ihn herbeigeführt hat, ob es ein Untergang war oder ob es vielmehr einfach eine Vermischung, sozusagen eine große Migrationsbewegung, die dann in einer Akkulturation endete, gewesen ist. Ist bei Ihrer Tagung das thematisiert worden, beziehungsweise gab es Hinweise darauf, in welche Richtung man da tendieren würde?

    Schmauder: Unmittelbar in der Tagung als Thema ist das nicht aufgegriffen worden, aber man spricht natürlich im Rahmen einer entsprechenden Tagung immer auch über die neuesten Forschungen, die es dazu gibt. Und es gibt im Moment eben die eine Tendenz, die Peter Heather zum Beispiel vertritt, dass eben die Hunnen sehr entscheidend waren für den Niedergang des römischen Reiches. Dann gibt es eine andere große Tendenz, die eben besagt, diese barbarischen Völker, die Germanen, also das, was wir unter den germanischen Völkern heute verstehen, dass die doch wesentlich dazu beigetragen haben. Es gibt andere Vertreter, die glauben, dass es sehr stark auch personenbezogen ist. Also es gibt so verschiedene Tendenzen, wobei man schon sagen kann, der Faktor der in Anführungsstrichen "Barbarisierung" spielt eine ganz entscheidende Rolle. Es sind eben doch zwei unterschiedliche Kulturmodelle, die da aufeinanderprallen beziehungsweise wo einfach das römische Reich seine enorme Integrationskraft dann doch irgendwann überfordert und nicht mehr in der Lage ist, diese ganzen barbarischen Gruppen in das römische Modell zu integrieren.

    Novy: Sodass man von einem Rückfall und einem Absturz einer Hochzivilisation sprechen könnte?

    Schmauder: Ja, es ist eine Form des Niederganges. Es ist sicher nicht der Untergang, wie das zum Beispiel Ward-Perkins auch jetzt jüngst geschrieben hat, also davon, glaube ich, kann man nicht ausgehen, weil sich doch viele Strukturen eben dann in das Frühmittelalter hinüberretten beziehungsweise hinübergeleitet werden. Aber es ist auf jeden Fall ein Niedergang, ein Niedergang vor allem der großen strukturellen Infrastrukturen, die das römische Reich geschaffen hatte, also das Postwesen, das Steuerwesen, die Urbanisierung, also die Städte als die Kristallisationspunkte der mediterranen Kultur, das geht verloren. Schriftlichkeit und all diese Dinge werden sehr stark reduziert. Aber es ist eben nicht ein kompletter Untergang, sondern es ist ein Niedergang und eine Umformung auch, und es wird eben viel der Begriff dieser Transformation verwendet, der sicher auch zu Recht verwendet wird. Also so ein Prozess, der durchaus starke Brüche aufweist, aber eben nicht zu einem gänzlichen Niedergang führt.