Die Schönheits- und Genusssucht, die Franz Schreker vorführt, ist so aktuell wie der Abgrund, der sich unter ihr auftut. Auch heute wird ja in der Regel nicht groß danach gefragt, wie Geld zusammenkam, mit dem bedeutende Kunstsammlungen finanziert werden; der Schweiß und das Blut, die an ihm nicht selten kleben, scheinen abgewaschen durch die Übertragung des Schnöden in die Sphäre des Schönen.
Der Podestà, Carlottas Vater, deutet den fatalen Zusammenhang an bei den Verhandlungen über den Schenkungsvertrag, durch den das aristokratische "Elysium" vor der Küste Genuas aus dem Besitz Alviano Salvagos an die Öffentliche Hand übergehen soll. Dieser Resozialisierung des Reichtums widersetzen sich die Freunde des merkwürdigen Mäzens.
In der Salzburger Festspiel-Inszenierung tun sie es auf dem Bauch einer umgelegten, geborstenen riesigen Frauen-Statue. Diese scheint aus einer früheren Epoche zu stammen, füllt als Torso fast die ganze Breite der Felsenreitschulbühne aus und wurde späteren Bedürfnissen zugänglich gemacht: Treppenstufen wurden in den steinernen Leib geschlagen – vom linken Beckenknochen zum Bauchnabel hinauf. Der Kopf der Riesenfigur wurde vom Rumpf getrennt; die Nase mag nun als Aussichtspunkt dienen. Der linke Arm liegt zertrümmert im Sand, in dem auch die Beine versanken, die Rechte ragt gegen die Felsumgänge.
Raimund Bauers Objekt ist eine Wucht: es zeigt etwas Kolossales, das von Wucht getroffen, geschändet und zerstört wurde und trifft so die Intention von Schrekers Gesamtkunstwerk in dessen gebrochener Historizität und bedrohlicher Brisanz.
Andrea Schmidt-Futterer hat die altgenueser Aristokraten wie die repräsentativen Besitzbürger in Kostüme gesteckt, die an die originalen Illustrationen zu Jules-Verne-Romanen erinnern, also deutlich aus dem Hochmittelalter an die Gegenwart des Dichterkomponisten herangerückt.
Kent Nagano sorgt für eine zunächst sehr gediegen, nicht emphatisch und schon gar nicht inbrünstig wirkende Wiedergabe der Musik, deren Konversationston nicht immer prickelt (allzu deutlich übt sie Abstinenz vom Wiener Charme und Schmäh, dessen Gesten ja in der Partitur raffiniert eingefangen wurden).
Nagano steht ein fulminantes Männerquartett für die Intrige zu Verfügung: Robert Hale als Herzog Adorno mit profundem, erst freundlich gestimmten, dann entschieden zupackenden Baßbariton; Wolfgang Schöne als baßbaritonal besorgter Vater und Podestà. Michael Volle als sonnig-lebenshungriger, selbstgewiss potenz-protzender Graf Tamare, der zum ersten Mal an seine Grenzen stößt; Robert Brubaker schließlich, der in der Höhe leicht gebrochene Heldentenor, beglaubigt den gequälten Alviano, den gequälten Kunstfetischisten wie den egoman Verliebten und den Eifersuchtsmörder. Dieser feinen Männergesellschaft steht Anne Schwanewilms als die herzkrank-sensible und dann doch zu heftiger Lebens- und Liebeslust erwachende Malerin Carlotta entgegen – mit einer über weite Strecken keusch wirkenden, erst im großen Begehren des letzten Akts ganz aufblühender Stimme, deren Reichweite Naganos flexible Begleitung Rechnung trägt.
Indem er das in den Staub der Zerstörung gefallene archaische Standbild bespielt, verzichtet Nikolaus Lehnhoff auf die Ortswechsel, die Schreker vorgesehen hatte; insbesondere auf das Innenleben von Carlottas Atelier, in dem diese Alvianos Seele als Bild einzufangen sucht (und doch mit dem Willen zur großen Seeelenliebe einem Trugschluß aufsitzt).
Nachdem sie die Seele gebannt hat, reizen sie auch Körper und sie lässt sich in der Ambivalenz von Ablehnung und Begehren auf den Verführer Tamare ein, was ihr krankes Herz allerdings nicht überlebt. Aber auch der Triumphierende nicht: Alviano erschießt ihn in rasender Eifersucht und verfällt in Wahnsinn. Der Frauenleib hatte sich geöffnet und den Blick auf die Lusthöhle freigegeben: Lehnhoff zeigte ihn als Bunker von Kinderschändern mit sehr jungen Mädchen, nackt und an die Wand gefesselt. Da spätestens war die Brisanz dieser Schreker-Produktion wohl allgemein klar und auch die Distinguiertheit, mit welcher der Regisseur sich auf die heikelsten Zonen eingelassen hatte, in denen das Schöne und das Häßliche ebenso wie Gut und Böse ihre Konturen verlieren.
Der Podestà, Carlottas Vater, deutet den fatalen Zusammenhang an bei den Verhandlungen über den Schenkungsvertrag, durch den das aristokratische "Elysium" vor der Küste Genuas aus dem Besitz Alviano Salvagos an die Öffentliche Hand übergehen soll. Dieser Resozialisierung des Reichtums widersetzen sich die Freunde des merkwürdigen Mäzens.
In der Salzburger Festspiel-Inszenierung tun sie es auf dem Bauch einer umgelegten, geborstenen riesigen Frauen-Statue. Diese scheint aus einer früheren Epoche zu stammen, füllt als Torso fast die ganze Breite der Felsenreitschulbühne aus und wurde späteren Bedürfnissen zugänglich gemacht: Treppenstufen wurden in den steinernen Leib geschlagen – vom linken Beckenknochen zum Bauchnabel hinauf. Der Kopf der Riesenfigur wurde vom Rumpf getrennt; die Nase mag nun als Aussichtspunkt dienen. Der linke Arm liegt zertrümmert im Sand, in dem auch die Beine versanken, die Rechte ragt gegen die Felsumgänge.
Raimund Bauers Objekt ist eine Wucht: es zeigt etwas Kolossales, das von Wucht getroffen, geschändet und zerstört wurde und trifft so die Intention von Schrekers Gesamtkunstwerk in dessen gebrochener Historizität und bedrohlicher Brisanz.
Andrea Schmidt-Futterer hat die altgenueser Aristokraten wie die repräsentativen Besitzbürger in Kostüme gesteckt, die an die originalen Illustrationen zu Jules-Verne-Romanen erinnern, also deutlich aus dem Hochmittelalter an die Gegenwart des Dichterkomponisten herangerückt.
Kent Nagano sorgt für eine zunächst sehr gediegen, nicht emphatisch und schon gar nicht inbrünstig wirkende Wiedergabe der Musik, deren Konversationston nicht immer prickelt (allzu deutlich übt sie Abstinenz vom Wiener Charme und Schmäh, dessen Gesten ja in der Partitur raffiniert eingefangen wurden).
Nagano steht ein fulminantes Männerquartett für die Intrige zu Verfügung: Robert Hale als Herzog Adorno mit profundem, erst freundlich gestimmten, dann entschieden zupackenden Baßbariton; Wolfgang Schöne als baßbaritonal besorgter Vater und Podestà. Michael Volle als sonnig-lebenshungriger, selbstgewiss potenz-protzender Graf Tamare, der zum ersten Mal an seine Grenzen stößt; Robert Brubaker schließlich, der in der Höhe leicht gebrochene Heldentenor, beglaubigt den gequälten Alviano, den gequälten Kunstfetischisten wie den egoman Verliebten und den Eifersuchtsmörder. Dieser feinen Männergesellschaft steht Anne Schwanewilms als die herzkrank-sensible und dann doch zu heftiger Lebens- und Liebeslust erwachende Malerin Carlotta entgegen – mit einer über weite Strecken keusch wirkenden, erst im großen Begehren des letzten Akts ganz aufblühender Stimme, deren Reichweite Naganos flexible Begleitung Rechnung trägt.
Indem er das in den Staub der Zerstörung gefallene archaische Standbild bespielt, verzichtet Nikolaus Lehnhoff auf die Ortswechsel, die Schreker vorgesehen hatte; insbesondere auf das Innenleben von Carlottas Atelier, in dem diese Alvianos Seele als Bild einzufangen sucht (und doch mit dem Willen zur großen Seeelenliebe einem Trugschluß aufsitzt).
Nachdem sie die Seele gebannt hat, reizen sie auch Körper und sie lässt sich in der Ambivalenz von Ablehnung und Begehren auf den Verführer Tamare ein, was ihr krankes Herz allerdings nicht überlebt. Aber auch der Triumphierende nicht: Alviano erschießt ihn in rasender Eifersucht und verfällt in Wahnsinn. Der Frauenleib hatte sich geöffnet und den Blick auf die Lusthöhle freigegeben: Lehnhoff zeigte ihn als Bunker von Kinderschändern mit sehr jungen Mädchen, nackt und an die Wand gefesselt. Da spätestens war die Brisanz dieser Schreker-Produktion wohl allgemein klar und auch die Distinguiertheit, mit welcher der Regisseur sich auf die heikelsten Zonen eingelassen hatte, in denen das Schöne und das Häßliche ebenso wie Gut und Böse ihre Konturen verlieren.