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Die goldene Gans

Krauthausen, ein kleiner Ort in Thüringen, hat gut gewirtschaftet und auch für die Zukunft vorgesorgt. Sein Problem sind die Probleme der anderen, denn in Thüringen soll es eine Gebietsreform geben. Gemeinden müssen sich zusammenschließen, um zu sparen. Und alle wollen Krauthausen. Dort ist man wenig begeistert.

Von Blanka Weber | 02.12.2010
    "Am Anfang war eine meiner ersten Amtshandlungen, die Straßenbeleuchtung abzustellen, weil wir sie nicht bezahlen konnten."

    Werner Nowatzki ist heute in Rente, vor 20 Jahre war er Bürgermeister von Krauthausen:

    "Wir hatten keinen Saal, keine Einkaufsfläche, Sportplatz und Freiflächen waren weg. Der Kinderspielplatz war weg, sodass wir eigentlich nach der Wende von null angefangen haben."

    20 Jahre später ist das kleine Krauthausen, zehn Kilometer von Eisenach gelegen, ein Schmuckstück und Werner Nowatzki zufrieden. Es gibt hier alles, was ein Bürger braucht, um gut zu leben:

    "Wir haben zwischenzeitlich in unserer Region 20 Vereine. Wir haben einen Kindergarten gebaut, die 70 Plätze sind belegt. Jedes neu geborene Kind bekommt zudem von uns 500 Euro geschenkt."

    Die Eltern wissen das zu schätzen, ebenso, wie den hellen, modernen Kindergarten. Draußen sind Bänke und Rutschen zum Teil überdacht, um Sonne und Regen zu trotzen. Ein kluges Konzept. Hinter dem Spielplatz Wiesen und Wald, jede Menge Platz, Ruhe und Idylle. Der Bürgermeister und seine Mitstreiter haben in der Krise das Konjunkturpaket genutzt:

    Frank Mönke: "Dadurch haben wir den Kinderspielplatz so erweitern können, dass er ne Pracht ist!"

    Dafür, dass die Kinder beim Spielen auch gut betreut sind, müssen die Krauthäuser allerdings tief in die Tasche greifen. Das neue KiTa-Gesetz des Landes besagt: Mehr Personal für kleinere Gruppen. Das Land zahlt die Kosten. Doch bei finanziell gut aufgestellten Kommunen, wie Krauthausen, kommt davon nicht viel an, klagt der Bürgermeister:

    "Wir legen momentan jeden Monat 7.000 Euro drauf, nur für die neu eingestellten Erzieherinnen. Und die Stunden sind für die anderen Erzieherinnen auch aufgestockt worden."

    7.000 Euro mehr pro Monat sind keine Kleinigkeit. Doch: Krauthausen hat das Wirtschaften gelernt, seit Jahren Rücklagen gebildet und ist so auch durch die Wirtschaftskrise gekommen. Auch das Gewerbegebiet ist gut belegt. Firmen wie BMW und Mitec – ein Autozulieferer – bieten Jobs, aber auch Hilfe und Sponsoring für den Ort. Mit starken Firmen und guten Beratern – damit hat es die 1.700 Einwohner-Gemeinde zum Erfolg geschafft, wie kaum eine andere in Thüringen:

    Frank Mönke: "Dass wir seit Jahren nicht von Landeszuweisungen abhängig waren. Da können wir doch stolz sein!"

    Das sind sie auch, die Krauthäuser, die seit einer kleinen Gebietsreform noch zwei Ortsteile dazu bekommen haben und 700 Einwohner. Klug planen und gut wirtschaften – so das Credo des alten Bürgermeisters, damit sich Gewerbe, Gemeinde und die Menschen wohlfühlen:

    "Da sind neue Wohnflächen entstanden, damit wir auch ordentliche Bauplätze bereitstellen konnten."
    Stolz zeigt Werner Nowatzki die Wohnsiedlungen. Ein Viertel kostet die Baufläche hier im Vergleich zu den großen Städten. Auch Frank Mönke zog einst von der Stadt aufs Land. Er ist Familienvater, Freiberufler und nun ehrenamtlicher Bürgermeister in Krauthausen. Einem Ort, der sich das Wohl seiner Bürger etwas kosten lässt: Sportplätze, Badeteich, drei Jugendclubs und der umgebaute Gutshof:

    Frank Mönke: "Das ist das alte Bauerngut, das haben wir gekauft und von Grund auf saniert. Wir haben darüber altersgerechte Wohnungen eingerichtet."

    An Jung und Alt ist gedacht im Ort, an Kirmes, Feuerwehr und Vereine. Und weil alles so reibungslos zu funktionieren scheint, beginnt nun das Tauziehen um die kleine Kommune. Jeder will sie haben im Falle einer Gebietsreform – und die hat das Land schon verordnet.

    Frank Mönke: "Wir sind an dem Punkt angelangt, wo es um's Geld geht. Und wenn Vater Staat kein Geld hat, wird er sehen, wo er spart. Und er spart von unten nach oben. Und da müssen natürlich die kleinen Kommunen zuerst herhalten."

    Frank Mönke möchte die Pfründe verteidigen. Doch das wird schwer. Krauthausen wird künftig nicht mehr eigenständig sein und stattdessen mit Creuzburg oder dem hoch verschuldeten Eisenach zusammengehen müssen. Die Krauthäuser sprechen von unfreiwilliger Übernahme, begeistert ist hier niemand:

    Frank Mönke: "Also jede Veränderung, die uns betrifft, egal wie, wird der Bürger in Krauthausen zu spüren kriegen."


    Mönke mag gar nicht daran denken. Was wird aus dem Gewerbegebiet, aus den Ansiedlungen, wenn die Unternehmen plötzlich höhere Gewerbesteuern zahlen müssen? Wer sponsert dann künftig gerne und auch genug? Wer erhält den mühsam angelegten Badeteich, die Sportplätze und die drei Jugendclubs. Was wird aus den Vereinen und den Kirmesfesten, wenn keine starke Kommune hier finanziell den Rücken stärkt? Noch gibt es Reserven, trotz überstandener Wirtschaftskrise und gesunkener Einnahmen.
    Doch im Falle einer Zusammenlegung – mit wem auch immer – wäre das kleine Krauthausen hintenan und die Reserven würden schwinden, fürchtet Mönke:

    "Wenn man sagt, man fördert die Vereine, dann geht das nur mit Rücklagen. Die fallen nicht vom Himmel, die muss man erwirtschaften. Wenn jetzt manche sagen, die haben zu viel, dann wird man es uns wegnehmen wollen. Das ist einfach so."

    Aufgeben wollen sie nicht, die Krauthäuser. Doch was sollen sie tun? Jetzt ist kluge Strategie gefragt, sagt Bürgermeister Mönke. Sonst sind Kita-Plätze für 55 Euro im Monat, gut erhaltene Straßen und erschlossene Bauareale Geschichte von gestern, ebenso wie investitionsfreudige Unternehmer. Und dann wäre es vorbei mit dem Erfolgsmodell Krauthausen.