Michael Köhler: Das ist doch auch nur ein Mythos, nur ein anderer. Eine Erzählung, die der Überprüfung durch Dritte, der Wiederholung im Labor und der Objektivität so lange standhält, bis sich was anderes herausstellt. Insofern entging am Anfang der Wissenschaft der tragischen Magd, die über den ersten Philosophen, den ersten Wissenschaftler des Kosmos, über Thales von Milet so herzhaft lachte, als der in den Brunnen fiel, jener Realismus, mit dem Thales eine Sonnenfinsternis und eine Flut vorausberechnete. Wer die Sterne anschaut, muss also kein weltvergessener Sternengucker sein. Von der Rückkehr der Religionen ist ja seit längerem die Rede. Das lässt auch den Buchmarkt nicht unbeeindruckt. Im Mittelpunkt des neuen Verlages der Weltreligionen, um den es jetzt geht, eine Gründung des Insel- und Suhrkamp-Verlages, da stehen die großen Editionen der Schriften der Weltreligionen mit ihren wissenschaftlichen Kommentaren, und das ist wichtig, so heißt es im Ankündigungstext. Deshalb die Frage an den Verlagsleiter Hans-Joachim Simm: Sind Sie unter die Missionare gegangen?
Hans-Joachim Simm: Genau das sind wir nicht. Wir bringen keine Bekenntnisschriften raus, Sie haben selbst schon auf den Stellenwert der Kommentare bei den Editionen hingewiesen, genau diese Kommentare zeigen, dass wir philologisch arbeiten. Wir wollen die Texte zur Verfügung stellen und wollen die Texte erschließen. Wir wollen keine Überzeugungs-, keine Bekehrungsarbeit leisten.
Köhler: Herr Simm, was ist der leitende Gedanke für so eine Edition, denn es ist ja nicht so, als könnte man die Texte nicht auch woanders bekommen?
Simm: Der leitende Gedanke ist der Aspekt der Interreligiosität. Es gibt sicher, und wir wollen auch den traditionellen Verlagen keine Konkurrenz machen, es gibt sehr, sehr wichtige, bedeutende Editionen in den traditionellen Verlagen, ob das Mohr Siebeck ist, Vandenhoeck & Ruprecht, der Herder-Verlag und der Beck-Verlag und viele andere. Was wir versuchen, ist eine Zusammenschau, die es in dieser Form nicht gibt, und der leitende Gedanke hinter dem Versuch der Zusammenschau ist, dass wir sowohl die Unterschiede zunächst einmal der Religionen kennen lernen müssen, um dann auch die Gemeinsamkeiten entdecken zu können.
Köhler: Dass dahinter so eine Art theologischer Patchwork-Pop bei rauskommt, fürchten Sie nicht, dass man sich da so bedient, irgendwie?
Simm: Nein, das hoffen wir nicht. Ich meine, es wird nicht jeder die gesamte Reihe erwerben wollen. Es wird mancher sich für manches nur interessieren, aber das Angebot soll das Ganze, das Ganze ist auch natürlich relativ, enthalten.
Köhler: Schriften zum indischen Vedismus, zum Hinduismus, zum Buddhismus finde ich bei Ihnen. Was kommt als nächstes, Schriften zum Vegetarismus?
Simm: Nein, nein. Die -ismen sind nun leider mal da und die können wir auch nicht in Titeln wegformulieren. Es kommen Schriften zum Judentum, zum Christentum, zum Islam, es kommen Schriften zur Bahai-Religion, die ja wirklich eine ernstzunehmende Weltreligion geworden ist, es kommen aber auch Schriften zu antiken, großen, wenn man so will, Weltreligionen wie beispielsweise zur ägyptischen Religion. Also, der –ismus ist nicht ganz vermeidbar, aber er steht nicht im Vordergrund.
Köhler: Herr Simm, eine Edition der Religionen müsste konsequenterweise auch die Frage nach den Nichtreligionen oder den Religionsfeinden einschließen. Tun sie das?
Simm: Das tun wir ganz entschieden, indem wir gerade in dem Essaybereich, in dem Bereich der Essaybücher, durchaus auch sehr religionskritische Schriften, auch fast atheistische Schriften aufnehmen. Wir werden im nächsten Programm ein Buch von Daniel Dennett bringen, der die pragmatische These von William James verschärft zu der Frage: Ja, was soll Religion? Religion ist eine sinnvolle, eine zweckmäßige Erfindung der Gesellschaft zur Stabilisierung der Gesellschaft.
Köhler: Verlieren Sie doch bitte ein Wort zur Konzeption. Es liegen bislang sechs Editionen vor, eine ganze Reihe von Einführungen und dann wird es begleitend eine ganze Reihe von Schriften geben, so wie man sie bisher auch schon aus dem Suhrkamp-Programm kennt, beispielsweise von den Hausautoren Peter Sloterdijk, Ulrich Beck und anderen.
Simm: Ja. Diese sozusagen Reihenkombination ist uns sehr wichtig. Wie gesagt, einmal haben wir die Editionen, das ist das Kernstück mit den Kommentaren, dann haben wir Einführungsbände, die gibt es anderswo auch, vielleicht nicht in dieser Form, man wird das sehen, wenn die ersten Bände vorliegen. Ganz entscheidend sind die Essay- und Studienbände, und Sie haben Sloterdijk und andere schon genannt, da werden ganz aktuelle Themen verhandelt. Der Kampf der drei Monotheismen, der uns ja nun wirklich erstaunlicherweise, obwohl es alles, ich würde sagen, gleiche Ursprungsreligionen sind, beschäftigt, das ist der amerikanische Fundamentalismus, von dem man immer noch relativ wenig weiß – wenn man von Fundamentalismus spricht, denkt man meist an den Islam –, das ist ein Band über Gotteslästerung, ein aktuelles Thema, Theo van Gogh Stichwort und anderes, Karikaturenstreit.
Köhler: Der Suhrkamp-Verlag als Mutterhaus quasi oder Mutterverlag ist bekannt als intellektuelles Musterhaus der Bundesrepublik geradezu, und ich muss jetzt nicht fürchten, dass Sie zu, um es polemisch zu sagen, so wie es Nietzsche Wagner vorwirft, dass Sie jetzt zu Kreuze gekrochen sind?
Simm: Nein, ganz gewiss nicht. Es geht uns wirklich darum, und so zeigt es oder soll es zeigen auch der Almanach, den wir zur Eröffnung des Religionsverlags herausgebracht haben, dass wir sozusagen die rationalistische, rationale Diskurstheorie ergänzen wollen, und sie wird nicht nur von uns als ergänzungsbedürftig bezeichnet, und dass wir in einer postsäkularen Gesellschaft durchaus das Rad der Aufklärung weiter drehen wollen, also, nicht hinter die Aufklärung zurückfallen wollen.
Köhler: Ich habe mich, als ich von Ihrer Reihe hörte, erinnert gefühlt an eine berühmte Schrift, eine Gründungsschrift des Philosophen und Psychologen William James, ich glaube, es war 1901, 02, 03 irgendwann. In seinem Buch über den Pragmatismus sagt er gleich auf der ersten Seite: Wichtiger noch für einen Vermieter ist es nicht zu wissen, ob sein künftiger Mieter zahlen kann, ob er solvent ist, ob er liquide ist, sondern wichtiger noch sei es zu wissen, woran er glaubt.
Simm: Das ist ein sehr schöner Satz.
Köhler: Passt das sozusagen als Motto über die Idee dieser Reihe, denn es wundert Sie nicht, dass uns das wundert, dass Sie mit so einer Reihe herauskommen?
Simm: Nein, das wundert mich nicht, dass Sie das wundert. Dieser Satz kann durchaus in gewisser Weise ein Motto sein. William James ist ja auch im Insel Verlag erschienen mit einem Vorwort von Peter Sloterdijk, und es gibt im Religionsverlag eine weitere Buchgruppe, das sind Taschenbuchausgaben. Da werden diese Texte, die bei Suhrkamp, Insel, Deutscher Klassikerverlag, im Jüdischen Verlag, erschienen sind, sukzessive dann auch in das Taschenbuchprogramm des neuen Religionsverlages übernommen. Ich darf vielleicht noch eins anfügen: Gelegentlich bin ich gefragt worden, warum ein neuer Verlag nötig sei und ob man nicht, wenn man schon sozusagen das Rad der Aufklärung weiterdrehen will, es auch in den Suhrkamp-Verlag hätte andocken können oder an den Insel Verlag, der ja nun 100 Jahre Tradition, auch Gutenberg-Bibel und so weiter, von Religionsbüchern hat. Eine Reihe zu machen wäre deswegen schwierig, weil wo sollte man sie ansiedeln? Wäre man im Insel Verlag, hätte man eine bestimmte Ausrichtung, im Suhrkamp-Verlag ebenfalls. Es schien uns richtig, einen eigenen Verlag zu machen, um auch die Unabhängigkeit, sozusagen das programmatisch Übergreifende dieser Gesamtthematik zu zeigen.
Köhler: Hans-Joachim Simm, Leiter des Verlags der Weltreligionen, zu seiner neuen Edition war das.
Hans-Joachim Simm: Genau das sind wir nicht. Wir bringen keine Bekenntnisschriften raus, Sie haben selbst schon auf den Stellenwert der Kommentare bei den Editionen hingewiesen, genau diese Kommentare zeigen, dass wir philologisch arbeiten. Wir wollen die Texte zur Verfügung stellen und wollen die Texte erschließen. Wir wollen keine Überzeugungs-, keine Bekehrungsarbeit leisten.
Köhler: Herr Simm, was ist der leitende Gedanke für so eine Edition, denn es ist ja nicht so, als könnte man die Texte nicht auch woanders bekommen?
Simm: Der leitende Gedanke ist der Aspekt der Interreligiosität. Es gibt sicher, und wir wollen auch den traditionellen Verlagen keine Konkurrenz machen, es gibt sehr, sehr wichtige, bedeutende Editionen in den traditionellen Verlagen, ob das Mohr Siebeck ist, Vandenhoeck & Ruprecht, der Herder-Verlag und der Beck-Verlag und viele andere. Was wir versuchen, ist eine Zusammenschau, die es in dieser Form nicht gibt, und der leitende Gedanke hinter dem Versuch der Zusammenschau ist, dass wir sowohl die Unterschiede zunächst einmal der Religionen kennen lernen müssen, um dann auch die Gemeinsamkeiten entdecken zu können.
Köhler: Dass dahinter so eine Art theologischer Patchwork-Pop bei rauskommt, fürchten Sie nicht, dass man sich da so bedient, irgendwie?
Simm: Nein, das hoffen wir nicht. Ich meine, es wird nicht jeder die gesamte Reihe erwerben wollen. Es wird mancher sich für manches nur interessieren, aber das Angebot soll das Ganze, das Ganze ist auch natürlich relativ, enthalten.
Köhler: Schriften zum indischen Vedismus, zum Hinduismus, zum Buddhismus finde ich bei Ihnen. Was kommt als nächstes, Schriften zum Vegetarismus?
Simm: Nein, nein. Die -ismen sind nun leider mal da und die können wir auch nicht in Titeln wegformulieren. Es kommen Schriften zum Judentum, zum Christentum, zum Islam, es kommen Schriften zur Bahai-Religion, die ja wirklich eine ernstzunehmende Weltreligion geworden ist, es kommen aber auch Schriften zu antiken, großen, wenn man so will, Weltreligionen wie beispielsweise zur ägyptischen Religion. Also, der –ismus ist nicht ganz vermeidbar, aber er steht nicht im Vordergrund.
Köhler: Herr Simm, eine Edition der Religionen müsste konsequenterweise auch die Frage nach den Nichtreligionen oder den Religionsfeinden einschließen. Tun sie das?
Simm: Das tun wir ganz entschieden, indem wir gerade in dem Essaybereich, in dem Bereich der Essaybücher, durchaus auch sehr religionskritische Schriften, auch fast atheistische Schriften aufnehmen. Wir werden im nächsten Programm ein Buch von Daniel Dennett bringen, der die pragmatische These von William James verschärft zu der Frage: Ja, was soll Religion? Religion ist eine sinnvolle, eine zweckmäßige Erfindung der Gesellschaft zur Stabilisierung der Gesellschaft.
Köhler: Verlieren Sie doch bitte ein Wort zur Konzeption. Es liegen bislang sechs Editionen vor, eine ganze Reihe von Einführungen und dann wird es begleitend eine ganze Reihe von Schriften geben, so wie man sie bisher auch schon aus dem Suhrkamp-Programm kennt, beispielsweise von den Hausautoren Peter Sloterdijk, Ulrich Beck und anderen.
Simm: Ja. Diese sozusagen Reihenkombination ist uns sehr wichtig. Wie gesagt, einmal haben wir die Editionen, das ist das Kernstück mit den Kommentaren, dann haben wir Einführungsbände, die gibt es anderswo auch, vielleicht nicht in dieser Form, man wird das sehen, wenn die ersten Bände vorliegen. Ganz entscheidend sind die Essay- und Studienbände, und Sie haben Sloterdijk und andere schon genannt, da werden ganz aktuelle Themen verhandelt. Der Kampf der drei Monotheismen, der uns ja nun wirklich erstaunlicherweise, obwohl es alles, ich würde sagen, gleiche Ursprungsreligionen sind, beschäftigt, das ist der amerikanische Fundamentalismus, von dem man immer noch relativ wenig weiß – wenn man von Fundamentalismus spricht, denkt man meist an den Islam –, das ist ein Band über Gotteslästerung, ein aktuelles Thema, Theo van Gogh Stichwort und anderes, Karikaturenstreit.
Köhler: Der Suhrkamp-Verlag als Mutterhaus quasi oder Mutterverlag ist bekannt als intellektuelles Musterhaus der Bundesrepublik geradezu, und ich muss jetzt nicht fürchten, dass Sie zu, um es polemisch zu sagen, so wie es Nietzsche Wagner vorwirft, dass Sie jetzt zu Kreuze gekrochen sind?
Simm: Nein, ganz gewiss nicht. Es geht uns wirklich darum, und so zeigt es oder soll es zeigen auch der Almanach, den wir zur Eröffnung des Religionsverlags herausgebracht haben, dass wir sozusagen die rationalistische, rationale Diskurstheorie ergänzen wollen, und sie wird nicht nur von uns als ergänzungsbedürftig bezeichnet, und dass wir in einer postsäkularen Gesellschaft durchaus das Rad der Aufklärung weiter drehen wollen, also, nicht hinter die Aufklärung zurückfallen wollen.
Köhler: Ich habe mich, als ich von Ihrer Reihe hörte, erinnert gefühlt an eine berühmte Schrift, eine Gründungsschrift des Philosophen und Psychologen William James, ich glaube, es war 1901, 02, 03 irgendwann. In seinem Buch über den Pragmatismus sagt er gleich auf der ersten Seite: Wichtiger noch für einen Vermieter ist es nicht zu wissen, ob sein künftiger Mieter zahlen kann, ob er solvent ist, ob er liquide ist, sondern wichtiger noch sei es zu wissen, woran er glaubt.
Simm: Das ist ein sehr schöner Satz.
Köhler: Passt das sozusagen als Motto über die Idee dieser Reihe, denn es wundert Sie nicht, dass uns das wundert, dass Sie mit so einer Reihe herauskommen?
Simm: Nein, das wundert mich nicht, dass Sie das wundert. Dieser Satz kann durchaus in gewisser Weise ein Motto sein. William James ist ja auch im Insel Verlag erschienen mit einem Vorwort von Peter Sloterdijk, und es gibt im Religionsverlag eine weitere Buchgruppe, das sind Taschenbuchausgaben. Da werden diese Texte, die bei Suhrkamp, Insel, Deutscher Klassikerverlag, im Jüdischen Verlag, erschienen sind, sukzessive dann auch in das Taschenbuchprogramm des neuen Religionsverlages übernommen. Ich darf vielleicht noch eins anfügen: Gelegentlich bin ich gefragt worden, warum ein neuer Verlag nötig sei und ob man nicht, wenn man schon sozusagen das Rad der Aufklärung weiterdrehen will, es auch in den Suhrkamp-Verlag hätte andocken können oder an den Insel Verlag, der ja nun 100 Jahre Tradition, auch Gutenberg-Bibel und so weiter, von Religionsbüchern hat. Eine Reihe zu machen wäre deswegen schwierig, weil wo sollte man sie ansiedeln? Wäre man im Insel Verlag, hätte man eine bestimmte Ausrichtung, im Suhrkamp-Verlag ebenfalls. Es schien uns richtig, einen eigenen Verlag zu machen, um auch die Unabhängigkeit, sozusagen das programmatisch Übergreifende dieser Gesamtthematik zu zeigen.
Köhler: Hans-Joachim Simm, Leiter des Verlags der Weltreligionen, zu seiner neuen Edition war das.