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Die Gralshüter des Afrobeat

Die New Yorker Band Antibalas - spanisch für "kugelsicher" - huldigt mit bis zu 15 Musikern ihrem Idol Fela Kuti, dem Begründer des Afrobeat. Auch auf ihrer neuen Platte, der ersten seit fünf Jahren, geht es wieder polyrhythmisch zur Sache - Musik, die in Trance versetzen kann.

Von Jumoke Olusanmi | 11.08.2012
    "Avantgardistische Improvisationsmusiker, Leute mit klassischer Ausbildung, Rock n´ Roller, Punks, lateinamerikanische Musikanten – alle kommen nach New York! Und dieses breite musikalische Spektrum ist auch in der Band Antibalas vertreten."

    Bevor Jordan McLean sich Antibalas anschloss, hatte der hochgewachsene und schlaksige Trompeter neben seinem klassischen Kompositionsstudium sich bisher nur mit Jazz befasst.

    "Rhythmus ist die Grundlage unserer Musik. Wenn man das rhythmische Prinzip versteht, dann ist es fast egal, wie gut man sein Instrument beherrscht oder aus welcher musikalischen Tradition man kommt. Das Wichtigste ist, dass man seine Gitarre oder Trompete wie ein Schlagzeug spielen kann."

    Komplexe Arrangements von Orgel, Keyboard und Gitarre treffen bei der Gruppe Antibalas auf traditionelle westafrikanische Polyrhythmen und mächtige Bläsersätze.
    Die New Yorker Band hat gerade ihr fünftes Album veröffentlicht – es heißt wie die Gruppe selbst: Antibalas. In den nur sechs Stücken auf der Platte, die dafür aber bis zu acht Minuten lang sind, stehen lange tranceartige Instrumentalpassagen neben dem kehligen Sprechgesang des Sängers Amayo. Oft im Dialog mit einem Frauenchor singt der Nigerianer in der westafrikanischen Sprache Yoruba und auf Pidgin-English – einer Mischung aus vereinfachtem Englisch und Wortbrocken verschiedener westafrikanischer Sprachen.

    Der Song Ratcatcher – "Rattenfänger" – handelt von Missständen wie materieller Gier, Korruption und Kriminalität. Es bleibt aber offen, ob mit Ratcatcher US-amerikanische oder nigerianische Krisen thematisiert werden.

    "Manche unserer Bandmitglieder sind sehr engagiert. Man muss nicht zwingend ein politischer Visionär sein, um Afrobeat zu machen. Ich bin aber überzeugt, dass eine Botschaft, ein Anliegen der Musik zusätzlich Ausdruckskraft verleiht."
    Das Genre Afrobeat geht zurück auf den Sänger, Saxophonisten und Menschenrechts-Aktivisten Fela Anikulapo Kuti. Zusammen mit dem Schlagzeuger Tony Allen begründete Kuti in den 70er Jahren die Musikrichtung Afrobeat. Dafür fusionierte Fela Elemente aus der westafrikanischen Highlife-Musik mit dem amerikanischen Funk. Musik war für den Nigerianer immer auch Vehikel ethnische Konflikte, Missmanagement und Korruption in den postkolonialen afrikanischen Ländern anzuprangern.

    Seit Fela Kutis Tod 1997 befassen sich Antibalas mit dem musikalischen Erbe ihres Vorbilds. Hier eine Aufnahme von Fela und seiner Band Africa 70 aus dem Jahr 1971.

    "Als ich Felas Musik zum ersten Mal hörte, konnte ich nicht aufhören, dazu zu tanzen. Ich hatte noch nie solche Musik gehört! Als ob James Brown und Duke Ellington gleichzeitig Musik machten."

    Über 15 Jahre ist es her, dass die Musik von Fela Kuti das Leben von Jordan McLean über Nacht verändern sollte. Aber nicht nur für die Musiker von Antibalas war Fela ein wichtiger musikalischer Einfluss.

    "Fela war nach New York gekommen und hier ein paar Konzerte gegeben und hat sicher einen Einfluss auf David Byrne und vor allem die Talking Heads gemacht."

    Schon 1980 nahm die Gruppe Talking Heads um den Musiker David Byrne das Album Remain In Light auf. Wichtiger Einfluss: Fela Kutis' Afrobeat-Konzerte in New York City. Anders als die Talking Heads, die sich damals der Musik Kutis bedienten, um etwas Neues zu schaffen, sind Antibalas an der Erforschung und dem Erhalt der musikalischen Strukturen des Afrobeats interessiert.

    Die beinahe pflichtbewusste und unermüdliche kollektive Auseinandersetzung mit Felas Musik hat Antibalas inzwischen selbst zu Vorbildern für eine jüngere Generation von New Yorker Bands gemacht. Auch selbst bei solchen Gruppen, denen man das Interesse für traditionelle afrikanische Musik nicht unbedingt sofort anhört.

    "Afrobeat ist rhythmische Tanz-Musik, die in Trance versetzt. Genau wie Techno und House. Jeder der nicht weiß, dass die Wurzeln westlicher Clubmusik in Afrika liegen, kennt nur die halbe Wahrheit. Es ist nur logisch, dass sich junge Bands heute mit den musikalischen Strukturen des Afrobeats befassen, wenn sie künstlerisch weiterkommen wollen. Schließlich verdanken wir hier unsere Dance- und Popmusik Mutter Afrika!"