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Die größte Ölpest Europas

Mit etwas Glück gehört der Havarist zu dem einen Drittel der Tanker, die mit doppelter Bordwand auf den Weltmeeren unterwegs sind – erst 2015 muss der letzte einwandige Tanker verschrottet werden. Das gilt als ein großer Fortschritt – aber es besteht die Gefahr, ein anderes großes Risiko darüber zu vergessen: Die Besatzungen der Tanker. Ein ZDF-Reporter konnte vor zwei Jahren den verzweifelten Kapitän eines zypriotischen Zuckerfrachters belauschen, der kurz zuvor in der Ostsee mit einem Tanker zusammengestoßen war:

Von Renate Ell |
    Ich sag’: Die Leinen einholen, nicht das, das ist die Spring! Officer, warum lösen Sie die Spring, ich sage: Die Leinen einholen, warum lösen Sie dann die Spring? Warum folgen Sie nicht meinen Befehlen?

    Nach den Regeln der internationalen Schifffahrts-Organisation IMO müssen sich alle Seeleute auf Englisch verständigen können, wie in der Luftfahrt. Die Realität ist anders. Auch das ist ein Problem, wenn ein Schiff in Seenot abgeschleppt werden soll. Aber es hapert nicht nur am Englisch, weiß Jörg Feddern von Greenpeace:

    Ich habe es selber erlebt und ich habe einen Bruder, der ist 10 Jahre als Ingenieur zu See gefahren, dass Schiffe auf den Notfrequenzen tatsächlich andere Schiffe gefragt haben, wo der Eingang zum Suez-Kanal ist. Weil sie einfach überhaupt nicht die Seekarten lesen konnten. Und das sind keine kleinen Frachter, sondern riesengroße Containerschiffe, die genau so fahren, auf den Weltmeeren. Die IMO setzt Standards fest, diese Standards sind relativ hoch. Nur müssen sie auch umgesetzt werden, und so lange es möglich ist, dass man in den asiatischen Ländern sich Patente kaufen kann, dann nützt das alles nichts.

    Kaum besser als die Ausbildung der Seeleute wird der Zustand der Schiffe überwacht. Die so genannten Hafenstaatkontrollen sollen 25 Prozent der Schiffe erfassen – viele Länder schaffen nicht mal das. Und festhalten dürfen die Behörden nur Schiffe mit eklatanten Sicherheitsmängeln – eine unfähige Besatzung oder unzulängliche Seekarten gehören nicht dazu.

    Und so werden immer wieder irgendwo auf der Welt verzweifelte Küstenbewohner Öl von Stränden wegschaufeln – wie 1978 in der Bretagne und jetzt wieder in Galizien. Viele andere Methoden sind ausprobiert worden, aber keine hat sich bewährt. Bindemittel zum Beispiel, wie man sie an Land verwendet, um ausgelaufenes Öl aufzusaugen, gehen im Wasser nach kurzer Zeit unter – und dann liegt das Öl am Meeresgrund. Um Ölteppiche von der Meeresoberfläche abzupumpen, gibt es inzwischen Ölbekämfungs-Schiffe wie die Neuwerk, die auch in Galizien zum Einsatz kam. Bei derartigen Katastrophen können sie allerdings nur einen Bruchteil des Öls von der Küste fernhalten. Aber Chemikalien, auf die man früher große Hoffnungen setzte, sind keine Alternative. Manche sind giftiger als das Öl, und sie verlagern das Problem nur. Ulf Bustorff vom Havariekommando in Cuxhaven:

    Das Öl, was ich mit mechanischen Mitteln aus dem Wasser rauskriege, ist weg, entfernt aus dem Biotop. Das haben Sie ja mit der chemischen Behandlung nicht, Sie verbreiten es ja nur, Sie breiten es aus. Wenn Sie z.B. Dispergatoren nehmen, würden Sie zwar sicherlich die Vögel, die sich auf der Wasseroberfläche sich die Gefieder verschmutzen können, sicherlich begünstigen, auf der anderen Seite würden Sie aber all den Lebewesen, die in der Wassersäule leben, Fischen, allen anderen Lebewesen die Aufnahme dieser Mirkontröpfchen durch die Kiemen, mit der Nahrung erleichtern.

    Und diese Belastung zieht sich dann durch die gesamte Nahrungskette. Auch an den Stränden setzt man deshalb wie vor 25 Jahren auf mechanische Methoden. Etliche Experimente nach dem Unfall der Exxon Valdez 1989 sind gescheitert – und manche Felsen wurden damals so sauber, das heute noch nichts drauf wächst. Auch Bakterienkulturen bringen nicht viel, meint Jens Rauterberg vom Havariekommando:

    Wenn das Öl ins Gewässer kommt, findet ja der biologische Abbau sowieso statt, und die Bakterienzahlen explodieren irgendwann von selbst, wenn Nährstoffe, also Sauerstoff, Nitrat und Phosphat da sind, dann fängt der Prozess von selbst an zu laufen. Und die Unterstützung durch Bakterien, das ist bisher noch nicht so gelungen, dass man sagt, ich haue da Bakterien rein und das Öl ist schneller weg, das hat alles noch nicht funktioniert.

    So schwer es auch fällt: Den letzten Schritt der Reinigung muss die Natur selbst bewältigen, auch wenn es lange dauert. Aber die schwarzen Strände sind jedes Mal wieder eine Mahnung, die Seefahrt sicherer zu machen.