Stefan Heinlein: Der Gipfelzirkus ist weitergewandert. Eine neue Vorstellung mit alten Themen in einer veränderten Mischung. Im Vordergrund diesmal nicht allein der Klimawandel, sondern auch die Lebensmittelknappheit und die Folgen der Ölpreisexplosion. Drei Tage sind wahrlich wenig Zeit, um diese gewaltigen Probleme zu lösen. Auch dieses Mal sind die Erwartungen eher gedämpft. Enttäuscht waren zum Auftakt bereits die geladenen Spitzenpolitiker aus mehreren afrikanischen Ländern. Sie erinnerten an die gebrochenen Versprechungen bei der zugesagten milliardenschweren Entwicklungshilfe. Heute am zweiten Gipfeltag bleiben die glorreichen Acht unter sich.
Am Telefon ist nun Professor Dennis Snower. Er ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Guten Morgen, Herr Snower!
Dennis Snower: Guten Morgen!
Heinlein: Herr Snower, wären Sie heute gerne Zaungast in Toyako, oder ist für Sie vorhersehbar, was da hinter verschlossenen Türen besprochen und beschlossen wird?
Snower: Vorhersehbar ist es nicht, aber man braucht nicht Zaungast dort zu sein, um herauszufinden was herauskommt.
Heinlein: Einmal im Jahr ein Treffen ist das ja mit sehr, sehr großem Aufwand. Viele Themen, aber nur sehr wenig Zeit. Ist es denn überhaupt realistisch, von diesen acht Politikern Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu erwarten?
Snower: Wir sollten unsere Erwartungen nicht zu hoch schrauben, aber es ist wichtig, dass Spitzenpolitiker zusammenkommen. Ob dieser G8-Gipfel so konstituiert ist, wie er sein soll, oder ob andere Länder einbezogen werden, das ist eine offene Frage. Aber dass große Länder die wichtigsten Sachen besprechen sollen, ist klar, weil die Welt ist eine, wo zunehmend Länder miteinander kooperieren müssen, wie wir wissen: Klimawandel und so weiter.
Heinlein: Also es gilt das Motto: Hauptsache wir haben darüber geredet, Beschlüsse sind nicht zu erwarten?
Snower: Ich glaube nicht, dass es zu einem großen Sprung kommen wird. Aber es ist sehr wichtig, dass wir eine gemeinsame Vision entwickeln, wie wir mit dem Klimawandel umgehen, wie wir mit den Finanzmärkten umgehen. Nahrungsmittelpreise ist auch ein wichtiges Thema. Diese verschiedenen Themen brauchen alle Kooperation, und weil Staaten souverän sind, gibt es nur vereinende Visionen. Und wie sollen die zustande kommen, wenn Staaten nicht miteinander reden?
Heinlein: Ist denn, Herr Professor Snower, die G8-Runde in dieser Zusammensetzung überhaupt noch in der Lage, diese Dinge voranzubringen, die Sie gerade genannt haben? Müssen da nicht längst schon Länder wie China oder Indien mit am Tisch sitzen, und zwar dauerhaft?
Snower: Ja, das meine ich auf jeden Fall, und man muss sich grundsätzlich Gedanken machen, wie zukünftig die Zusammensetzung ausschaut.
Heinlein: Wird also zukünftig der so genannte Heiligendamm-Prozess langfristig in einen G11- oder G12-Gipfel münden?
Snower: Es wäre wünschenswert, aber natürlich ist es immer so, dass diejenigen, die drinnen sitzen, Interessen vertreten, die sich nicht mit denen, die draußen sitzen, einen. Von daher ist der Übergang schwierig. Aber es wird uns nichts anderes übrig bleiben, weil die großen Probleme der Welt drängen.
Heinlein: Die großen Probleme dieser Welt - Klimawandel und Energie- beziehungsweise Lebensmittelkrise - stehen heute auf der Tagesordnung. Lassen sich diese Themen überhaupt noch voneinander trennen?
Snower: Nein. Diese Themen sind enorm verflochten. Daher ist es schade, dass sie oft separat diskutiert werden. Ich glaube, zunehmend wird man sich mit Themenkomplexen befassen müssen.
Heinlein: Gibt es denn bei den Politikern der G8 dieses vernetzte Denken, das in der Lage ist, diese Themen als Gesamtproblem wahrzunehmen, oder denken Politiker eher kurzfristig von Tag zu Tag, von Wahl zu Wahl?
Snower: Das stimmt auf jeden Fall, dass sie kurzfristig denken und dass auch die Themen als separat gesehen werden, die mit anderen Interessensgruppen zusammenhängen. Ich glaube, das ist der springende Punkt. Es wäre wichtig, dass sämtliche Staaten davon absehen, einfach ihre Interessensgruppen zu beschwichtigen. Sagen wir bei Nahrungsmitteln wäre es ganz besonders wichtig, dass wir diese Krise nicht dazu verwenden, einfach nur landwirtschaftliche Interessen zu verfolgen im Westen, weil es wäre gut, wenn wir nicht nur Geld zusagen, aber auch Hilfe zur Selbsthilfe, dass die armen Länder selbständig werden. Das ist vielleicht das Wichtigste, und dazu gab es so weit recht wenig Diskussion.
Heinlein: Erkennen Sie die Bereitschaft der G8, diesen neuen von Ihnen vorgeschlagenen Weg zu gehen?
Snower: Derweil nicht, aber ich glaube, je dringender die Probleme werden, desto größer der Druck und desto wichtiger wird es sein, dorthin zu kommen. Außerdem gibt es auch andere Organisationen, die sich zunehmend damit befassen.
Heinlein: Herr Professor Snower, welche Verantwortung haben denn die G8-Nationen für diese aktuellen Entwicklungen an den Energie- und Lebensmittelmärkten?
Snower: Ich glaube, wenn man wohlhabend ist, hat man immer eine Verantwortung bezüglich denen, die nicht so glücklich dastehen. Ich glaube, das ist die Signifikanz dieser G8-Länder. Sie können Vorstellungen haben, wie man zu einer vereinten Vision kommt in dieser Welt, weil sie genügend materiellen Rückhalt haben. Dazu ist es aber bisher viel zu wenig gekommen, und daher glaube ich, brauchen wir in der Zukunft einfach mehr Aussprache zwischen den reichen und armen Ländern.
Heinlein: Wie müsste diese von Ihnen jetzt mehrfach genannte Vision denn aussehen?
Snower: Die gemeinsame Vision könnte so aussehen: bezüglich Klimawandel und Energie - die zwei könnten zusammen gesehen werden. Man könnte zum Beispiel sagen, dass es ein Ziel beim Klimawandel gibt, und sämtliche Subventionen für Biosprit, für Wind-, Solarenergie unterliegen einem konsistenten Subventionssystem, was gewissen Zielen, die besprochen wurden und zugesagt wurden, entspricht. Bei der Energie müsste man schauen, dass die Energiepolitik genau diesen Zielen auch entspricht. Das würde dann viel mehr Förderung für alternative Energien bedeuten. Dann müsste man schauen bei alternativen Energien, dass diese Ziele auch mit unseren Zielen bezüglich der Sicherheit und des Terrorismus entsprechen. Man müsste einfach diese Überlappungen zwischen den Themengebieten sehen und dann konsistente Ziele ausarbeiten, statt dass man ein Ziel für Klimawandel hat und dann innerhalb dieses Zieles ganz andere Ziele für Biosprit, Wind-, Solar-, Nuklearenergie entwickelt, die mit den großen Zielen wenig zu tun haben.
Heinlein: Nach jüngsten ganz aktuellen Meldungen aus Japan haben die G8 die Klimaschutzziele von Heiligendamm bekräftigt. Also es gibt keine Fortschritte, sondern nur eine Bekräftigung bereits bestehender Ziele. Haben Sie mehr erwartet? Sind Sie enttäuscht?
Snower: Ich habe nicht mehr erwartet, aber die Welt braucht viel mehr. Es genügt nicht eine Bekräftigung. Wir müssen ganz konkret schauen, wie der Pfad, der vom heutigen Tag bis in die Zukunft führt, aussieht. Bis wir das nicht spezifiziert haben, gibt es keine Möglichkeit, dass diese Ziele in Gesetze innerhalb der verschiedenen Länder münden. Daher ist das tragisch.
Heinlein: Wie groß ist denn die Gefahr einer weltweiten Wirtschaftskrise durch diese aktuellen Gefährdungen Klimawandel beziehungsweise hohe Energie- und Lebensmittelpreise?
Snower: Hohe Energie- und Lebensmittelpreise haben einen Inflationsdruck, einen kurzfristigen Inflationsdruck ausgelöst, und der kam zu einer Zeit, wo es eine Finanzkrise gab und noch immer gibt. Das bedeutet, dass die Gefahr einer Stagflation hoch ist. Das ist ernst, weil sollte sich die hohe Inflation durch höhere Inflationserwartungen verstetigen, dann gibt es wenig Freiraum für die Zentralbanken, die Rezession zu bekämpfen. Das bedeutet dann, dass die Weltwirtschaft in eine größere Krise schlittern könnte.
Etwas längerfristig gesehen ist es klar, dass die Weltwirtschaft sich abkühlen wird, weil es einfach zu vielen reichen Ländern schlecht geht. Das wird bedeuten, dass die Nachfrage nach Öl und anderen Rohstoffen abnehmen wird und dieser Druck auch abnehmen wird. Aber kurzfristig haben wir auf jeden Fall ein Problem.
Am Telefon ist nun Professor Dennis Snower. Er ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. Guten Morgen, Herr Snower!
Dennis Snower: Guten Morgen!
Heinlein: Herr Snower, wären Sie heute gerne Zaungast in Toyako, oder ist für Sie vorhersehbar, was da hinter verschlossenen Türen besprochen und beschlossen wird?
Snower: Vorhersehbar ist es nicht, aber man braucht nicht Zaungast dort zu sein, um herauszufinden was herauskommt.
Heinlein: Einmal im Jahr ein Treffen ist das ja mit sehr, sehr großem Aufwand. Viele Themen, aber nur sehr wenig Zeit. Ist es denn überhaupt realistisch, von diesen acht Politikern Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit zu erwarten?
Snower: Wir sollten unsere Erwartungen nicht zu hoch schrauben, aber es ist wichtig, dass Spitzenpolitiker zusammenkommen. Ob dieser G8-Gipfel so konstituiert ist, wie er sein soll, oder ob andere Länder einbezogen werden, das ist eine offene Frage. Aber dass große Länder die wichtigsten Sachen besprechen sollen, ist klar, weil die Welt ist eine, wo zunehmend Länder miteinander kooperieren müssen, wie wir wissen: Klimawandel und so weiter.
Heinlein: Also es gilt das Motto: Hauptsache wir haben darüber geredet, Beschlüsse sind nicht zu erwarten?
Snower: Ich glaube nicht, dass es zu einem großen Sprung kommen wird. Aber es ist sehr wichtig, dass wir eine gemeinsame Vision entwickeln, wie wir mit dem Klimawandel umgehen, wie wir mit den Finanzmärkten umgehen. Nahrungsmittelpreise ist auch ein wichtiges Thema. Diese verschiedenen Themen brauchen alle Kooperation, und weil Staaten souverän sind, gibt es nur vereinende Visionen. Und wie sollen die zustande kommen, wenn Staaten nicht miteinander reden?
Heinlein: Ist denn, Herr Professor Snower, die G8-Runde in dieser Zusammensetzung überhaupt noch in der Lage, diese Dinge voranzubringen, die Sie gerade genannt haben? Müssen da nicht längst schon Länder wie China oder Indien mit am Tisch sitzen, und zwar dauerhaft?
Snower: Ja, das meine ich auf jeden Fall, und man muss sich grundsätzlich Gedanken machen, wie zukünftig die Zusammensetzung ausschaut.
Heinlein: Wird also zukünftig der so genannte Heiligendamm-Prozess langfristig in einen G11- oder G12-Gipfel münden?
Snower: Es wäre wünschenswert, aber natürlich ist es immer so, dass diejenigen, die drinnen sitzen, Interessen vertreten, die sich nicht mit denen, die draußen sitzen, einen. Von daher ist der Übergang schwierig. Aber es wird uns nichts anderes übrig bleiben, weil die großen Probleme der Welt drängen.
Heinlein: Die großen Probleme dieser Welt - Klimawandel und Energie- beziehungsweise Lebensmittelkrise - stehen heute auf der Tagesordnung. Lassen sich diese Themen überhaupt noch voneinander trennen?
Snower: Nein. Diese Themen sind enorm verflochten. Daher ist es schade, dass sie oft separat diskutiert werden. Ich glaube, zunehmend wird man sich mit Themenkomplexen befassen müssen.
Heinlein: Gibt es denn bei den Politikern der G8 dieses vernetzte Denken, das in der Lage ist, diese Themen als Gesamtproblem wahrzunehmen, oder denken Politiker eher kurzfristig von Tag zu Tag, von Wahl zu Wahl?
Snower: Das stimmt auf jeden Fall, dass sie kurzfristig denken und dass auch die Themen als separat gesehen werden, die mit anderen Interessensgruppen zusammenhängen. Ich glaube, das ist der springende Punkt. Es wäre wichtig, dass sämtliche Staaten davon absehen, einfach ihre Interessensgruppen zu beschwichtigen. Sagen wir bei Nahrungsmitteln wäre es ganz besonders wichtig, dass wir diese Krise nicht dazu verwenden, einfach nur landwirtschaftliche Interessen zu verfolgen im Westen, weil es wäre gut, wenn wir nicht nur Geld zusagen, aber auch Hilfe zur Selbsthilfe, dass die armen Länder selbständig werden. Das ist vielleicht das Wichtigste, und dazu gab es so weit recht wenig Diskussion.
Heinlein: Erkennen Sie die Bereitschaft der G8, diesen neuen von Ihnen vorgeschlagenen Weg zu gehen?
Snower: Derweil nicht, aber ich glaube, je dringender die Probleme werden, desto größer der Druck und desto wichtiger wird es sein, dorthin zu kommen. Außerdem gibt es auch andere Organisationen, die sich zunehmend damit befassen.
Heinlein: Herr Professor Snower, welche Verantwortung haben denn die G8-Nationen für diese aktuellen Entwicklungen an den Energie- und Lebensmittelmärkten?
Snower: Ich glaube, wenn man wohlhabend ist, hat man immer eine Verantwortung bezüglich denen, die nicht so glücklich dastehen. Ich glaube, das ist die Signifikanz dieser G8-Länder. Sie können Vorstellungen haben, wie man zu einer vereinten Vision kommt in dieser Welt, weil sie genügend materiellen Rückhalt haben. Dazu ist es aber bisher viel zu wenig gekommen, und daher glaube ich, brauchen wir in der Zukunft einfach mehr Aussprache zwischen den reichen und armen Ländern.
Heinlein: Wie müsste diese von Ihnen jetzt mehrfach genannte Vision denn aussehen?
Snower: Die gemeinsame Vision könnte so aussehen: bezüglich Klimawandel und Energie - die zwei könnten zusammen gesehen werden. Man könnte zum Beispiel sagen, dass es ein Ziel beim Klimawandel gibt, und sämtliche Subventionen für Biosprit, für Wind-, Solarenergie unterliegen einem konsistenten Subventionssystem, was gewissen Zielen, die besprochen wurden und zugesagt wurden, entspricht. Bei der Energie müsste man schauen, dass die Energiepolitik genau diesen Zielen auch entspricht. Das würde dann viel mehr Förderung für alternative Energien bedeuten. Dann müsste man schauen bei alternativen Energien, dass diese Ziele auch mit unseren Zielen bezüglich der Sicherheit und des Terrorismus entsprechen. Man müsste einfach diese Überlappungen zwischen den Themengebieten sehen und dann konsistente Ziele ausarbeiten, statt dass man ein Ziel für Klimawandel hat und dann innerhalb dieses Zieles ganz andere Ziele für Biosprit, Wind-, Solar-, Nuklearenergie entwickelt, die mit den großen Zielen wenig zu tun haben.
Heinlein: Nach jüngsten ganz aktuellen Meldungen aus Japan haben die G8 die Klimaschutzziele von Heiligendamm bekräftigt. Also es gibt keine Fortschritte, sondern nur eine Bekräftigung bereits bestehender Ziele. Haben Sie mehr erwartet? Sind Sie enttäuscht?
Snower: Ich habe nicht mehr erwartet, aber die Welt braucht viel mehr. Es genügt nicht eine Bekräftigung. Wir müssen ganz konkret schauen, wie der Pfad, der vom heutigen Tag bis in die Zukunft führt, aussieht. Bis wir das nicht spezifiziert haben, gibt es keine Möglichkeit, dass diese Ziele in Gesetze innerhalb der verschiedenen Länder münden. Daher ist das tragisch.
Heinlein: Wie groß ist denn die Gefahr einer weltweiten Wirtschaftskrise durch diese aktuellen Gefährdungen Klimawandel beziehungsweise hohe Energie- und Lebensmittelpreise?
Snower: Hohe Energie- und Lebensmittelpreise haben einen Inflationsdruck, einen kurzfristigen Inflationsdruck ausgelöst, und der kam zu einer Zeit, wo es eine Finanzkrise gab und noch immer gibt. Das bedeutet, dass die Gefahr einer Stagflation hoch ist. Das ist ernst, weil sollte sich die hohe Inflation durch höhere Inflationserwartungen verstetigen, dann gibt es wenig Freiraum für die Zentralbanken, die Rezession zu bekämpfen. Das bedeutet dann, dass die Weltwirtschaft in eine größere Krise schlittern könnte.
Etwas längerfristig gesehen ist es klar, dass die Weltwirtschaft sich abkühlen wird, weil es einfach zu vielen reichen Ländern schlecht geht. Das wird bedeuten, dass die Nachfrage nach Öl und anderen Rohstoffen abnehmen wird und dieser Druck auch abnehmen wird. Aber kurzfristig haben wir auf jeden Fall ein Problem.
