"Sie hören jetzt die lustige Operette "La Périchole" von Jacques Offenbach."
Es kommt anders: Ein Mann mit zerrissener, roter Fahne steht im Bühnennebel, und es erklingt – Wagner!
Der Theaterregisseur Nicolas Stemann wird überall gefeiert. Auch seine erste Arbeit an der Berliner Oper kommt beim Publikum gut an. Mit schwarzer Ironie, viel Frohsinn und bunten Glitzerkostümen inszenierte er dort Offenbachs "Perichole".
Vergnügen killed the revolution. Das Vergnügen zerstört in dieser Operette eigentlich alles – sogar sich selbst. Denn es ist ein verordnetes Vergnügen. Der Vizekönig von Peru hat Geburtstag – also sollen sich die Peruaner gefälligst amüsieren, angefeuert durch hysterische Animateusen und Alkohol. Den braucht es, denn Peru steckt in einer Krise, und das Volk verschließt nicht nur die Augen vor der Realität, sondern gleich das ganze Gesicht – mit gelben Smileys. Nur die beiden Straßensänger Perichole und Piquillo bewahren Realitätssinn, anfangs jedenfalls – dann werden sie in den Operettenstrudel hineingezogen. Der Vizekönig möchte Perichole zu seiner Mätresse machen, die willigt ein um ihrer Armut zu entkommen – aber es darf nur verheiratete Mätressen geben, also wird ein möglicher Ehemann gesucht, betrunken gemacht und mit Perichole verheiratet. Natürlich ist es kein anderer als Piquillo, ihr Liebster – die beiden landen erst am Hof, dann im Gefängnis und werden schließlich begnadigt – Happy-Operetten-End.
Doch vorher lässt Nicolas Stemann sie und das Publikum durch die Gute-Laune-Hölle gehen.
Man wird ihn nicht los, den Frohsinn, der bis an die Schmerzgrenze geht – und darüber hinaus. Der schmierige Conférencier, die Mädels im Glitzerfummel, andauernder Konfettiregen – das alles erinnert an italienisches Fernsehen und hat bei einigen Zuschauern anscheinend derartige Übelkeit verursacht, dass sie fluchtartig den Saal verließen. Doch es bleibt nicht bei dieser einen Ebene des Vergnügungsterrors – Stemann stellt dem hysterisch-virtuosen Offenbach das denkbar Entfernteste gegenüber – Stellen aus Wagners Tristan und Isolde. Und es funktioniert! Kein dramaturgischer Bruch, weder Wagner noch Offenbach werden denunziert, was zu Anfang ein Lacher war, wird zum Ende mit "Oh sink hernieder Nacht der Liebe" ein berührender Moment der Utopie, ein Zu-Sich-Selbst-Finden, ein Augenblick des Verweilens – und leider nur ein Augenblick. Es ist eine Inszenierung von großer Musikalität, Stemann, selbst Musiker, treibt Offenbach auf die Spitze, konterkariert ohnehin selten auftretende Innigkeit durch jaulende Backgroundchöre, lässt schmissige Refrains in Endlosschleife wiederholen: Und da haben wird es wieder – aus Spaß wird Folter.
Bei seinem Experiment zur Seite stand Nicolas Stemann der Dirigent Markus Poschner: Das letzte Drittel durfte er sein Orchester sogar auf der Bühne platzieren – nachdem der immer dazwischenfunkende Revoluzzer vom Anfang eine Bombe in den Orchestergraben geschmissen hatte. Das war ganz sicher NICHT persönlich gemeint, denn Poschner holt aus der Partitur alles heraus, was an Schmiss, Witz, Farbigkeit und Virtuosität zu holen ist. Und die Flexibilität und Schnelligkeit, mit der ihm das Orchester folgte, mehr ist außerhalb von Paris keineswegs selbstverständlich, ebenso wenig die rhythmische Verve und ein funkelnder Klang. Karolina Gumos als Perichole und Johannes Chum waren ebenso überzeugende Offenbacher mit stimmlicher Leichtigkeit wie Wagner-Ausflügler: warum nicht auch mal von einem Mezzo gesungen. Roger Smeets als bekloppter Vizekönig war stimmlich auf ebenso hohem Niveau wie darstellerisch, dasselbe gilt für alle anderen Darsteller, die selbst auf einer Theaterbühne keine schlechte Figur machen würden. Nach Vorstellungsende gab es noch eines kleines Konzert aus Buhs und Bravos – Letzte konnten sich schließlich durchsetzen: zu Recht.
Es kommt anders: Ein Mann mit zerrissener, roter Fahne steht im Bühnennebel, und es erklingt – Wagner!
Der Theaterregisseur Nicolas Stemann wird überall gefeiert. Auch seine erste Arbeit an der Berliner Oper kommt beim Publikum gut an. Mit schwarzer Ironie, viel Frohsinn und bunten Glitzerkostümen inszenierte er dort Offenbachs "Perichole".
Vergnügen killed the revolution. Das Vergnügen zerstört in dieser Operette eigentlich alles – sogar sich selbst. Denn es ist ein verordnetes Vergnügen. Der Vizekönig von Peru hat Geburtstag – also sollen sich die Peruaner gefälligst amüsieren, angefeuert durch hysterische Animateusen und Alkohol. Den braucht es, denn Peru steckt in einer Krise, und das Volk verschließt nicht nur die Augen vor der Realität, sondern gleich das ganze Gesicht – mit gelben Smileys. Nur die beiden Straßensänger Perichole und Piquillo bewahren Realitätssinn, anfangs jedenfalls – dann werden sie in den Operettenstrudel hineingezogen. Der Vizekönig möchte Perichole zu seiner Mätresse machen, die willigt ein um ihrer Armut zu entkommen – aber es darf nur verheiratete Mätressen geben, also wird ein möglicher Ehemann gesucht, betrunken gemacht und mit Perichole verheiratet. Natürlich ist es kein anderer als Piquillo, ihr Liebster – die beiden landen erst am Hof, dann im Gefängnis und werden schließlich begnadigt – Happy-Operetten-End.
Doch vorher lässt Nicolas Stemann sie und das Publikum durch die Gute-Laune-Hölle gehen.
Man wird ihn nicht los, den Frohsinn, der bis an die Schmerzgrenze geht – und darüber hinaus. Der schmierige Conférencier, die Mädels im Glitzerfummel, andauernder Konfettiregen – das alles erinnert an italienisches Fernsehen und hat bei einigen Zuschauern anscheinend derartige Übelkeit verursacht, dass sie fluchtartig den Saal verließen. Doch es bleibt nicht bei dieser einen Ebene des Vergnügungsterrors – Stemann stellt dem hysterisch-virtuosen Offenbach das denkbar Entfernteste gegenüber – Stellen aus Wagners Tristan und Isolde. Und es funktioniert! Kein dramaturgischer Bruch, weder Wagner noch Offenbach werden denunziert, was zu Anfang ein Lacher war, wird zum Ende mit "Oh sink hernieder Nacht der Liebe" ein berührender Moment der Utopie, ein Zu-Sich-Selbst-Finden, ein Augenblick des Verweilens – und leider nur ein Augenblick. Es ist eine Inszenierung von großer Musikalität, Stemann, selbst Musiker, treibt Offenbach auf die Spitze, konterkariert ohnehin selten auftretende Innigkeit durch jaulende Backgroundchöre, lässt schmissige Refrains in Endlosschleife wiederholen: Und da haben wird es wieder – aus Spaß wird Folter.
Bei seinem Experiment zur Seite stand Nicolas Stemann der Dirigent Markus Poschner: Das letzte Drittel durfte er sein Orchester sogar auf der Bühne platzieren – nachdem der immer dazwischenfunkende Revoluzzer vom Anfang eine Bombe in den Orchestergraben geschmissen hatte. Das war ganz sicher NICHT persönlich gemeint, denn Poschner holt aus der Partitur alles heraus, was an Schmiss, Witz, Farbigkeit und Virtuosität zu holen ist. Und die Flexibilität und Schnelligkeit, mit der ihm das Orchester folgte, mehr ist außerhalb von Paris keineswegs selbstverständlich, ebenso wenig die rhythmische Verve und ein funkelnder Klang. Karolina Gumos als Perichole und Johannes Chum waren ebenso überzeugende Offenbacher mit stimmlicher Leichtigkeit wie Wagner-Ausflügler: warum nicht auch mal von einem Mezzo gesungen. Roger Smeets als bekloppter Vizekönig war stimmlich auf ebenso hohem Niveau wie darstellerisch, dasselbe gilt für alle anderen Darsteller, die selbst auf einer Theaterbühne keine schlechte Figur machen würden. Nach Vorstellungsende gab es noch eines kleines Konzert aus Buhs und Bravos – Letzte konnten sich schließlich durchsetzen: zu Recht.