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"Die Hälfte der Mittel in Bildung investieren"

Statt den Solidaritätsbeitrag - wie von Finanzminister Schäuble empfohlen - im Bundeshaushalt zur Schuldentilgung zu nutzen, wollen die Grünen die Hälfte der Summe in Bildung investieren. Bis zum Jahr 2019 seien das immerhin 20 Milliarden Euro, sagt Bildungspolitikerin Priska Hinz.

Priska Hinz im Gespräch mit Kate Maleike | 27.05.2010
    Kate Maleike: Sparzwang kontra Bildungsförderung – so haben wir in dieser Woche unsere Sendereihe hier in "Campus & Karriere" genannt, in der besonders interessante und kreative Investitionsbeispiele aus Bildungsdeutschland vorgestellt werden. Heute gehen wir dazu nach Berlin in die Bundespolitik, genauer gesagt in die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Dort nämlich wird in Kürzungszeiten wie diesen die Idee des sogenannten Bildungssoli wieder verstärkt formuliert. Bildungspolitische Sprecherin dieser Bundestagsfraktion ist Priska Hinz, und von ihr habe ich mir vor der Sendung erklären lassen, wie denn der Bildungssoli eigentlich funktionieren soll.

    Priska Hinz: Der Solidaritätszuschlag, der wird ja zurzeit auf die in Deutschland eingenommenen Einkommen erhoben, und er fließt zum Teil immer noch den neuen Ländern zu. Jetzt ist es so, dass die festgelegten Mittel langsam abnehmen, der Soli aber weiter relativ hoch bleibt, und die überschießenden Mittel, die sollen künftig im Bundeshaushalt zur Schuldentilgung genommen werden. Das ist jedenfalls der Vorschlag des Bundesfinanzministers. Und wir sagen, wir wollen auch in Bildung investieren, Schuldentilgung ist das eine gute Instrument zur Haushaltskonsolidierung, wir brauchen aber auch Investitionen in Zukunftsstrukturen, und das ist eindeutig die Bildung. Und deswegen wollen wir die Hälfte der Mittel in Bildung investieren. Das ist aus unserer Sicht gut angelegtes Geld angesichts der demografischen Entwicklung und angesichts der Tatsache, dass wir zunehmend auch wieder besser qualifizierte Fachkräfte brauchen.

    Maleike: Über welche Summe reden wir denn dann?

    Hinz: Wir reden über eine Summe von etwa 20 Milliarden Euro bis zum Jahre 2019.

    Maleike: Und danach aber läuft ja der Solidarpakt aus.

    Hinz: Danach läuft der Solidarpakt aus, das ist richtig, der kann auch nicht unbefristet erhoben werden, das ist verfassungsrechtlich nicht möglich. Aber ich glaube, dass es wichtig wäre, bis zum Jahr 2019 zu wissen, es gibt stetig Geld von Bundesseite für die Bildung, damit könnten wir auch besser das Zehnprozentziel erreichen, das ja auf dem Bildungsgipfel zwischen Bund und Ländern schon mal festgelegt wurde als Zielzahl. Und nach dem Jahr 2019 muss man sich natürlich überlegen, wie viel Geld Bund und die Länder zusätzlich noch investieren müssen über das hinaus, was eh im Bundeshaushalt angelegt ist.

    Maleike: Sie haben vorhin schon das Zehnprozentziel angesprochen, das ist das formulierte Ziel, zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes in Bildung und Forschung zu investieren. Jetzt kommt der nächste Bildungsgipfel – erwarten Sie sich, dass da wirklich mal finanziell auch konkret und verlässlich was entschieden wird?

    Hinz: Ich befürchte, dass dieser Bildungsgipfel wieder ergebnislos enden wird, denn der noch amtierende Ministerpräsident Koch hat ja schon die Lawine losgetreten. Er hat gesagt, die Länder können das angestrebte Bildungsziel von sieben Prozent BIP für die Bildung nicht einhalten, und die drei Prozent für Forschung wahrscheinlich auch nicht. Das hängt natürlich damit zusammen, dass einzelne Länder bereits anfangen, bei Bildungsaufwendungen in den Länderhaushalten zu sparen. Von daher würde die Lücke für das Erreichen des Zehnprozentziels natürlich immer größer, und die Länder verabschieden sich jetzt vor dem Bildungsgipfel schon von dem bisher vereinbarten Ziel. Und dadurch, dass die Länder so drauf beharrt haben, dass Bildung völlig in Länderkompetenz ist, sind sie natürlich auch in der Verantwortung, ihren Teil jetzt zu bringen.

    Maleike: Das heißt definitiv, dass im Grunde das Thema Bildung wieder zwischen Bund und Ländern zerrieben wird. Jetzt gibt es den Vorstoß von der Bundesbildungsministerin Schavan, das sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen aufzuheben, das wäre eine Verfassungsänderung, die sie da angehen möchte. Das kommt ein bisschen spät, oder?

    Hinz: Ja, wir freuen uns sehr, dass sich Frau Schavan endlich auf unsere Seite geschlagen hat, weil wir Grünen waren von Anfang an gegen diese Grundgesetzänderung, die dem Bund verbietet, mit den Ländern gemeinsam für Bildung Geld auszugeben in bestimmten Programmen. Und jetzt hat sie gemerkt, dass sie als Bundesbildungsministerin wenig ausrichten kann, wenn sie nicht gegenüber den Ländern auch stark auftreten kann und sagen, ich will Geld investieren, zum Beispiel für weiteren Ausbau Ganztagsschulen, ihr bekommt soundso viel, wenn ihr mitmacht. Zurzeit blockieren da die Länder und sagen, du hast uns gar nichts zu sagen, weil das ist unsere Kompetenz. Jetzt, nachdem sie in einer Koalition mit der FDP ist aber, die strikt gegen eine Grundgesetzänderung ist, ist es natürlich wohlfeil von ihr zu behaupten, sie sei für Aufhebung des Kooperationsverbotes, weil sie kriegt ihren Koalitionspartner noch nicht mal für diese Idee gewonnen. Wir unterstützen Frau Schavan sehr, und wir haben jetzt auch einen Antrag, der ins Plenum geht, der deutlich macht, dass wir das beschließen wollen. Und wir sind gespannt, ob Frau Schavan mit den Ministerpräsidenten übereinkommt, diese Grundgesetzänderung anzugehen.

    Maleike: Wann geht der Antrag ins Plenum?

    Hinz: Der wird in der Woche des Bildungsgipfels, also in der nächsten Sitzungswoche, auf der Tagesordnung des Parlamentes stehen.

    Maleike: Frau Hinz, was ist eigentlich schlimmer für die Bildung in Deutschland oder die Verbesserung der Situation – ist es das Gerangel zwischen Bund und Ländern oder ist es der Sparkurs?

    Hinz: Es ist beides, weil es miteinander zusammenhängt. Wir brauchen mehr Geld in die Bildung, allerdings nicht egal wofür, das sage ich auch ganz deutlich, mehr Geld in schlechte Strukturen bringt nicht bessere Bildung. Das heißt, man muss es verknüpfen mit Qualitätsanforderungen, zum Beispiel individuelle Förderung, Ganztagsschulen, bessere Lehrerausbildung, Migrantenförderung et cetera. Und man muss natürlich eine gesamtstaatliche Verantwortung auch für die Bildung definieren, weil es kann nicht sein, dass die Länder es als ihre Verantwortung deklarieren, dann einen Sparkurs gerade in diesem Bereich fahren und hinterher die Schulversager und die Schulabbrecher dem Bund sozusagen vor die Füße gestellt werden und wir dann mit Berufsvorbereitungsmaßnahmen und Ähnlichem viel Geld ausgeben müssen, um diese jungen Leute nachzuqualifizieren. Das macht keinen Sinn. Wir brauchen gute Bildung von Anfang an, und das bedeutet gesamtstaatliche Verantwortung von Bund und Ländern, die Rahmenbedingungen für Qualität definieren und dann auch gemeinsame Programme beginnen können und ausfinanzieren.

    Maleike: Mehr Geld in die Bildung, aber wie? Zu den Vorstellungen von Bündnis 90/Die Grünen war das die bildungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Priska Hinz.