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Die Herzen der Lachse

Biologie. - Die Wanderung flussaufwärts zu den Laichgründen entscheidet über den Fortpflanzungserfolg von Lachsen. Forscher aus Kanada haben nun nachgewiesen, dass dieser letzte Lebensabschnitt Körperbau und Anpassung der Tiere bestimmt. Diese Anpassung erzeugt auch Tiere, die mit höheren Temperaturen zurechtkommen. Sie hätten auch in einem durch den Klimawandel wärmeren Fluss Chancen, sich fortzupflanzen.

Von Katrin Zöfel | 01.04.2011
    Jedes Jahr das gleiche Bild. Rund eine Million Rotlachse machen sich auf den Weg den Fraser River hinauf, ihr Ziel: die Laichgründe. Der Fraser River ist einer der längsten Flüsse Kanadas, mit reißenden Stromschnellen, vielen kleinen Zuflüssen und eiskalten Seen. Monatelang herrscht hier lebhafter Betrieb.

    "Manche Populationen kommen im Juli, manche im August, und manche erst im Herbst, im September oder Oktober","

    sagt Erika Eliason. Die Kanadierin ist Biologin an der University of British Columbia in Vancouver. Wann genau ein Lachs die Reise beginnt, hängt davon ab, wie weit seine Laichgründe flussaufwärts liegen. Je länger der Weg, umso früher schwimmen die Tiere los. Der Zeitpunkt des Reisebeginns bestimmt dabei, welche Wassertemperatur die Fische antreffen. Im Hochsommer sind es 17 Grad Celsius, im Herbst rund drei Grad weniger. Erika Eliason wollte wissen, wie entscheidend die Temperatur für die Fische ist. Sie setzte deshalb Fische aus acht verschiedenen Laichgebieten des Fraser Rivers - und damit mit acht verschiedenen Reisezeitplänen - in Schwimmkanäle mit starker Strömung. Langsam steigerte sie die Wassertemperatur. Ab einer bestimmten Temperatur kamen Tiere nicht mehr gegen die Strömung an.

    ""Wir glauben, dass die Fische dann nicht mehr schwimmen können, weil ihr Kreislauf zusammenbricht. Ihr Herz spielt einfach nicht mehr mit. Es kann den Körper dann nicht mehr mit Sauerstoff versorgen, und die Fische können nicht mehr schwimmen."

    Jede der acht Fischgruppen hatte ihre eigene Ideal-Temperatur. Damit hatte die Biologin nicht gerechnet, schließlich treten die Fische diese Reise nur einmal im Leben an. Und trotzdem sind sie sehr gut vorbereitet auf das, was sie erwartet. Als nächstes untersuchte Erika Eliason die Herzen der Tiere. Und auch hier fand sie die perfekt angepasste Ausstattung: je anstrengender die Reise, die ein Fisch vor sich hatte, desto stärker war sein Herz. Doch eine Population brachte Erika Eliason besonders zum Staunen.

    "Die Chilco-Population würde ich Super-Fische nennen. Sie kommen mit einer sehr großen Bandbreite von Temperaturen zurecht. Und sie ertragen die höchsten Temperaturen überhaupt von allen untersuchten Fischen."

    Innerhalb ein und desselben Flusses finden sich also Lachse mit sehr verschiedenen Temperaturvorlieben. Diese Vielfalt könnte für die Tiere entscheidend sein, wenn es darum geht, wie sie mit dem Klimawandel zurandekommen. Bisher gelten Lachse als besonders gefährdet. Denn viele Forscher fürchteten, dass ihre sehr genaue Anpassung an bestimmte Temperaturen ihnen zum Verhängnis werden könnte. Eliason:

    "Seit den 1950er-Jahren hat sich der Fraser River um ungefähr zwei Grad erwärmt. Und in den nächsten 50, 60 Jahren wird es vermutlich noch einmal zwei Grad wärmer werden. Das wäre dann für alle Population deutlich über den Temperaturen, die für sie optimal sind."

    Wie heftig sich das auswirken kann, zeigte der Sommer 2004. Er war ungewöhnlich warm, die Temperaturen im Fluss lagen vier Grad über dem Durchschnitt. In manchen Populationen starben 80 Prozent aller Fische, bevor sie die Laichgründe erreichten. Erika Eliason sieht trotzdem eine Chance für den Rotlachs.

    "Wir denken, dass sie die Fähigkeit haben, ihre Physiologie anzupassen. Es gibt eine große Bandbreite gerade in der Temperaturtoleranz und die Unterschiede sind erblich. Alles was es für die Evolution neuer Merkmale braucht, ist also vorhanden."

    Was jedoch kein Forscher weiß, ist, ob sich die Fische so schnell anpassen können, wie sich das Klima verändert.