Fleisch ist ein schmutziges Wort geworden, das viele Deutsche nur noch mit Abscheu in den Mund nehmen. Vom Produkt selbst ganz zu schweigen. Die BSE-Krise, auch der neue Schweinemastskandal, haben den Verbrauchern den Appetit gründlich verdorben. Kühe, die, auf kleinstem Raum zusammengepfercht, das Kadaver-Mehl ihrer Artgenossen fressen müssen, Schweine, die mit Antibiotika gedopt werden, Hühner, die niemals das Tageslicht sehen und sich in Legebatterien gegenseitig die Augen auspicken: Wer möchte schon essen, was bei diesen Produktionsverfahren am Ende herauskommt? - Immerhin: Die Lebensmittelskandale dieser Wochen sollten den Verbrauchern die Augen geöffnet haben. Allenthalben wird Ausschau gehalten nach Alternativen zur konventionellen Landwirtschaft. Dabei gelangt man rasch zum Öko-Landbau, in Geschäften und Supermärkten zu Waren mit sogenannten Öko-Siegeln. Die wiederum sind so vielfältig, dass sich Otto Normalverbraucher kaum noch zurechtfindet. Vera Kaftan, Lebensmittelredakteurin bei der Zeitung Test (der Publikation der Stiftung Warentest in Berlin) weist den Weg:
Vera Kaftan: "Immer, wenn auf dem Produkt in irgendeiner Form biologisch oder ökologisch draufsteht, dann ist das so geschützt, dass das auch aus biologischem Anbau stammen muss. Das bezieht sich auf die Düngung, auf die Mast, auf die artgerechte Haltung, das sind sehr ausgefeilte Richtlinien, die sind zum Teil auch unterschiedlich. Aber nach diesen Richtlinien wurde das Produkt gefertigt."
Auch Handelsmarken ("Naturkind" bei Tengelmann zum Beispiel oder "Füllhorn" bei REWE) sind nach Auskunft Vera Kaftans verlässlich. Wirbt ein Hersteller aber mit Aufdrucken wie "BSE-frei" oder "BSE-getestet", dann ist Vorsicht angebracht, weil eine Sicherheit suggeriert wird, die niemand bieten kann. Selbst, wenn das Produkt tatsächlich auf die Rinderkrankheit untersucht wurde, ist keinesfalls sicher, dass es wirklich BSE-frei ist. Die bislang zur Verfügung stehenden Tests sind nicht in jedem Fall aussagekräftig. Und auch vor schwammigen Begriffen (all jenen also, die nicht "biologisch" oder "ökologisch" heißen), warnt die Fachfrau von der Stiftung Warentest:
Vera Kaftan: "Dieses ganze Wortgeklingel um integriert, kontrolliert, naturnah ...da ist kein Verlass, lässt man sich leicht von täuschen, wenn da noch ein Bauernhof abgebildet ist auf dem Produkt, da sollte man sich nicht verführen lassen. Der Begriff integriert spricht dafür, dass gewisse Richtlinien erfüllt sind, .... aber das andere ist willkürlich, das kann jeder machen, wie er will."
Wirklich nachhaltig wirtschaftende Bauern haben sich in der "Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau", in der AGÖL, versammelt. Ihre Mitglieder erfüllen - mindestens - die Vorschriften der 1991 erlassenen und inzwischen mehrfach nachgebesserten Verordnung der Europäischen Union über den ökologischen Landbau. Konkret bedeutet das: biologische und mechanische Anbaumethoden, Verzicht auf chemisch-synthetische Hilfsstoffe, Anbau von Grünpflanzen, Pflanzenschutzmittel (und auch dann keine chemischen) sind nur im äußersten Notfall zugelassen. Jedes Tier muss genügend Raum haben, Unterbringung und Auslauf im Freien sind in der EU-Verordnung genau geregelt, Tierfutter muss aus ökologischer Erzeugung stammen (am besten vom eigenen Hof), Kälber und Ferkel werden über einen Mindestzeitraum mit Muttermilch ernährt. Die Mitglieder der deutschen "Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau" gehen über diese Mindeststandards meist noch hinaus. Der wichtigste Unterschied der Regeln von Naturland, Bioland und Demeter (um nur die größten drei AGÖL-Mitglieder zu nennen) zu den Regeln der Europäischen Union ist, dass sie ihre Höfe komplett biologisch betreiben. Die EU lässt dagegen Mischbetriebe aus konventioneller und ökologischer Landwirtschaft zu - solange die Bioproduktion von der herkömmlichen säuberlich getrennt ist. Dass die AGÖL-Betriebe die Vorschriften einhalten, müssen sie dokumentieren; von unabhängigen Stellen werden sie regelmäßig kontrolliert. Schwarze Schafe, sagt Michael Stienen (Geschäftsführer der Naturland-Zeichen GmbH), gebe es in der Branche kaum noch. Der Markt sei bereinigt, und obwohl auch Bio-Höfe BSE-Freiheit nicht 100prozentig garantieren könnten, habe der Verbraucher bei Bio-Rindfleisch die größtmögliche Sicherheit:
Michael Stienen: "Tiermehl war nie erlaubt, nie.....EU-weit jetzt auch verboten. Das ist schon mal die größte Wahrscheinlichkeit für BSE Übertragung ausgeschlossen. Das gleiche gilt für Milchaustauscher...das ist nie zugelassen gewesen."
Für ebenso verlässlich erklärt Naturland seine Produktion von Gemüse und Obst und deren Kontrolle. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern international:
Michael Stienen: "Sie haben eine Müslitüte....da ist nicht nur deutscher Rohstoff drin und um da sicher zu sein, muss ich auch im Ausland zertifizieren."
Wer sich nicht nur gesund, sondern auch vital ernähren möchte, der ist bei Demeter an der richtigen Adresse. Dieser Verband wirtschaftet nach der anthroposophischen Philosophie Rudolf Steiners: Tierfutter wird mit Pflanzenextrakten angereichert, und auch die Sterne können schon einmal befragt werden. Zusätzlich zu der ökologischen Qualität der Produkte, erläutert Sprecher Steffen Borzner, bieten Demeter-Waren deshalb auch Vitalqualität:
Steffen Borzner: "Sie ernähren sich ja nicht nur mit Zucker und Vitaminen...es geht auch um "Vitalqualität", eine andere Ernährungsenergie, die uns vital und jung hält."
Das klingt gut, und in der Biohalle der Grünen Woche tummeln sich die Besucher dann auch besonders gern. Öko-Möhren werden probiert und für schmackhafter befunden als ihr Pendant aus der konventionellen Produktion. Und doch scheint es so, dass das erschütterte Verbraucher-Vertrauen beim biologischen Landbau nicht halt macht:
Verbraucher: "Da haben wir noch Kontroversen, meine Frau und ich.....Sie ist kostenbewusster, ich kann das ja nicht nachprüfen....ich kauf ja auch mit dem Auge...ich bin sehr skeptisch...Etikettenschwindel....Eierkauf nur vom Biobauern....das glaube ich nun wieder."
Am anderen Ende der Fressmesse, der Grünen Woche in Berlin, unterhält die CMA eine eigene Halle. Dort stellt die Centrale Marketing-Agentur der deutschen Agrarwirtschaft regionale Spezialitäten aus. Wurst aus Bayern, Saumagen aus der Pfalz, Würste aus Thüringen werden goutiert. In Halle 20, hat CMA-Sprecher Helmut Brachtendorff beobachtet, ist von BSE und einer Vertrauenskrise bei den Verbrauchern nichts zu spüren. Das CMA-Prüfsiegel für Fleisch und das CMA-Gütezeichen für andere Produkte hat sich den Konsumenten eingeprägt. Zur CMA haben nach wie vor viele Vertrauen:
Verbraucher: "Absolut, da habe ich Vertrauen....Das geht in Ordnung. Besteht ja schon 20-30 Jahre - da habe ich Vertrauen zu."
Das ist umso erstaunlicher, als das CMA-Signet fast ausschließlich auf Waren der herkömmlichen Landwirtschaft prangt. Im Unterschied zu den Bio-Verbänden prüft die CMA nämlich nicht die Produktionsweise, sondern die Waren-Qualität.
Vera Kaftan: "Die CMA ist die Marketingagentur der deutschen Landwirtschaft. Güte der Produkte.....Schmackhaftigkeit ...keine Garantie für artgerechte Tierhaltung. CMA-Fleisch kann auch aus der industriellen Landwirtschaft kommen mit allen Nachteilen, von denen wir jetzt wissen."
Während die Bio-Marken von der BSE-Krise profitieren dürften, könnte die CMA in Bedrängnis geraten. Keine absolute, sondern die höchstmögliche Sicherheit für Rindfleisch mit dem CMA-Prüfsiegel glaubt Helmut Brachtendorff garantieren zu können:
Helmut Brachtendorff: "Die absolute Sicherheit können wir nicht garantieren. Höchstmaß an Sicherheit, aber nicht absolut. Wir werden gezielt nicht mit dem Slogan "BSE-getestet". Vorsicht, damit das nicht die absolute Sicherheit suggeriert."
Auch in der pflanzlichen Produktion erreichen die mit dem CMA-Gütezeichen versehenen Waren keineswegs das Niveau der Bio-Marken. Die Vorschriften für die herkömmliche Landwirtschaft sind auch in diesem Segment weniger streng:
Helmut Brachtendorff: "Das sind Vorschriften des integrierten Anbaus...Limit bei Pflanzenschutz....Gurken, Gemüse und ähnliche Dinge."
Zu behaupten, dass sich die CMA dem Aufbruch in eine biologische Landwirtschaft gänzlich verschließen würde, wäre allerdings unfair. Zusammen mit der AGÖL hat sie schon vor geraumer Zeit ein gemeinsames Öko-Prüf-Zeichen, das sogenannte ÖPZ, entwickelt. Bislang schmückt es zwar erst wenige Waren in wenigen Handelshäusern. Doch die Kriterien für seine Vergabe sind ebenso streng wie die der "Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft". Wieso ist das zusätzliche Siegel dann überhaupt nötig? - Die Antwort gibt Fred Hoffmann, Geschäftsführer der Öko-Prüfzeichen-GmbH:
Fred Hoffmann: "In Produkten des ökologischen Landbaus gibt es 80-120 Zeichen. Ich bin selbst Verbraucher. Wirrwarr. Verunsicherung. Wir brauchen ein einheitliches Zeichen und das ist das ÖPZ."
Nicht alle in der AGÖL versammelten Bio-Anbieter sind glücklich über die Zusammenarbeit mit der CMA. Sie fürchten, dass ihre eigenen Label an Einfluss verlieren; sie fürchten auch, durch die Kooperation mit der Marketing-Agentur der konventionellen Landwirtschaft ihr sauberes Image einzubüßen. Andererseits locken neue Vermarktungschancen, die nur die CMA in dieser Breite bieten kann. Bisher sind Öko-Produkte vor allem in Öko-Läden oder ab Hof zu beziehen. Mit ihrer Verbreitung im normalen Einzelhandel könnten viele neue Kunden gewonnen werden. Und eben dies verspricht die CMA den Bio-Betrieben:
Helmut Brachtendorff: "Das war das Ziel...breiterer Absatzweg. Meine Mutter würde nicht in den Ökoladen gehen, aber im Supermarkt würde die auch mal so was kaufen."
Auch die Fleischwirtschaft hat unter dem Druck der Markteinbußen angekündigt, die Eigenkontrollen in den Betrieben zu verschärfen. "Produktsicherheitssystem" ist für den pünktlich zur BSE-Krise gegründeten Verband der Fleischwirtschaft das Zauberwort. Am Ende soll ein neues Prüfsiegel Fleisch stehen. Doch das Signet, betont der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des VDF, Klaus Dieter Baehrfeld, stehe bei den neuen Bemühungen der Fleischwirtschaft nicht im Vordergrund.
Dieter Baehrfeld: "Mit Siegeln kann man nicht viel einfahren. Man muss Systeme haben. Das, was wir da moderiert von der CMA entwickelt haben, das ist eigentlich nichts weiter, als ein modernes Qualitätsmanagementsystem in einer Produktionskette, angefangen vom Ferkel bis hin zum Teilstück. Es ist nicht das Siegel - das System muss verändert werden."
Neben den Bio-Signets und den CMA-Siegeln gibt es in der Bundesrepublik auch noch Kennzeichen über die Zusammensetzung der Lebensmittel, dazu, ob sie gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten und woher sie stammen. Verwirrend ist dabei namentlich die lange Liste der Inhaltsstoffe. Mühselig und allzu oft undurchschaubar für den Verbraucher, weiß Vera Kaftan, aber nicht zu ändern:
Vera Kaftan: "Die Gesetzgebung geht von dem aufgeklärten Verbraucher aus, und das ist in der Tat für den Verbraucher schwierig. Wer kann schon durchblicken, was diese ganzen chemischen Bezeichnungen bedeuten? Schon wenn Sie Begriffe rund um das Aroma aufgreifen: Wer weiß schon, was hinter dem Begriff "naturidentisches Aroma" steckt oder hinter dem Wort "natürliches Aroma"? Wer weiß, dass das nicht unbedingt das Aroma direkt aus der Himbeere ist, sondern dass das auch aus den Sägespänen stammen kann? - Es hilft nichts: Der Gesetzgeber geht davon aus: Der Verbraucher ist aufgeklärt."
Gentechnik gehört - dies immerhin eine gute Nachricht - keineswegs zu den üblichen Bestandteilen deutscher Lebensmittel. Gentech darf in der Bundesrepublik nicht vermarktet werden. Da jedoch andererseits Verunreinigungen mit gentechnisch verändertem Material in der Grenzen und Kontinente überschreitenden Lebensmittelproduktion nicht ganz ausgeschlossen werden können, hat der Gesetzgeber einen Schwellenwert von einem Prozent Gentech-Anteil gesetzt. Wessen Produkt diese Schwelle überschreitet, muss es als gentech-haltig kennzeichnen. In der Regel wird der Grenzwert von einem Prozent in deutscher Ware unterschritten - das hat eine Untersuchung der Stiftung Warentest vom vergangenen Jahr gezeigt. Zudem verhalten sich manche Hersteller zu der bei den Verbrauchern äußerst unbeliebten Gentechnik vorbildlich:
Vera Kaftan: "Sehr seriöse Hersteller - wir hatten zum Beispiel ein Produkt von HIPP dabei - weisen darauf hin, bei der Sojamilch für Säuglinge beispielsweise, dass es nicht immer ausgeschlossen werden kann, dass unabsichtlich ganz geringe Spuren Gentechnik enthalten sein können. Das ist sehr ehrenwert und sehr zu loben. Das ist so."
Nach dem Vorbild der deutschen Rindfleischetikettierungsverordnung sind auch andere Zweige der Fleischwirtschaft inzwischen dazu übergegangen, die Herkunft ihrer Waren zu kennzeichnen. Dreimal D (für Geburt, Mast und Schlachtung in Deutschland) gilt zum Beispiel der Geflügelwirtschaft als Ausweis hoher Qualität. Doch spätestens seit der Entdeckung des ersten BSE-Falls in Deutschland dürfte sich die Gleichung "deutsch ist sicher" überlebt haben. Zwar rät die Stiftung Warentest (und nicht sie allein) dazu, regional, weil umwelt- und tierfreundlich, einzukaufen.
Vera Kaftan: "Auf der anderen Seite denke ich nicht, dass das Siegel 'Deutschland' apriori immer für eine höhere Qualität steht. Es gibt durchaus in unseren Nachbarländern - ich denke da vor allem an Dänemark - sehr viel Ökolandbau. Also, ich sehe nicht prinzipiell einen Grund, unbedingt allem gegenüber misstrauisch zu sein, was aus anderen Ländern stammt." Die Fülle der Lebensmittelkennzeichen (ob sinnvoll, überflüssig oder gar irreführend) ist groß. Und die neue Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hat angekündigt, zwei staatliche Embleme hinzufügen zu wollen: ein Ökoland-Siegel und eines für Mindeststandards in der konventionellen Landwirtschaft. Damit könnte Renate Künast den Verleihern eingeführter Prüfzeichen Konkurrenz machen. - Für die Verbraucher bedeutet die neue Agrarpolitik im Bund vor allem eines: Das Angebot von Bio-Waren wird deutlich steigen - die Preise für Lebensmittel auch. Sind die deutschen Konsumenten bereit, da mitzumachen? - Helmut Brachtendorff von der CMA gibt eine klare Antwort:
Helmut Brachtendorff: "In der Vergangenheit waren sie es nicht. Es ist einfach so, dass die Marktsegmente bei den Diskountern immer größer geworden sind und das spricht nicht dafür, dass die Verbraucher bereit waren, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Das ist eine wichtige Sache, dass der Verbraucher nicht nur den Preis kennt, sondern auch den Wert."
Umfragen sprechen dafür, dass die Verbraucher bereit sind, umzudenken. Zwischen 10 und 25 Prozent mehr Geld würden sie ohne großes Murren ausgeben, wenn sie dafür gesunde und appetitliche Lebensmittel bekämen.
Verbraucher: (zustimmend)...."dann gibt es eben Kartoffelsuppe ohne Würstchen."
Vera Kaftan: "Immer, wenn auf dem Produkt in irgendeiner Form biologisch oder ökologisch draufsteht, dann ist das so geschützt, dass das auch aus biologischem Anbau stammen muss. Das bezieht sich auf die Düngung, auf die Mast, auf die artgerechte Haltung, das sind sehr ausgefeilte Richtlinien, die sind zum Teil auch unterschiedlich. Aber nach diesen Richtlinien wurde das Produkt gefertigt."
Auch Handelsmarken ("Naturkind" bei Tengelmann zum Beispiel oder "Füllhorn" bei REWE) sind nach Auskunft Vera Kaftans verlässlich. Wirbt ein Hersteller aber mit Aufdrucken wie "BSE-frei" oder "BSE-getestet", dann ist Vorsicht angebracht, weil eine Sicherheit suggeriert wird, die niemand bieten kann. Selbst, wenn das Produkt tatsächlich auf die Rinderkrankheit untersucht wurde, ist keinesfalls sicher, dass es wirklich BSE-frei ist. Die bislang zur Verfügung stehenden Tests sind nicht in jedem Fall aussagekräftig. Und auch vor schwammigen Begriffen (all jenen also, die nicht "biologisch" oder "ökologisch" heißen), warnt die Fachfrau von der Stiftung Warentest:
Vera Kaftan: "Dieses ganze Wortgeklingel um integriert, kontrolliert, naturnah ...da ist kein Verlass, lässt man sich leicht von täuschen, wenn da noch ein Bauernhof abgebildet ist auf dem Produkt, da sollte man sich nicht verführen lassen. Der Begriff integriert spricht dafür, dass gewisse Richtlinien erfüllt sind, .... aber das andere ist willkürlich, das kann jeder machen, wie er will."
Wirklich nachhaltig wirtschaftende Bauern haben sich in der "Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau", in der AGÖL, versammelt. Ihre Mitglieder erfüllen - mindestens - die Vorschriften der 1991 erlassenen und inzwischen mehrfach nachgebesserten Verordnung der Europäischen Union über den ökologischen Landbau. Konkret bedeutet das: biologische und mechanische Anbaumethoden, Verzicht auf chemisch-synthetische Hilfsstoffe, Anbau von Grünpflanzen, Pflanzenschutzmittel (und auch dann keine chemischen) sind nur im äußersten Notfall zugelassen. Jedes Tier muss genügend Raum haben, Unterbringung und Auslauf im Freien sind in der EU-Verordnung genau geregelt, Tierfutter muss aus ökologischer Erzeugung stammen (am besten vom eigenen Hof), Kälber und Ferkel werden über einen Mindestzeitraum mit Muttermilch ernährt. Die Mitglieder der deutschen "Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau" gehen über diese Mindeststandards meist noch hinaus. Der wichtigste Unterschied der Regeln von Naturland, Bioland und Demeter (um nur die größten drei AGÖL-Mitglieder zu nennen) zu den Regeln der Europäischen Union ist, dass sie ihre Höfe komplett biologisch betreiben. Die EU lässt dagegen Mischbetriebe aus konventioneller und ökologischer Landwirtschaft zu - solange die Bioproduktion von der herkömmlichen säuberlich getrennt ist. Dass die AGÖL-Betriebe die Vorschriften einhalten, müssen sie dokumentieren; von unabhängigen Stellen werden sie regelmäßig kontrolliert. Schwarze Schafe, sagt Michael Stienen (Geschäftsführer der Naturland-Zeichen GmbH), gebe es in der Branche kaum noch. Der Markt sei bereinigt, und obwohl auch Bio-Höfe BSE-Freiheit nicht 100prozentig garantieren könnten, habe der Verbraucher bei Bio-Rindfleisch die größtmögliche Sicherheit:
Michael Stienen: "Tiermehl war nie erlaubt, nie.....EU-weit jetzt auch verboten. Das ist schon mal die größte Wahrscheinlichkeit für BSE Übertragung ausgeschlossen. Das gleiche gilt für Milchaustauscher...das ist nie zugelassen gewesen."
Für ebenso verlässlich erklärt Naturland seine Produktion von Gemüse und Obst und deren Kontrolle. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern international:
Michael Stienen: "Sie haben eine Müslitüte....da ist nicht nur deutscher Rohstoff drin und um da sicher zu sein, muss ich auch im Ausland zertifizieren."
Wer sich nicht nur gesund, sondern auch vital ernähren möchte, der ist bei Demeter an der richtigen Adresse. Dieser Verband wirtschaftet nach der anthroposophischen Philosophie Rudolf Steiners: Tierfutter wird mit Pflanzenextrakten angereichert, und auch die Sterne können schon einmal befragt werden. Zusätzlich zu der ökologischen Qualität der Produkte, erläutert Sprecher Steffen Borzner, bieten Demeter-Waren deshalb auch Vitalqualität:
Steffen Borzner: "Sie ernähren sich ja nicht nur mit Zucker und Vitaminen...es geht auch um "Vitalqualität", eine andere Ernährungsenergie, die uns vital und jung hält."
Das klingt gut, und in der Biohalle der Grünen Woche tummeln sich die Besucher dann auch besonders gern. Öko-Möhren werden probiert und für schmackhafter befunden als ihr Pendant aus der konventionellen Produktion. Und doch scheint es so, dass das erschütterte Verbraucher-Vertrauen beim biologischen Landbau nicht halt macht:
Verbraucher: "Da haben wir noch Kontroversen, meine Frau und ich.....Sie ist kostenbewusster, ich kann das ja nicht nachprüfen....ich kauf ja auch mit dem Auge...ich bin sehr skeptisch...Etikettenschwindel....Eierkauf nur vom Biobauern....das glaube ich nun wieder."
Am anderen Ende der Fressmesse, der Grünen Woche in Berlin, unterhält die CMA eine eigene Halle. Dort stellt die Centrale Marketing-Agentur der deutschen Agrarwirtschaft regionale Spezialitäten aus. Wurst aus Bayern, Saumagen aus der Pfalz, Würste aus Thüringen werden goutiert. In Halle 20, hat CMA-Sprecher Helmut Brachtendorff beobachtet, ist von BSE und einer Vertrauenskrise bei den Verbrauchern nichts zu spüren. Das CMA-Prüfsiegel für Fleisch und das CMA-Gütezeichen für andere Produkte hat sich den Konsumenten eingeprägt. Zur CMA haben nach wie vor viele Vertrauen:
Verbraucher: "Absolut, da habe ich Vertrauen....Das geht in Ordnung. Besteht ja schon 20-30 Jahre - da habe ich Vertrauen zu."
Das ist umso erstaunlicher, als das CMA-Signet fast ausschließlich auf Waren der herkömmlichen Landwirtschaft prangt. Im Unterschied zu den Bio-Verbänden prüft die CMA nämlich nicht die Produktionsweise, sondern die Waren-Qualität.
Vera Kaftan: "Die CMA ist die Marketingagentur der deutschen Landwirtschaft. Güte der Produkte.....Schmackhaftigkeit ...keine Garantie für artgerechte Tierhaltung. CMA-Fleisch kann auch aus der industriellen Landwirtschaft kommen mit allen Nachteilen, von denen wir jetzt wissen."
Während die Bio-Marken von der BSE-Krise profitieren dürften, könnte die CMA in Bedrängnis geraten. Keine absolute, sondern die höchstmögliche Sicherheit für Rindfleisch mit dem CMA-Prüfsiegel glaubt Helmut Brachtendorff garantieren zu können:
Helmut Brachtendorff: "Die absolute Sicherheit können wir nicht garantieren. Höchstmaß an Sicherheit, aber nicht absolut. Wir werden gezielt nicht mit dem Slogan "BSE-getestet". Vorsicht, damit das nicht die absolute Sicherheit suggeriert."
Auch in der pflanzlichen Produktion erreichen die mit dem CMA-Gütezeichen versehenen Waren keineswegs das Niveau der Bio-Marken. Die Vorschriften für die herkömmliche Landwirtschaft sind auch in diesem Segment weniger streng:
Helmut Brachtendorff: "Das sind Vorschriften des integrierten Anbaus...Limit bei Pflanzenschutz....Gurken, Gemüse und ähnliche Dinge."
Zu behaupten, dass sich die CMA dem Aufbruch in eine biologische Landwirtschaft gänzlich verschließen würde, wäre allerdings unfair. Zusammen mit der AGÖL hat sie schon vor geraumer Zeit ein gemeinsames Öko-Prüf-Zeichen, das sogenannte ÖPZ, entwickelt. Bislang schmückt es zwar erst wenige Waren in wenigen Handelshäusern. Doch die Kriterien für seine Vergabe sind ebenso streng wie die der "Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft". Wieso ist das zusätzliche Siegel dann überhaupt nötig? - Die Antwort gibt Fred Hoffmann, Geschäftsführer der Öko-Prüfzeichen-GmbH:
Fred Hoffmann: "In Produkten des ökologischen Landbaus gibt es 80-120 Zeichen. Ich bin selbst Verbraucher. Wirrwarr. Verunsicherung. Wir brauchen ein einheitliches Zeichen und das ist das ÖPZ."
Nicht alle in der AGÖL versammelten Bio-Anbieter sind glücklich über die Zusammenarbeit mit der CMA. Sie fürchten, dass ihre eigenen Label an Einfluss verlieren; sie fürchten auch, durch die Kooperation mit der Marketing-Agentur der konventionellen Landwirtschaft ihr sauberes Image einzubüßen. Andererseits locken neue Vermarktungschancen, die nur die CMA in dieser Breite bieten kann. Bisher sind Öko-Produkte vor allem in Öko-Läden oder ab Hof zu beziehen. Mit ihrer Verbreitung im normalen Einzelhandel könnten viele neue Kunden gewonnen werden. Und eben dies verspricht die CMA den Bio-Betrieben:
Helmut Brachtendorff: "Das war das Ziel...breiterer Absatzweg. Meine Mutter würde nicht in den Ökoladen gehen, aber im Supermarkt würde die auch mal so was kaufen."
Auch die Fleischwirtschaft hat unter dem Druck der Markteinbußen angekündigt, die Eigenkontrollen in den Betrieben zu verschärfen. "Produktsicherheitssystem" ist für den pünktlich zur BSE-Krise gegründeten Verband der Fleischwirtschaft das Zauberwort. Am Ende soll ein neues Prüfsiegel Fleisch stehen. Doch das Signet, betont der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des VDF, Klaus Dieter Baehrfeld, stehe bei den neuen Bemühungen der Fleischwirtschaft nicht im Vordergrund.
Dieter Baehrfeld: "Mit Siegeln kann man nicht viel einfahren. Man muss Systeme haben. Das, was wir da moderiert von der CMA entwickelt haben, das ist eigentlich nichts weiter, als ein modernes Qualitätsmanagementsystem in einer Produktionskette, angefangen vom Ferkel bis hin zum Teilstück. Es ist nicht das Siegel - das System muss verändert werden."
Neben den Bio-Signets und den CMA-Siegeln gibt es in der Bundesrepublik auch noch Kennzeichen über die Zusammensetzung der Lebensmittel, dazu, ob sie gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten und woher sie stammen. Verwirrend ist dabei namentlich die lange Liste der Inhaltsstoffe. Mühselig und allzu oft undurchschaubar für den Verbraucher, weiß Vera Kaftan, aber nicht zu ändern:
Vera Kaftan: "Die Gesetzgebung geht von dem aufgeklärten Verbraucher aus, und das ist in der Tat für den Verbraucher schwierig. Wer kann schon durchblicken, was diese ganzen chemischen Bezeichnungen bedeuten? Schon wenn Sie Begriffe rund um das Aroma aufgreifen: Wer weiß schon, was hinter dem Begriff "naturidentisches Aroma" steckt oder hinter dem Wort "natürliches Aroma"? Wer weiß, dass das nicht unbedingt das Aroma direkt aus der Himbeere ist, sondern dass das auch aus den Sägespänen stammen kann? - Es hilft nichts: Der Gesetzgeber geht davon aus: Der Verbraucher ist aufgeklärt."
Gentechnik gehört - dies immerhin eine gute Nachricht - keineswegs zu den üblichen Bestandteilen deutscher Lebensmittel. Gentech darf in der Bundesrepublik nicht vermarktet werden. Da jedoch andererseits Verunreinigungen mit gentechnisch verändertem Material in der Grenzen und Kontinente überschreitenden Lebensmittelproduktion nicht ganz ausgeschlossen werden können, hat der Gesetzgeber einen Schwellenwert von einem Prozent Gentech-Anteil gesetzt. Wessen Produkt diese Schwelle überschreitet, muss es als gentech-haltig kennzeichnen. In der Regel wird der Grenzwert von einem Prozent in deutscher Ware unterschritten - das hat eine Untersuchung der Stiftung Warentest vom vergangenen Jahr gezeigt. Zudem verhalten sich manche Hersteller zu der bei den Verbrauchern äußerst unbeliebten Gentechnik vorbildlich:
Vera Kaftan: "Sehr seriöse Hersteller - wir hatten zum Beispiel ein Produkt von HIPP dabei - weisen darauf hin, bei der Sojamilch für Säuglinge beispielsweise, dass es nicht immer ausgeschlossen werden kann, dass unabsichtlich ganz geringe Spuren Gentechnik enthalten sein können. Das ist sehr ehrenwert und sehr zu loben. Das ist so."
Nach dem Vorbild der deutschen Rindfleischetikettierungsverordnung sind auch andere Zweige der Fleischwirtschaft inzwischen dazu übergegangen, die Herkunft ihrer Waren zu kennzeichnen. Dreimal D (für Geburt, Mast und Schlachtung in Deutschland) gilt zum Beispiel der Geflügelwirtschaft als Ausweis hoher Qualität. Doch spätestens seit der Entdeckung des ersten BSE-Falls in Deutschland dürfte sich die Gleichung "deutsch ist sicher" überlebt haben. Zwar rät die Stiftung Warentest (und nicht sie allein) dazu, regional, weil umwelt- und tierfreundlich, einzukaufen.
Vera Kaftan: "Auf der anderen Seite denke ich nicht, dass das Siegel 'Deutschland' apriori immer für eine höhere Qualität steht. Es gibt durchaus in unseren Nachbarländern - ich denke da vor allem an Dänemark - sehr viel Ökolandbau. Also, ich sehe nicht prinzipiell einen Grund, unbedingt allem gegenüber misstrauisch zu sein, was aus anderen Ländern stammt." Die Fülle der Lebensmittelkennzeichen (ob sinnvoll, überflüssig oder gar irreführend) ist groß. Und die neue Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hat angekündigt, zwei staatliche Embleme hinzufügen zu wollen: ein Ökoland-Siegel und eines für Mindeststandards in der konventionellen Landwirtschaft. Damit könnte Renate Künast den Verleihern eingeführter Prüfzeichen Konkurrenz machen. - Für die Verbraucher bedeutet die neue Agrarpolitik im Bund vor allem eines: Das Angebot von Bio-Waren wird deutlich steigen - die Preise für Lebensmittel auch. Sind die deutschen Konsumenten bereit, da mitzumachen? - Helmut Brachtendorff von der CMA gibt eine klare Antwort:
Helmut Brachtendorff: "In der Vergangenheit waren sie es nicht. Es ist einfach so, dass die Marktsegmente bei den Diskountern immer größer geworden sind und das spricht nicht dafür, dass die Verbraucher bereit waren, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben. Das ist eine wichtige Sache, dass der Verbraucher nicht nur den Preis kennt, sondern auch den Wert."
Umfragen sprechen dafür, dass die Verbraucher bereit sind, umzudenken. Zwischen 10 und 25 Prozent mehr Geld würden sie ohne großes Murren ausgeben, wenn sie dafür gesunde und appetitliche Lebensmittel bekämen.
Verbraucher: (zustimmend)...."dann gibt es eben Kartoffelsuppe ohne Würstchen."