Die wahren Wölfe hocken hinter den Gardinen, da wo auf den ersten Blick alles wohlgeordnet und geregelt erscheint. Zum Beispiel in der Reiheneckhaushälfte der Familie Bauer irgendwo im Ruhrgebiet. Ein Mann, der fast nie zu Hause ist. Eine Frau die sich fast nicht mehr aus dem Hause traut und zwei Puppen zu ihren Babys erklärt. Eine Halbwüchsige, die ein Verhältnis mit einem doppelt so alten Mann hat und ein kleiner Junge mit heftigen Spielfantasien. Sie alle leisten sich zusammen eine Haushälterin, die den Dreck wegmachen soll, den die Familie jeden Tag aufhäuft. Von Anfang an ist aber klar, dass sie mehr sein soll – ein Opfer der Wölfe.
"Wo habt ihr sie her?"
"Wo haben wir sie her, Claudia?"
"Da geht das, ja?"
"Was geht?"
"Na, das man so was findet."
"Was meinst du mit so was?"
"Na, so'n Mädchen – zum Arbeiten."
Haushälterin Fiona teilt den Alltag der Bauers, muss sich an ritualisierten Gesellschaftsspielen beteiligen, Reste essen und Eierlikör trinken. Nach und nach werden die perversen Strukturen dieses Bürgerlebens enthüllt. Diese Familie ist eigentlich mausetot, seelisch sogar schon verwest. Die Anwesenheit von Fiona aber bringt Leben in die Bude. Vater Wolfgang veranstaltet mit ihr Spielchen am Rande einer Vergewaltigung, zum Beispiel wenn er ihr den restlichen Kartoffelsalat reinwürgt. In seinen Fantasien, die er keineswegs für sich behält, geht er noch weiter und imaginiert sich Ehefrau und Hausmädchen als anturnendes Begierdeknäuel.
Als "Kindermädchen" der Puppenbabys ist Fiona außerdem den Launen der "Puppenmutter" ausgeliefert, die schon ihr Klimakterium beklagt. Und die beiden echten Kinder der Familie schubsen sie mit routinierter Grausamkeit herum. Der kleine Jürgen, den sie zum Schwimmen begleiten und wieder abholen muss, deutet ihr mit bösem Zungenschlag eine Lösung aller Beziehungsdebakel an.
"Skorpione bringen sich selbst um, wenn sie vom Feuer eingeschlossen sind. Wusstest du das?"
"Noch nie gehört."
In ihrem Debütspielfilm ruft die Absolventin der Münchner Filmhochschule Jessica Krummacher Erinnerungen an das Kino der Grausamkeit des Österreichers Ulrich Seidl ab und zitiert in ihrem träumenden Drehstil Pier Paolo Pasolini bittere Erweckungsfantasie "Teorema", in der ein "schwarzer Engel" die Brüche und Risse in der bürgerlichen Wohlanständigkeit zum Vorschein bringt. Man mag auch gelegentlich an die sexuellen und sadistischen Spielanordnungen des Marquis de Sade denken. Und auch Claude Chabrols bourgeoisie-kritische Krimis stehen manchmal Pate. Außerdem ist dem Film visuell eine sperrige schroffe Oberfläche zu eigen. Kein Glanz ist anwesend in dieser Hütte. Ganz unvollständig wäre der Film aber, wenn es der Regisseurin nicht gelänge, Fiona, der Gegenfigur der bürgerlichen Alltagshölle, eine Chance zu geben, ihre Verletzlichkeit und ihre Schwäche - die eigentlich eine Stärke ist - zu zeigen. Daran verzweifelt letztlich auch das Vaterungetüm der Familie.
"Machst du das eigentlich für immer?"
"Was?"
"Na, dieses Hausmädchenleben da?"
"Weiß ich nicht, nein, jetzt mach ich's erst mal."
"Und dann?"
"Weiß ich nicht."
"Du musst doch wissen, was du machen willst."
"Weiß ich nicht."
"Sie muss doch wissen was sie machen will, oder?"
"Du musst doch wissen was du machen willst."
Auch als erster Film wirkt Jessica Krummachers Abschlussfilm an der Filmhochschule schon sehr ausgewogen und stilistisch äußerst konsequent. Im Käfig der Albträume lebt es sich nicht angenehm. Das gilt auch für die Inszenierung. Man muss das nicht mögen, sollte aber auf jeden Fall den Hut ziehen vor so viel Mut und Konsequenz im allerjüngsten deutschen Kino. Es ist immer ein besonderer Moment, wenn in einem Erstlingswerk schon ein Funke der Meisterschaft aufblitzt. Das sollte man der jungen Filmemacherin besser noch nicht persönlich sagen. Aber wer sehen kann, sieht es gleich.
Zu den besonderen Qualitäten gehört übrigens auch die Wahl von Natja Brunckhorst für die Rolle der Mutter. Die Schauspielerin erlebte als Christiane F. in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" 1981 als 13-Jährige einen märchenhaften Start. Danach war sie bei Rainer-Werner Fassbinder in seinem letzten Film "Querelle" zu sehen. Neben kleinen Rollen schrieb sie 2009 sogar das Drehbuch für einen "Tatort". Schwer war der Weg zurück. In "Totem" ist sie eine Art böser Hexe, mit der man aber auch Mitleid bekommen kann. So elementar verletzt wirkt sie.
"Wo habt ihr sie her?"
"Wo haben wir sie her, Claudia?"
"Da geht das, ja?"
"Was geht?"
"Na, das man so was findet."
"Was meinst du mit so was?"
"Na, so'n Mädchen – zum Arbeiten."
Haushälterin Fiona teilt den Alltag der Bauers, muss sich an ritualisierten Gesellschaftsspielen beteiligen, Reste essen und Eierlikör trinken. Nach und nach werden die perversen Strukturen dieses Bürgerlebens enthüllt. Diese Familie ist eigentlich mausetot, seelisch sogar schon verwest. Die Anwesenheit von Fiona aber bringt Leben in die Bude. Vater Wolfgang veranstaltet mit ihr Spielchen am Rande einer Vergewaltigung, zum Beispiel wenn er ihr den restlichen Kartoffelsalat reinwürgt. In seinen Fantasien, die er keineswegs für sich behält, geht er noch weiter und imaginiert sich Ehefrau und Hausmädchen als anturnendes Begierdeknäuel.
Als "Kindermädchen" der Puppenbabys ist Fiona außerdem den Launen der "Puppenmutter" ausgeliefert, die schon ihr Klimakterium beklagt. Und die beiden echten Kinder der Familie schubsen sie mit routinierter Grausamkeit herum. Der kleine Jürgen, den sie zum Schwimmen begleiten und wieder abholen muss, deutet ihr mit bösem Zungenschlag eine Lösung aller Beziehungsdebakel an.
"Skorpione bringen sich selbst um, wenn sie vom Feuer eingeschlossen sind. Wusstest du das?"
"Noch nie gehört."
In ihrem Debütspielfilm ruft die Absolventin der Münchner Filmhochschule Jessica Krummacher Erinnerungen an das Kino der Grausamkeit des Österreichers Ulrich Seidl ab und zitiert in ihrem träumenden Drehstil Pier Paolo Pasolini bittere Erweckungsfantasie "Teorema", in der ein "schwarzer Engel" die Brüche und Risse in der bürgerlichen Wohlanständigkeit zum Vorschein bringt. Man mag auch gelegentlich an die sexuellen und sadistischen Spielanordnungen des Marquis de Sade denken. Und auch Claude Chabrols bourgeoisie-kritische Krimis stehen manchmal Pate. Außerdem ist dem Film visuell eine sperrige schroffe Oberfläche zu eigen. Kein Glanz ist anwesend in dieser Hütte. Ganz unvollständig wäre der Film aber, wenn es der Regisseurin nicht gelänge, Fiona, der Gegenfigur der bürgerlichen Alltagshölle, eine Chance zu geben, ihre Verletzlichkeit und ihre Schwäche - die eigentlich eine Stärke ist - zu zeigen. Daran verzweifelt letztlich auch das Vaterungetüm der Familie.
"Machst du das eigentlich für immer?"
"Was?"
"Na, dieses Hausmädchenleben da?"
"Weiß ich nicht, nein, jetzt mach ich's erst mal."
"Und dann?"
"Weiß ich nicht."
"Du musst doch wissen, was du machen willst."
"Weiß ich nicht."
"Sie muss doch wissen was sie machen will, oder?"
"Du musst doch wissen was du machen willst."
Auch als erster Film wirkt Jessica Krummachers Abschlussfilm an der Filmhochschule schon sehr ausgewogen und stilistisch äußerst konsequent. Im Käfig der Albträume lebt es sich nicht angenehm. Das gilt auch für die Inszenierung. Man muss das nicht mögen, sollte aber auf jeden Fall den Hut ziehen vor so viel Mut und Konsequenz im allerjüngsten deutschen Kino. Es ist immer ein besonderer Moment, wenn in einem Erstlingswerk schon ein Funke der Meisterschaft aufblitzt. Das sollte man der jungen Filmemacherin besser noch nicht persönlich sagen. Aber wer sehen kann, sieht es gleich.
Zu den besonderen Qualitäten gehört übrigens auch die Wahl von Natja Brunckhorst für die Rolle der Mutter. Die Schauspielerin erlebte als Christiane F. in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" 1981 als 13-Jährige einen märchenhaften Start. Danach war sie bei Rainer-Werner Fassbinder in seinem letzten Film "Querelle" zu sehen. Neben kleinen Rollen schrieb sie 2009 sogar das Drehbuch für einen "Tatort". Schwer war der Weg zurück. In "Totem" ist sie eine Art böser Hexe, mit der man aber auch Mitleid bekommen kann. So elementar verletzt wirkt sie.