Cheng Po-pu war der erste. Der Gewichtheber aus Taiwan ist die Nummer eins auf der Liste der ertappten Doping-Sünder, die sich bereits am Ort der Olympischen Sommerspiele in Sydney aufhielten und wieder nach Hause geschickt wurden. Es ist allerdings bereits der 32. Sportler, der vor der Eröffnungsfeier morgen wegen Dopingvergehen aus dem Verkehr gezogen wurde. Allein China hatte in einer weltweit aufsehenerregenden Aktion dieser Tage 27 Athleten den Olympia-Start verweigert.
Cheng Po-pu war bei einem Wettkampf vergangenen Monat in Taiwan positiv getestet worden, das Ergebnis hat der Weltverband der Gewichtheber jetzt bekannt gegeben. In den meisten Fällen eines unerwartet freiwilligen Olympia-Verzichts wie bei den Chinesen spielte aber offenbar vor allem die Angst eine Rolle, die erstmals bei Olympischen Spielen praktizierten Epo-Kontrollen würden die Manipulationssünden gewisser Athleten ans Tageslicht bringen.
Beim Erythropoietin, kurz Epo genannt, handelt es sich um die seit langem bekannte und wohl effektivste Substanz für Dauerleister unter den Sportlern. Mit dem Epo-Hormon wird über die roten Blutkörperchen verstärkt Sauerstoff im Blut gebunden und an die Zellmembrane der Muskelfaser transportiert. Zugleich hat die Substanz aber den Nachteil, dass das Blut verdickt und damit thrombotische Zustände auslöst, die zum Herzinfarkt führen können. In der Szene sind als Folge dessen zahlreiche Todesfälle, etwa von Radsportlern in Belgien, bekannt.
Nach dem Doping-Skandal 1998 in der Tour de France, dem spektakulärsten Radrennen der Welt, war die internationale Öffentlichkeit aufgeschreckt. Nicht zuletzt die europäischen Sportminister artikulierten daraufhin heftige Kritik an der Untätigkeit des Internationalen Olympischen Komitees, das unter seinem Präsidenten Juan Antonio Samaranch als Anspruch proklamiert, eine Art Weltregierung des Sports zu sein. Unter dem öffentlichen Druck war das IOC gezwungen zu reagieren. Bei einer Weltkonferenz gegen Doping-Manipulation Anfang 1989 wurde die Gründung einer weltweiten Anti-Doping-Agentur, der sogenannten WADA, beschlossen, die mit Beginn dieses Olympia-Jahres ihre Arbeit aufgenommen hat. In der Frage der Doping-Kontrollen nach Epo allerdings bewegte sich lange nichts. Und so war es eine große Überraschung, als die IOC-Exekutive einen Monat vor den Sydney-Spielen das wissenschaftliche und juristische Okay für Epo-Kontrollen bei den Spielen 2000 gab. Der IOC-Präsident:
Ja, das halte ich auch für völlig unrealistisch. Wir sind noch weit davon entfernt, und wir werden es vielleicht nie erreichen, einen echt sauberen Sport zu erhalten. Aber wenn wir von nicht sauberem Sport sprechen, dann sprechen wir von einem ganz kleinen Anteil von Sportlern, die das wirklich machen. Das muß man immer hervorheben. Man muß das Image der Sportler schon schützen, die es eben nicht tun, und die Mehrzahl der Sportler ist eben mit Doping überhaupt nicht in Kontakt. Es gibt einige wenige, die es dann machen. Wir werden auch in Sydney einige Fälle erleben. Davon kann man ausgehen. Rein statistisch gesehen glaube ich daran, dass wir was erleben werden. Es kommt eben darauf an, dass man in aller Offenheit und in aller Härte auch damit umgeht. Das ist glaube ich die Frage. Dass es Betrug gibt, das ist in jedem Gesellschaftsbereich so. Davon ist auch der Sport nicht frei. Nur es kommt auf den Umgang damit an, und da bin ich mal gespannt.
Nach diesem Befreiungsschlag wurde der IOC-Präsident schon wieder übermütig. Sydney würden die ersten wirklich sauberen Spielen in der olympischen Geschichte werden, verbreitete er in mehreren Interviews. Für Wissenschaftler, Mediziner und nicht zuletzt für Athleten war dies schon wieder eine beängstigende, weil sportfremde Lachnummer. Das deutsche IOC-Mitglied, Athletenvertreter Roland Baar, zweimaliger Medaillen-Gewinner im Boot des Deutschland-Achters 1992 und '96, hält diese Aussage für völlig abwegig.
Man muss natürlich hoffen, dass die Spiele so sauber wie möglich werden, aber mit der für mich nicht nachvollziehbaren Verzögerung der Validierung und damit Etablierung von Wachstumshormon-Nachweisen muß man davon ausgehen, dass die Sydney-Spiele nicht sauber werden, sondern das ist quasi eine Einladung zum Wachstumshormon-Doping, dass das IOC in den Schritten, die es ergriffen hat, in letzter Konsequenz verhindert hat, dass Wachstumshormon-Doping in Sydney nachweisbar wird.
Auch der Münchener Genetiker Dr. Christian Strasburger, der sich mit einer Forschergruppe um den Nachweis von Wachstums-Hormonen verdient gemacht hat, kann über die Samaranchsche Fehleinschätzung nur den Kopf schütteln.
Die Daten für diesen Bluttest sind ja auch schon in anderen Laboratorien mit untersucht worden. Auch hier in Köln und anderen Laboratorien haben wir auf diese Parameter gesetzt, Epo-Konzentration selber, sogenannte Eisenrezeptoren. Wenn wir anhand dieser Parameter jetzt - und das ist auch so vorgesehen - Verdachtsmomente haben, dass ein Athlet hier mit Epo gearbeitet hat, dann soll anschließend an einer Urinprobe, die gleichzeitig genommen worden ist, dann eine Unterscheidung erfolgen nach dem Verfahren, was die französischen Wissenschaftler entwickelt haben. Ich gehe davon aus, dass mit der A-Probe erst mal eine Screening-Methode nach dem Blutverfahren gemacht wird. Wenn dann ein Verdacht da ist, muß diese verdächtige Probe erst einmal mit der Urinanalyse bestätigt werden. Erst dann würde ich sagen kann man die A-Probe positiv geben. Dann muß bei der B-Analyse eigentlich nur dieser Urintest wiederholt werden. Das heißt also, nach meinem Verständnis könnte das Verfahren nicht so laufen, dass man mit der A-Probe nur Blut macht und mit der B-Probe Urin. Das würde ich juristisch schon als problematisch ansehen. Deshalb muß dann auch mit der A-Probe der Urintest eigentlich gemacht werden.
Über die Wirksamkeit der in Sydney erstmals praktizierten Epo-Kontrollen gibt es unter den Experten durchaus unterschiedliche Meinungen. Unbestritten hingegen ist die Tatsache, dass allein schon die Ankündigung solcher Tests bei zahlreichen Wettkämpfern eine erhebliche Beunruhigung erwirkt hat. Beim Epo-Test kommt in Sydney eine Kombination aus einem in Frankreich entwickelten Urin-Test und einen in Australien erprobten Blut-Test zur Anwendung, womit erstmals verlässlich zwischen körpereigenem und synthetischem, also künstlichem und von außen in den Körper eingeführten, Epo unterschieden wird. Professor Wilhelm Schänzer, der Leiter des Kölner Doping-Analytik-Labors zum Verfahren:
In der Hinsicht kann ich natürlich auch im Augenblick gar nicht sagen, wie effektiv wird dieser Test dann eingesetzt werden können. Ich glaube, er hat erst mal eine sehr hohe Abschreckung jetzt für die Athleten. Es ist auch geplant, diesen Test nicht nur im Wettkampf durchzuführen, sondern auch schon wenn die Athleten im olympischen Dorf sind, das heißt also genau in der Phase vor dem Wettkampf, wo Epo dann eigentlich sinnvollerweise zum Doping-Missbrauch eingesetzt werden kann.
Man müsse schon ein ungewöhnlich dummer Athlet sein, wenn man durch diesen Test erwischt werde. Mit diesen drastischen Worten hat Dr. Peter Larkins, einer aus dem australischen Ärzteteam in Sydney, diesen Epo-Test als "total ineffektiv" beschrieben. In der Tat hat der medizinische Direktor des IOC, Patrick Schamasch, bestätigt, dass durch den Urin-Test nur die Epo-Aufnahme nachgewiesen werden kann, die bis zu 72 Stunden unmittelbar zuvor erfolgt ist. Länger zurückliegende Epo-Manipulationen können durch den kombinierten Blut-Urin-Test nicht nachgewiesen werden. Schamaschs Begründung: Die IOC-Wissenschaftler hätten alle anderen Tests abgelehnt, weil sie vor Gericht keinen Bestand gehabt hätten. Professor Schänzer sieht die Effektivität des Epo-Verfahrens so:
Ich glaube, dass nach wie vor Epo wohl eines der effektiv wirksamen Doping-Mittel ist, um eben im Ausdauerbereich Leistungsverbesserung zu erzielen. Diese sogenannten künstlichen Plasmaexpander oder Blutträger, wie sie jetzt heißen, die auch entwickelt werden, sind zum Teil ja noch gar nicht in der Therapie zugelassen, sind noch in der Erforschung, haben sicherlich den Nachteil, dass es in der Regel körperfremde Substanzen sind, die man zuführt in großen Mengen. Die sind dann auch entsprechend nachweisbar. Das muß man sagen. Bei Epo ist das Problem: es wird in kleinen Mengen nur appliziert. Es ist körperidentisch, zumindest in der sogenannten Eiweißstruktur. Das war eben auch das große Problem. Ich glaube, für diese anderen Sauerstoffträger wird es nicht so das große Problem sein, diese dann, wenn wir jetzt Blut zur Verfügung haben, in das Kontrollsystem mit einzubeziehen. Epo wird veraltet sein, wenn wirklich die Kontrollen dann effektiv durchgeführt werden, nämlich dann, wenn jetzt nicht nur bei olympischen Spielen kontrolliert wird, sondern wenn bei den großen Veranstaltungen generell auch außerhalb des Wettkampfes in den Trainingseinheiten Athleten überprüft werden, und zwar von allen IOC-akkreditierten Laboratorien.
Im übrigen ist sich Professor Wilhelm Schänzer, der Leiter des IOC-akkreditierten Kölner Analytik-Labors sicher, dass unverändert Epo das beliebteste Hormon bei jenen Athleten ist, die der Natur künstlich etwas nachhelfen.
Ich bin nicht enttäuscht darüber, wie das IOC uns behandelt, sondern ich bin überrascht darüber, wie das IOC sich Hilfsangeboten gegenüber stellt, die ihm beim Aufdecken von Doping behilflich sein könnten. Das ist ja nun mal erklärtermaßen ein Anliegen des IOC. Irgendwo sehe ich einen Widerspruch zwischen dem Anspruch des IOC, dort für sauberen Sport zu sorgen, und dem Verhalten in Sachen Wachstumshormone. Es betrifft ja auch nicht nur unsere Arbeitsgruppe, sondern mindestens in gleichem Maße die Arbeitsgruppe GH2000, die bereits vom IOC in seiner Arbeit gefördert wurde. Zusammen mit dem Ergebnisbericht von GH2000 haben wir im Januar ‘99 unseren unabhängigen strategischen Ansatz, Direktwachstumshormone, Unterschiede zwischen gentechnisch hergestelltem und körpereigenem nachzuweisen, dem IOC vorgelegt und wir haben zusammen mit der Gruppe GH2000 einen Verbundantrag dem IOC sowohl im März als auch dann erneut im September ‘99 eingereicht, in dem wir dargelegt haben, was aus unserer Sicht zu tun wäre, um diese sehr vielversprechenden Nachweisverfahren bis zum Zeitpunkt der olympischen Spiele in Sydney zur Einsatzreife weiterzuentwickeln. Darauf ist leider eben nie eine positive Antwort gekommen.
Mit dem Lob für den Beschluss einer erstmaligen Epo-Kontrolle unmittelbar einher ging die Kritik am Internationalen Olympischen Komitee, dass die Karawane der Betrüger inzwischen längst weitergezogen sei. Wachstums-hormon sei die Droge der Stunde, wie man in einschlägigen Kreisen doch längst wisse. An mehreren Orten gibt es Laboratorien, die intensiv daran arbeiten, den Nachweis bei Doping mit Wachstumshormonen zu führen. Aus München meldete sich bereits vor über einem Jahr Dr. Christian Strasburger beim IOC in Lausanne mit der Nachricht, man habe ein sicheres Verfahren entwickelt. Aber trotz mehrfacher, auch schriftlicher Bemühungen: Das IOC meldete sich nicht. Strasburger stellt fest:
Ich bin sehr überrascht, weil ich nie eine Einladung des IOC nach Lausanne erhalten habe. Ich hätte gerne eine Einladung nach Lausanne gehabt und ich wäre der sicherlich auch gerne gefolgt. Ich habe weder eine mündliche noch eine schriftliche Einladung vom IOC erhalten. Das einzige, was ich vom IOC schriftlich erhalten habe, war zwei Tage nach Weihnachten 1999 ein Dreizeiler, dass unser umfangreicher Forschungsvorschlag zum Thema Epo, den wir im September eingereicht haben, nicht gefördert würde. Ich habe daraufhin dem IOC zurückgeschrieben und habe darum gebeten, dass in anonymisierter Weise die Begründungen der wissenschaftlichen Experten uns zur Verfügung gestellt werden sollten, und habe auch darauf wiederum nie eine Antwort erhalten.
Als Strasburgers Kritik den IOC-Verantwortlichen vorgehalten wurde, auch dem soeben zum neuen IOC-Vizepräsidenten gewählten Deutschen Thomas Bach, wurde mit der Behauptung gekontert, Strasburger habe vom IOC eine Einladung erhalten, sein Anliegen in Lausanne vorzutragen, habe darauf aber verzichtet.
Ich glaube nicht, dass das Problem geringfügiger Ausprägung ist, denn in der Szene hießen bereits die Sommerspiele in Atlanta groth hormon games und es zirkulierte die Empfehlung, die leicht nachweisbaren Anabolika rechtzeitig abzusetzen und durch Wachstumshormon zu ersetzen. Das sei zwar teuer, aber zum Glück eben überhaupt nicht nachweisbar. Mit diesem Dogma hat unsere Veröffentlichung im März 1999 aufgeräumt und es ist zu befürchten, dass nachdem nun sicher kein Nachweis von Wachstumshormon-Doping in Sydney möglich sein wird, dieses dort erheblich zum Einsatz kommt.
Nach Überzeugung des Münchener Genetikers, der unlängst in Leipzig vom Verein Doping-Opfer-Hilfe für sein Engagement auf diesem Gebiet ausgezeichnet wurde, ergeben sich für die Olympischen Spiele in Sydney ohne Wachstums-Kontrollen eindeutige Konsequenzen.
Düstere Aussichten für die Olympischen Sommerspiele: Das IOC unter seinem Präsidenten Samaranch hat gewohnt einsilbig reagiert, als die Presse auf diese Gefahr und die Verschleppung der Problematik mit Wachstumshormonen wie HGH hingewiesen hat. Samaranch sagte knapp:
Athleten neigen dazu, alles mögliche auszuprobieren, was zum Teil auch gar nicht Sinn macht. Und da sollte man auch mal sagen, Wachstumshormon ist a viel teuerer. Es gibt nach wie vor keine Studien, die wirklich zeigen, dass man mit Wachstumshormon auch wirkliche Leistungsverbesserung erzielen kann. Ich glaube, wenn Athleten Wachstumshormon kaufen, was sehr teuer ist, und sich davon eine Leistungsverbesserung erhoffen, dann ist das meiner Ansicht nach eine Fehlinvestition. Aber wie gesagt, das sind sicherlich auch Sachen, wo man Aufklärung betreiben muß. Wir beobachten den Schwarzmarkt. Wir haben im Augenblick keine klaren Angaben, ob überhaupt Wachstumshormon diesem Umfang nach überhaupt hier Probleme machen. Wir wissen, sehr viele Wachstumshormon-Präparate sind gefälscht. Hier besteht auch die große Gefahr, auf Wachstumshormone zurückzugreifen, die aus dem russischen Bereich kommen, zum Teil nicht sauber steril sind, wo auch die Gefahr bestehen soll, sich das sogenannte Jacob-Kreuzfeld-Syndrom einzufangen. Darin besteht eine große Gefahr.
Derartige Vereinfachung trifft auch im Olympischen Zirkel inzwischen zunehmend auf Kritik. "Wir wissen, dass HGH im Hochleistungssport weit verbreitet ist. Ich bitte die Exekutive wirklich, das Problem ernster zu nehmen", mahnt das schwedische IOC-Mitglied, der renommierte Mediziner Professor Arne Ljungqvist und fordert mehr Geld vom IOC für eine effektivere Forschung auf dem Anti-Doping-Gebiet. Zu den Gefahren im Umgang mit Wachstumshormonen weiß Professor Schänzer:
Schänzers Kollege Ljungqvist sieht aber auf dem weiten Feld der medizinisch-pharmakologischen Manipulation neue drohende Gefahren. Durch die Gentechnik werde Doping in eine ganz neue Dimension vorstoßen. So sieht es auch der Kölner Biochemiker Professor Schänzer. Die düsteren Zukunftsvisionen schließen sich für ihn nahtlos an ein Horrorszenario an, wenn es gilt, die gegenwärtig meistgebräuchlichen und schon verfügbaren Mittel und Methoden des Dopings zu beschreiben.
Die gängigsten Substanzen, die im Augenblick auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden, sind sogenannte anabole Wirkstoffe. Das sind diese klassischen Anabolika wie Stanozylon-Metandienon, Nandrolon Ester, die gespritzt werden, Testosteron Ester in verschiedenen Kombinationen, die gespritzt werden. Clenbuterol ist ein ganz geläufiges Präparat, auch das Schwangerschaftshormon Chorion-gonadotropin, was die Testosteron-Produktion stimuliert. Das sind so im wesentlichen im Augenblick die Substanzen, die nach wie vor am meisten gehandelt werden und wovon wir auch wissen, dass sie effektiv im Leistungssport, wo sie ja in den letzten 20 Jahren mißbraucht worden sind, zu Leistungsverzerrungen geführt haben.
Die Zeiten, in denen Athleten Doping im Selbstversuch praktizierten, sind lange vorbei. Wer im modernen Hochleistungssport erfolgreich betrügen will, braucht ein wissenschaftlich versiertes Umfeld. Eine längst bekannte Erkenntnis, der das IOC allerdings nur halbherziges Handeln entgegenbringt. Soeben hat der Drogenbeauftragte der US-Regierung, Mc Caffrey, eine von ihm in Auftrag gegebene und mit einer Million Dollar finanzierte Studie der Columbia-Universität veröffentlicht, dass das IOC und die internationalen Sport-Fachverbände hart angreift wegen ihres laschen Engagements gegen das Doping-Unwesen.
Und die Sportler? Die Athleten sind es, die in ihrer Mehrzahl unter der weit verbreiteten Doping-Praxis leiden. Die Strenge und Ernsthaftigkeit, mit der Manipulationen aufgespürt und geahndet werden, ist weltweit höchst unterschiedlich, klagt Arnd Schmitt, der als Fecht-Olympia-Sieger von Atlanta seinen Erfolg jetzt in Sydney wiederholen möchte.
Der Kampf gegen Doping, und zwar jedwedes Doping - das ist nicht nur das Epo -, der muß geführt werden und der ist existenziell wichtig für die Zukunft des Sports. Man muß aber gleich dazu sagen, er wird wahrscheinlich nie gewonnen werden. Er muß geführt werden, aber er kann deswegen nicht gewonnen werden, weil es immer wieder Menschen geben wird, die auf neue Tests und neue Testmöglichkeiten wieder eine andere Verschleierungstaktik oder irgend etwas anderes finden werden oder zumindest suchen werden. Fakt ist, dass es uns Athleten nicht gefällt und nicht gefallen kann, dass eine Medaille heutzutage schon nicht mehr als die Leistung, die sie ist, anerkannt wird, sondern dass fast schon bei jeder Medaille dieses na ja, hat er irgendwie nachgeholfen, im Raume steht oder hinterher kommt.
Juan Antonio Samaranch war 1980 in Moskau zum IOC-Präsidenten gewählt worden. Am selben Ort wird er im kommenden Sommer, als 81-jähriger, nach 21-jähriger Präsidentschaft sein Amt dann zurückgeben. Am Beginn seiner Präsidentschaft hatte er gemahnt: Doping im Sport ist wie der Tod. Den Worten sind Taten nicht gefolgt. Unter Samaranch ist das IOC reich geworden, die Glaubwürdigkeit im Kampf um sauberen Sport aber ist auf der Strecke geblieben.
Jetzt drängt eine neue Generation ehemaliger Sportler ins IOC. Einer von ihnen ist der mehrfache Ruder-Weltmeister und Athletensprecher Roland Baar. An ihn die Frage: Ist der Kampf gegen Doping im Sport überhaupt jemals zu gewinnen?
Ich weiß nicht, ob er zu gewinnen ist, aber man kann ihn verlieren. Deswegen muß man kämpfen. Das ist eigentlich ein schönes Bild, wenn man das mit dem Sport vergleicht. Letztendlich ist es so, wie wenn man laufen würde und man hat keine Chance, als erster ins Ziel zu kommen, aber man will trotzdem nicht als letzter hineinkommen beziehungsweise stolpern. Man muss einfach sehen, dass die olympische Bewegung als solches erst mal sehr, sehr wertvoll ist. Deswegen muß man alles dafür tun, auch im Hinblick auf den gesamten anderen Sport, denn vieles geht ja von der olympischen Bewegung aus, dass man das schützt, dass man einfach diesen Kampf versucht weiterzuführen, obwohl er nach meinen Augen nicht zu gewinnen ist.
Cheng Po-pu war bei einem Wettkampf vergangenen Monat in Taiwan positiv getestet worden, das Ergebnis hat der Weltverband der Gewichtheber jetzt bekannt gegeben. In den meisten Fällen eines unerwartet freiwilligen Olympia-Verzichts wie bei den Chinesen spielte aber offenbar vor allem die Angst eine Rolle, die erstmals bei Olympischen Spielen praktizierten Epo-Kontrollen würden die Manipulationssünden gewisser Athleten ans Tageslicht bringen.
Beim Erythropoietin, kurz Epo genannt, handelt es sich um die seit langem bekannte und wohl effektivste Substanz für Dauerleister unter den Sportlern. Mit dem Epo-Hormon wird über die roten Blutkörperchen verstärkt Sauerstoff im Blut gebunden und an die Zellmembrane der Muskelfaser transportiert. Zugleich hat die Substanz aber den Nachteil, dass das Blut verdickt und damit thrombotische Zustände auslöst, die zum Herzinfarkt führen können. In der Szene sind als Folge dessen zahlreiche Todesfälle, etwa von Radsportlern in Belgien, bekannt.
Nach dem Doping-Skandal 1998 in der Tour de France, dem spektakulärsten Radrennen der Welt, war die internationale Öffentlichkeit aufgeschreckt. Nicht zuletzt die europäischen Sportminister artikulierten daraufhin heftige Kritik an der Untätigkeit des Internationalen Olympischen Komitees, das unter seinem Präsidenten Juan Antonio Samaranch als Anspruch proklamiert, eine Art Weltregierung des Sports zu sein. Unter dem öffentlichen Druck war das IOC gezwungen zu reagieren. Bei einer Weltkonferenz gegen Doping-Manipulation Anfang 1989 wurde die Gründung einer weltweiten Anti-Doping-Agentur, der sogenannten WADA, beschlossen, die mit Beginn dieses Olympia-Jahres ihre Arbeit aufgenommen hat. In der Frage der Doping-Kontrollen nach Epo allerdings bewegte sich lange nichts. Und so war es eine große Überraschung, als die IOC-Exekutive einen Monat vor den Sydney-Spielen das wissenschaftliche und juristische Okay für Epo-Kontrollen bei den Spielen 2000 gab. Der IOC-Präsident:
Ja, das halte ich auch für völlig unrealistisch. Wir sind noch weit davon entfernt, und wir werden es vielleicht nie erreichen, einen echt sauberen Sport zu erhalten. Aber wenn wir von nicht sauberem Sport sprechen, dann sprechen wir von einem ganz kleinen Anteil von Sportlern, die das wirklich machen. Das muß man immer hervorheben. Man muß das Image der Sportler schon schützen, die es eben nicht tun, und die Mehrzahl der Sportler ist eben mit Doping überhaupt nicht in Kontakt. Es gibt einige wenige, die es dann machen. Wir werden auch in Sydney einige Fälle erleben. Davon kann man ausgehen. Rein statistisch gesehen glaube ich daran, dass wir was erleben werden. Es kommt eben darauf an, dass man in aller Offenheit und in aller Härte auch damit umgeht. Das ist glaube ich die Frage. Dass es Betrug gibt, das ist in jedem Gesellschaftsbereich so. Davon ist auch der Sport nicht frei. Nur es kommt auf den Umgang damit an, und da bin ich mal gespannt.
Nach diesem Befreiungsschlag wurde der IOC-Präsident schon wieder übermütig. Sydney würden die ersten wirklich sauberen Spielen in der olympischen Geschichte werden, verbreitete er in mehreren Interviews. Für Wissenschaftler, Mediziner und nicht zuletzt für Athleten war dies schon wieder eine beängstigende, weil sportfremde Lachnummer. Das deutsche IOC-Mitglied, Athletenvertreter Roland Baar, zweimaliger Medaillen-Gewinner im Boot des Deutschland-Achters 1992 und '96, hält diese Aussage für völlig abwegig.
Man muss natürlich hoffen, dass die Spiele so sauber wie möglich werden, aber mit der für mich nicht nachvollziehbaren Verzögerung der Validierung und damit Etablierung von Wachstumshormon-Nachweisen muß man davon ausgehen, dass die Sydney-Spiele nicht sauber werden, sondern das ist quasi eine Einladung zum Wachstumshormon-Doping, dass das IOC in den Schritten, die es ergriffen hat, in letzter Konsequenz verhindert hat, dass Wachstumshormon-Doping in Sydney nachweisbar wird.
Auch der Münchener Genetiker Dr. Christian Strasburger, der sich mit einer Forschergruppe um den Nachweis von Wachstums-Hormonen verdient gemacht hat, kann über die Samaranchsche Fehleinschätzung nur den Kopf schütteln.
Die Daten für diesen Bluttest sind ja auch schon in anderen Laboratorien mit untersucht worden. Auch hier in Köln und anderen Laboratorien haben wir auf diese Parameter gesetzt, Epo-Konzentration selber, sogenannte Eisenrezeptoren. Wenn wir anhand dieser Parameter jetzt - und das ist auch so vorgesehen - Verdachtsmomente haben, dass ein Athlet hier mit Epo gearbeitet hat, dann soll anschließend an einer Urinprobe, die gleichzeitig genommen worden ist, dann eine Unterscheidung erfolgen nach dem Verfahren, was die französischen Wissenschaftler entwickelt haben. Ich gehe davon aus, dass mit der A-Probe erst mal eine Screening-Methode nach dem Blutverfahren gemacht wird. Wenn dann ein Verdacht da ist, muß diese verdächtige Probe erst einmal mit der Urinanalyse bestätigt werden. Erst dann würde ich sagen kann man die A-Probe positiv geben. Dann muß bei der B-Analyse eigentlich nur dieser Urintest wiederholt werden. Das heißt also, nach meinem Verständnis könnte das Verfahren nicht so laufen, dass man mit der A-Probe nur Blut macht und mit der B-Probe Urin. Das würde ich juristisch schon als problematisch ansehen. Deshalb muß dann auch mit der A-Probe der Urintest eigentlich gemacht werden.
Über die Wirksamkeit der in Sydney erstmals praktizierten Epo-Kontrollen gibt es unter den Experten durchaus unterschiedliche Meinungen. Unbestritten hingegen ist die Tatsache, dass allein schon die Ankündigung solcher Tests bei zahlreichen Wettkämpfern eine erhebliche Beunruhigung erwirkt hat. Beim Epo-Test kommt in Sydney eine Kombination aus einem in Frankreich entwickelten Urin-Test und einen in Australien erprobten Blut-Test zur Anwendung, womit erstmals verlässlich zwischen körpereigenem und synthetischem, also künstlichem und von außen in den Körper eingeführten, Epo unterschieden wird. Professor Wilhelm Schänzer, der Leiter des Kölner Doping-Analytik-Labors zum Verfahren:
In der Hinsicht kann ich natürlich auch im Augenblick gar nicht sagen, wie effektiv wird dieser Test dann eingesetzt werden können. Ich glaube, er hat erst mal eine sehr hohe Abschreckung jetzt für die Athleten. Es ist auch geplant, diesen Test nicht nur im Wettkampf durchzuführen, sondern auch schon wenn die Athleten im olympischen Dorf sind, das heißt also genau in der Phase vor dem Wettkampf, wo Epo dann eigentlich sinnvollerweise zum Doping-Missbrauch eingesetzt werden kann.
Man müsse schon ein ungewöhnlich dummer Athlet sein, wenn man durch diesen Test erwischt werde. Mit diesen drastischen Worten hat Dr. Peter Larkins, einer aus dem australischen Ärzteteam in Sydney, diesen Epo-Test als "total ineffektiv" beschrieben. In der Tat hat der medizinische Direktor des IOC, Patrick Schamasch, bestätigt, dass durch den Urin-Test nur die Epo-Aufnahme nachgewiesen werden kann, die bis zu 72 Stunden unmittelbar zuvor erfolgt ist. Länger zurückliegende Epo-Manipulationen können durch den kombinierten Blut-Urin-Test nicht nachgewiesen werden. Schamaschs Begründung: Die IOC-Wissenschaftler hätten alle anderen Tests abgelehnt, weil sie vor Gericht keinen Bestand gehabt hätten. Professor Schänzer sieht die Effektivität des Epo-Verfahrens so:
Ich glaube, dass nach wie vor Epo wohl eines der effektiv wirksamen Doping-Mittel ist, um eben im Ausdauerbereich Leistungsverbesserung zu erzielen. Diese sogenannten künstlichen Plasmaexpander oder Blutträger, wie sie jetzt heißen, die auch entwickelt werden, sind zum Teil ja noch gar nicht in der Therapie zugelassen, sind noch in der Erforschung, haben sicherlich den Nachteil, dass es in der Regel körperfremde Substanzen sind, die man zuführt in großen Mengen. Die sind dann auch entsprechend nachweisbar. Das muß man sagen. Bei Epo ist das Problem: es wird in kleinen Mengen nur appliziert. Es ist körperidentisch, zumindest in der sogenannten Eiweißstruktur. Das war eben auch das große Problem. Ich glaube, für diese anderen Sauerstoffträger wird es nicht so das große Problem sein, diese dann, wenn wir jetzt Blut zur Verfügung haben, in das Kontrollsystem mit einzubeziehen. Epo wird veraltet sein, wenn wirklich die Kontrollen dann effektiv durchgeführt werden, nämlich dann, wenn jetzt nicht nur bei olympischen Spielen kontrolliert wird, sondern wenn bei den großen Veranstaltungen generell auch außerhalb des Wettkampfes in den Trainingseinheiten Athleten überprüft werden, und zwar von allen IOC-akkreditierten Laboratorien.
Im übrigen ist sich Professor Wilhelm Schänzer, der Leiter des IOC-akkreditierten Kölner Analytik-Labors sicher, dass unverändert Epo das beliebteste Hormon bei jenen Athleten ist, die der Natur künstlich etwas nachhelfen.
Ich bin nicht enttäuscht darüber, wie das IOC uns behandelt, sondern ich bin überrascht darüber, wie das IOC sich Hilfsangeboten gegenüber stellt, die ihm beim Aufdecken von Doping behilflich sein könnten. Das ist ja nun mal erklärtermaßen ein Anliegen des IOC. Irgendwo sehe ich einen Widerspruch zwischen dem Anspruch des IOC, dort für sauberen Sport zu sorgen, und dem Verhalten in Sachen Wachstumshormone. Es betrifft ja auch nicht nur unsere Arbeitsgruppe, sondern mindestens in gleichem Maße die Arbeitsgruppe GH2000, die bereits vom IOC in seiner Arbeit gefördert wurde. Zusammen mit dem Ergebnisbericht von GH2000 haben wir im Januar ‘99 unseren unabhängigen strategischen Ansatz, Direktwachstumshormone, Unterschiede zwischen gentechnisch hergestelltem und körpereigenem nachzuweisen, dem IOC vorgelegt und wir haben zusammen mit der Gruppe GH2000 einen Verbundantrag dem IOC sowohl im März als auch dann erneut im September ‘99 eingereicht, in dem wir dargelegt haben, was aus unserer Sicht zu tun wäre, um diese sehr vielversprechenden Nachweisverfahren bis zum Zeitpunkt der olympischen Spiele in Sydney zur Einsatzreife weiterzuentwickeln. Darauf ist leider eben nie eine positive Antwort gekommen.
Mit dem Lob für den Beschluss einer erstmaligen Epo-Kontrolle unmittelbar einher ging die Kritik am Internationalen Olympischen Komitee, dass die Karawane der Betrüger inzwischen längst weitergezogen sei. Wachstums-hormon sei die Droge der Stunde, wie man in einschlägigen Kreisen doch längst wisse. An mehreren Orten gibt es Laboratorien, die intensiv daran arbeiten, den Nachweis bei Doping mit Wachstumshormonen zu führen. Aus München meldete sich bereits vor über einem Jahr Dr. Christian Strasburger beim IOC in Lausanne mit der Nachricht, man habe ein sicheres Verfahren entwickelt. Aber trotz mehrfacher, auch schriftlicher Bemühungen: Das IOC meldete sich nicht. Strasburger stellt fest:
Ich bin sehr überrascht, weil ich nie eine Einladung des IOC nach Lausanne erhalten habe. Ich hätte gerne eine Einladung nach Lausanne gehabt und ich wäre der sicherlich auch gerne gefolgt. Ich habe weder eine mündliche noch eine schriftliche Einladung vom IOC erhalten. Das einzige, was ich vom IOC schriftlich erhalten habe, war zwei Tage nach Weihnachten 1999 ein Dreizeiler, dass unser umfangreicher Forschungsvorschlag zum Thema Epo, den wir im September eingereicht haben, nicht gefördert würde. Ich habe daraufhin dem IOC zurückgeschrieben und habe darum gebeten, dass in anonymisierter Weise die Begründungen der wissenschaftlichen Experten uns zur Verfügung gestellt werden sollten, und habe auch darauf wiederum nie eine Antwort erhalten.
Als Strasburgers Kritik den IOC-Verantwortlichen vorgehalten wurde, auch dem soeben zum neuen IOC-Vizepräsidenten gewählten Deutschen Thomas Bach, wurde mit der Behauptung gekontert, Strasburger habe vom IOC eine Einladung erhalten, sein Anliegen in Lausanne vorzutragen, habe darauf aber verzichtet.
Ich glaube nicht, dass das Problem geringfügiger Ausprägung ist, denn in der Szene hießen bereits die Sommerspiele in Atlanta groth hormon games und es zirkulierte die Empfehlung, die leicht nachweisbaren Anabolika rechtzeitig abzusetzen und durch Wachstumshormon zu ersetzen. Das sei zwar teuer, aber zum Glück eben überhaupt nicht nachweisbar. Mit diesem Dogma hat unsere Veröffentlichung im März 1999 aufgeräumt und es ist zu befürchten, dass nachdem nun sicher kein Nachweis von Wachstumshormon-Doping in Sydney möglich sein wird, dieses dort erheblich zum Einsatz kommt.
Nach Überzeugung des Münchener Genetikers, der unlängst in Leipzig vom Verein Doping-Opfer-Hilfe für sein Engagement auf diesem Gebiet ausgezeichnet wurde, ergeben sich für die Olympischen Spiele in Sydney ohne Wachstums-Kontrollen eindeutige Konsequenzen.
Düstere Aussichten für die Olympischen Sommerspiele: Das IOC unter seinem Präsidenten Samaranch hat gewohnt einsilbig reagiert, als die Presse auf diese Gefahr und die Verschleppung der Problematik mit Wachstumshormonen wie HGH hingewiesen hat. Samaranch sagte knapp:
Athleten neigen dazu, alles mögliche auszuprobieren, was zum Teil auch gar nicht Sinn macht. Und da sollte man auch mal sagen, Wachstumshormon ist a viel teuerer. Es gibt nach wie vor keine Studien, die wirklich zeigen, dass man mit Wachstumshormon auch wirkliche Leistungsverbesserung erzielen kann. Ich glaube, wenn Athleten Wachstumshormon kaufen, was sehr teuer ist, und sich davon eine Leistungsverbesserung erhoffen, dann ist das meiner Ansicht nach eine Fehlinvestition. Aber wie gesagt, das sind sicherlich auch Sachen, wo man Aufklärung betreiben muß. Wir beobachten den Schwarzmarkt. Wir haben im Augenblick keine klaren Angaben, ob überhaupt Wachstumshormon diesem Umfang nach überhaupt hier Probleme machen. Wir wissen, sehr viele Wachstumshormon-Präparate sind gefälscht. Hier besteht auch die große Gefahr, auf Wachstumshormone zurückzugreifen, die aus dem russischen Bereich kommen, zum Teil nicht sauber steril sind, wo auch die Gefahr bestehen soll, sich das sogenannte Jacob-Kreuzfeld-Syndrom einzufangen. Darin besteht eine große Gefahr.
Derartige Vereinfachung trifft auch im Olympischen Zirkel inzwischen zunehmend auf Kritik. "Wir wissen, dass HGH im Hochleistungssport weit verbreitet ist. Ich bitte die Exekutive wirklich, das Problem ernster zu nehmen", mahnt das schwedische IOC-Mitglied, der renommierte Mediziner Professor Arne Ljungqvist und fordert mehr Geld vom IOC für eine effektivere Forschung auf dem Anti-Doping-Gebiet. Zu den Gefahren im Umgang mit Wachstumshormonen weiß Professor Schänzer:
Schänzers Kollege Ljungqvist sieht aber auf dem weiten Feld der medizinisch-pharmakologischen Manipulation neue drohende Gefahren. Durch die Gentechnik werde Doping in eine ganz neue Dimension vorstoßen. So sieht es auch der Kölner Biochemiker Professor Schänzer. Die düsteren Zukunftsvisionen schließen sich für ihn nahtlos an ein Horrorszenario an, wenn es gilt, die gegenwärtig meistgebräuchlichen und schon verfügbaren Mittel und Methoden des Dopings zu beschreiben.
Die gängigsten Substanzen, die im Augenblick auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden, sind sogenannte anabole Wirkstoffe. Das sind diese klassischen Anabolika wie Stanozylon-Metandienon, Nandrolon Ester, die gespritzt werden, Testosteron Ester in verschiedenen Kombinationen, die gespritzt werden. Clenbuterol ist ein ganz geläufiges Präparat, auch das Schwangerschaftshormon Chorion-gonadotropin, was die Testosteron-Produktion stimuliert. Das sind so im wesentlichen im Augenblick die Substanzen, die nach wie vor am meisten gehandelt werden und wovon wir auch wissen, dass sie effektiv im Leistungssport, wo sie ja in den letzten 20 Jahren mißbraucht worden sind, zu Leistungsverzerrungen geführt haben.
Die Zeiten, in denen Athleten Doping im Selbstversuch praktizierten, sind lange vorbei. Wer im modernen Hochleistungssport erfolgreich betrügen will, braucht ein wissenschaftlich versiertes Umfeld. Eine längst bekannte Erkenntnis, der das IOC allerdings nur halbherziges Handeln entgegenbringt. Soeben hat der Drogenbeauftragte der US-Regierung, Mc Caffrey, eine von ihm in Auftrag gegebene und mit einer Million Dollar finanzierte Studie der Columbia-Universität veröffentlicht, dass das IOC und die internationalen Sport-Fachverbände hart angreift wegen ihres laschen Engagements gegen das Doping-Unwesen.
Und die Sportler? Die Athleten sind es, die in ihrer Mehrzahl unter der weit verbreiteten Doping-Praxis leiden. Die Strenge und Ernsthaftigkeit, mit der Manipulationen aufgespürt und geahndet werden, ist weltweit höchst unterschiedlich, klagt Arnd Schmitt, der als Fecht-Olympia-Sieger von Atlanta seinen Erfolg jetzt in Sydney wiederholen möchte.
Der Kampf gegen Doping, und zwar jedwedes Doping - das ist nicht nur das Epo -, der muß geführt werden und der ist existenziell wichtig für die Zukunft des Sports. Man muß aber gleich dazu sagen, er wird wahrscheinlich nie gewonnen werden. Er muß geführt werden, aber er kann deswegen nicht gewonnen werden, weil es immer wieder Menschen geben wird, die auf neue Tests und neue Testmöglichkeiten wieder eine andere Verschleierungstaktik oder irgend etwas anderes finden werden oder zumindest suchen werden. Fakt ist, dass es uns Athleten nicht gefällt und nicht gefallen kann, dass eine Medaille heutzutage schon nicht mehr als die Leistung, die sie ist, anerkannt wird, sondern dass fast schon bei jeder Medaille dieses na ja, hat er irgendwie nachgeholfen, im Raume steht oder hinterher kommt.
Juan Antonio Samaranch war 1980 in Moskau zum IOC-Präsidenten gewählt worden. Am selben Ort wird er im kommenden Sommer, als 81-jähriger, nach 21-jähriger Präsidentschaft sein Amt dann zurückgeben. Am Beginn seiner Präsidentschaft hatte er gemahnt: Doping im Sport ist wie der Tod. Den Worten sind Taten nicht gefolgt. Unter Samaranch ist das IOC reich geworden, die Glaubwürdigkeit im Kampf um sauberen Sport aber ist auf der Strecke geblieben.
Jetzt drängt eine neue Generation ehemaliger Sportler ins IOC. Einer von ihnen ist der mehrfache Ruder-Weltmeister und Athletensprecher Roland Baar. An ihn die Frage: Ist der Kampf gegen Doping im Sport überhaupt jemals zu gewinnen?
Ich weiß nicht, ob er zu gewinnen ist, aber man kann ihn verlieren. Deswegen muß man kämpfen. Das ist eigentlich ein schönes Bild, wenn man das mit dem Sport vergleicht. Letztendlich ist es so, wie wenn man laufen würde und man hat keine Chance, als erster ins Ziel zu kommen, aber man will trotzdem nicht als letzter hineinkommen beziehungsweise stolpern. Man muss einfach sehen, dass die olympische Bewegung als solches erst mal sehr, sehr wertvoll ist. Deswegen muß man alles dafür tun, auch im Hinblick auf den gesamten anderen Sport, denn vieles geht ja von der olympischen Bewegung aus, dass man das schützt, dass man einfach diesen Kampf versucht weiterzuführen, obwohl er nach meinen Augen nicht zu gewinnen ist.