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Die Inflation ist wieder da

Während die Wirtschaft zinspolitisch eingreifen möchte, hält die Politik wenig von der Aufwertung des Euros. Traditionell begegnen die Länder Europas der Inflation mit unterschiedlichen Maßnahmen. Dazu die Europakolumne von Detlef Fechtner von der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung".

    Totgesagte leben länger. Ein paar Jahre lang schien es so, als wäre die Inflation besiegt. Die Verbraucherpreise stiegen recht gemächlich. Das heißt: Einiges wurde zwar spürbar teurer, der Besuch beim Friseur, das Bier in der Kneipe, das Päckchen Zigaretten. Aber gleichzeitig wurde vieles billiger, der Flug nach Spanien, der Taschenrechner, das Telefonat ins Ausland. An der einen Ecke mehr zahlen, an der anderen sparen - unter dem Strich kam der Verbraucher lange Zeit ganz gut mit der Teuerung zurecht, mal ganz unabhängig davon, dass es auch damals üblich war, zu maulen, dass immer alles teurer wird.

    Ärgerlicherweise hat sich die Lage verändert. Wenn Kunden am Marktstand heute über hohe Preise klagen, dann nicht aus alter Gewohnheit, sondern aus neuer Gewissheit: Essen kostet tatsächlich mehr. Und Tanken ist ohnehin längst ein masochistisches Ritual.

    Die Inflation ist wieder da. Das Leben in Deutschland ist binnen eines Jahres um mehr als drei Prozent teurer geworden. In anderen Ländern Europa ist es noch ärger. Alle, die ohnehin wenig haben, bekommen die Preissprünge sogar noch deutlicher zu spüren, weil sie einen größeren Teil ihres Lohns für Nahrung und Energie ausgeben müssen. Für viele ist drum am 15. der 1. - das Portemonnaie ist leer.

    Es gibt also keinen Anlass, die Inflation kleinzureden. Es gibt aber erst recht keinen Grund, die Angst vor der Inflation zusätzlich zu schüren und dann so zu tun, als gebe es eine Wunderwaffe gegen den Preisauftrieb.

    Bundesbankchef Axel Weber hat jüngst signalisiert, die Euro-Notenbank, deren Rat er angehört, könne die Leitzinsen erhöhen. Gerade so, als werde damit der Preisanstieg problemlos gebremst. Gerade so, als brauche es nur genug Entschlossenheit der Zentralbank - und schon wäre alles gut. Das ist Unfug.

    Denn natürlich ist die Sache verzwickter. Die aktuelle Teuerung wird von zweierlei getrieben, dem teuren Öl und teurer Nahrung - und damit von Rohölmärkten, einem Nachfrageboom in Asien, Missernten in Australien und mit Biosprit-Fantasien in Amerika. Ob es da gelingt, mit einer Zinserhöhung in Europa die Preise zu bremsen, ist mehr als zweifelhaft.

    Recht sicher aber dürfte sie den Euro-Wechselkurs zusätzlich beflügeln und die Kreditvergabe belasten. Beides bringt das ohnehin angeschlagene Wachstum in höchste Gefahr - ein noch härterer Euro genauso wie Finanzierungsengpässe. Das sollten die Währungsmanager übrigens wissen, denn sie selbst haben es in den vergangenen Monaten oft genug erklärt.

    Wirklich selbstbewusst wäre es, würden sie einzuräumen, dass auch Notenbanker nicht immer ein probates Mittel gegen Preisschübe haben. Wirklich mutig wäre es, würden sie offensiv ihre eigene Prognose verteidigen, dass die Inflation schon bald nachlassen dürfte - auch wenn sie dafür kurzfristig Zorn und Spott kassieren. Wirklich fair wäre es, sich nicht in Tarifverhandlungen einzumischen und nicht den Eindruck zu erwecken, Inflation wäre das Produkt übertriebener Lohnforderungen. Wirklich sinnvoll wäre es, die Zinsen vorläufig stabil zu halten, um sie demnächst senken zu können, falls die Teuerung nachlässt und die Wirtschaft schwächelt - wahrscheinlich schon im nächsten Winter.

    Leider spricht einiges dafür, dass es mal wieder weniger um Wirtschaft geht als um Politik. Frankreichs Präsident Nicholas Sarkozy hat wiederholt versucht, mehr Einfluss auf die Zinspolitik zu gewinnen und auf die Macht am Main. Notenbanker jedoch, so sagt man, sind wie Schlagsahne. Je mehr man sie schlägt, desto steifer werden sie.

    Der harte Kurs, den Bundesbank-Chef Weber jetzt andeutet, hat deshalb gewiss auch damit zu tun, dass es in der Euro-Notenbank einen ausgeprägten Willen gibt, ganz besonders unabhängig zu erscheinen - und sei es durch eine trotzige Zinserhöhung in einer Zeit, in der eine Finanzkrise wütet, die USA in eine Rezession gleiten und auch hier die Wirtschaft Schwung verliert.

    Was die Unabhängigkeit der Notenbanken angeht, sollte sich Bundesbankchef Weber ein Wort seines Vorgängers Hans Tietmeyer zu Herzen nehmen. Der hatte einst erklärt, er wäre unabhängig genug, die Zinsen auch einmal zu senken - selbst wenn es ihm Regierungen empfehlen.