Dienstag, 14. Mai 2024

28. Februar 2023
Die internationale Presseschau

Themen sind die G20-Ministertreffen in Indien, die Rolle Chinas im Ukraine-Krieg sowie die neue Parteispitze der italienischen Sozialdemokraten. Zunächst aber zur Einigung zwischen der EU und Großbritannien auf neue Brexit-Regeln für die Provinz Nordirland.

28.02.2023
Britain's Prime Minister Rishi Sunak and EU Commission President Ursula von der Leyen, right, shake hands after a press conference at Windsor Guildhall, Windsor, England, Monday Feb. 27, 2023. The U.K. and the European Union ended years of wrangling and acrimony on Monday, sealing a deal to resolve their thorny post-Brexit trade dispute over Northern Ireland.
Das Nordirland-Protokoll wird geändert: Die Einigung zwischen der EU und Großbritannien über den künftigen Status von Nordirland ist auf Zustimmung gestoßen. Es fallen Kontrollen, die Iren bekommen mehr Mitspracherecht. (pa/AP/Dan Kitwood)
Die tschechische Zeitung HOSPODARSKE NOVINY schreibt: "Der britische Premierminister Rishi Sunak hat den Stier bei den Hörnern gepackt. Das neue, 100 Seiten lange Dokument rundet die Ecken des bisherigen Nordirland-Protokolls ab. In den Handelsbeziehungen mag es einfacher werden, aber eine vollwertige Grenze zu Irland wird es auf der Insel nicht mehr geben. Daher rührt das Zähneknirschen der eingefleischten Brexiteers und der nordirischen Unionisten. Man muss Sunak für seinen Mut Anerkennung zollen. Er hat einen neuralgischen Punkt in Angriff genommen", unterstreicht HOSPODARSKE NOVINY aus Prag.
Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA merkt an: "Das Abkommen könnte die Kontrollverfahren in der Irischen See vereinfachen, was ein Gewinn für die britische Wirtschaft wäre. Dennoch wollen überzeugte Brexit-Befürworter nach wie vor nicht zugeben, dass der EU-Austritt ein Fehler war. Die nordirischen Unionisten und die radikalsten Torys glauben, dass nur eine vollständige Unabhängigkeit von der EU Großbritannien die Chance geben würde, eine erfolgreichere Gesellschaft aufzubauen. Doch gerade diese Gesellschaft glaubt immer weniger an die Versprechen der glühenden Brexiteers von einer vermeintlich besseren Zukunft und nimmt viel mehr die unansehnliche Gegenwart wahr, in der Großbritannien nicht mehr das Finanzzentrum Europas ist und Hersteller, insbesondere von Lebensmitteln, Autos und Medikamenten, Gewinne einbüßen. Die allgemeine Stimmung wurde zweifelsohne auch von Sunak erfasst", beobachtet die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die dänische Zeitung POLITIKEN warnt: "Das Thema EU ist für britische Premierminister lebensgefährlich. David Cameron und Theresa May können ein Lied davon singen. Im Grunde hätte auch Rishi Sunak den Brexit-Streit bis zur nächsten Wahl weiterschwelen lassen können, um nicht den Zorn der orthodoxen Brexiteers unter den Torys zu wecken. Nun hat er nichts anderes versucht, als endlich den Brexit auf die Reihe zu bekommen, wie es Boris Johnson jahrelang versprochen hatte. Sunak hat Zugeständnisse von der EU erhalten, von denen seine Vorgänger allenfalls hätten träumen können. Er kann jetzt zeigen, dass er der pragmatische Problemlöser ist, als der er sich verkauft hat", notiert POLITIKEN aus Kopenhagen.
Der britische GUARDIAN sieht es so: "Trotz aller politischen Probleme hat das ursprüngliche Protokoll Nordirland das Beste aus zwei Welten gebracht: einen offenen Zugang zum Vereinigten Königreich und zum riesigen EU-Binnenmarkt - der dem Rest Großbritanniens nun verwehrt ist. Dies hat zu hohen ausländischen Direktinvestitionen geführt. Wenn Sunak auch nur ein wenig Rückgrat hätte, würde er den Unionisten diesen Erfolg vor Augen führen. Doch das trauen sich die Brexiteers nicht. Denn sie fürchten, dass dadurch deutlich wird, wie viel besser es dem gesamten Vereinigten Königreich gehen würde, wenn es im EU-Binnenmarkt geblieben wäre", konstatiert der GUARDIAN aus London.
Themenwechsel. Der belarussische Machthaber Lukaschenko wird heute zu einem Besuch in China erwartet. Dazu schreibt die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO: "China war eines der ersten Länder, das die Unabhängigkeit von Belarus anerkannt hat, und Belarus wiederum war eines der ersten Länder, das sich der chinesischen Initiative der neuen Seidenstraße angeschlossen hat. Vor dem Antritt seiner Reise hat Lukaschenko bereits erklärt, dass kein internationales Problem ohne China gelöst werden könne, und er sagte, er begrüße den von Peking vorgelegten Vorschlag zur Bewältigung der Krise in der Ukraine. Wenn einige im Westen Minsk lediglich als kleinen Verbündeten von Moskau wahrnehmen, dann spiegelt das nur deren respektlose und engstirnige Sichtweise wider", meint HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Die mexikanische Zeitung LA RAZON geht auf die Rolle Chinas im Ukraine-Krieg ein: "China verfügt sehr wohl über das Potenzial, ein Ende des Kriegs zu beschleunigen oder aber die Kosten in die Höhe zu treiben. Die neueste chinesische Friedensinitiative begünstigt Putin. Gleichzeitig möchte man weder die Brücken zum Westen abbrechen, noch wegen der wachsenden Rivalität mit den USA den Westen als Sieger sehen. Also strebt Peking eine Lösung an, bei der Russland nicht als der totale Verlierer dasteht. Vielleicht wird China demnächst seine Karten auf den Tisch legen und einen möglichen Ausweg aufzeigen. Und nein, dies ist kein dritter Weltkrieg, wohl aber ein globaler Konflikt, der den Beginn einer neuen Zeit einläutet", analysiert LA RAZON aus Mexiko-Stadt.
Der Ukraine-Krieg war auch ein Thema beim Treffen der G20-Finanzminister in Indien. Weil sich die führenden Industrie- und Schwellenländer nicht auf Formulierungen zum Krieg einigen konnten, gab es keine gemeinsame Abschlusserklärung. Die japanische Zeitung MAINICHI SHIMBUN notiert: "Stattdessen hat Gastgeber Indien ein Protokoll veröffentlicht. Darin stimmten alle Länder bis auf Russland und China einer Verurteilung der russischen Invasion zu - also achtzehn der zwanzig Staaten und somit auch jene, die sich von den Sanktionen gegen Russland distanzieren. Russland sollte dies als gewichtige Meinung der internationalen Gemeinschaft auffassen. Einigen konnten sich die G20-Staaten zumindest darauf, dass die hohen Schulden der Entwicklungsländer eine dringliche Aufgabe sind. Auch der größte Gläubiger China zeigte sich offen, Schulden zu erlassen. Die Hilfe für diese Staaten darf nicht durch die Spaltung der Weltgemeinschaft verzögert werden", warnt MAINICHI SHIMBUN aus Tokio.
Die indische Zeitung THE TELEGRAPH blickt allgemein auf die G20: "In vielerlei Hinsicht stellte die G20 den Zenit einer Weltordnung nach dem Kalten Krieg dar, in der die Globalisierung nationale Handelsschranken übertrumpfte und in der ideologische Blöcke größtenteils der Vergangenheit angehörten. Diese Welt liegt nun in Trümmern und es gibt viele Schuldige. Russlands Krieg hat die Welt gespalten und zu den Nahrungsmittel- und Energiekrisen beigetragen, von denen Milliarden Menschen betroffen sind. Aber die vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen - die dem Krieg vorausgingen und im vergangenen Jahr dramatisch eskaliert sind - sind wohl ebenso schuld. Diese Sanktionen haben die Lebenshaltungskosten für Menschen auf der ganzen Welt in die Höhe getrieben. Inmitten dieses Zusammenbruchs stellt sich die Frage: Macht die G20 überhaupt noch Sinn? Für die Mehrheit der Länder lautet die Antwort: ja. Insbesondere für Mittelmächte wie Indien, die sich nicht zwischen dem Westen und einer von China angeführten Alternative entscheiden wollen", erklärt THE TELEGRAPH aus Kalkutta.
Und zum Schluss ein Blick nach Italien, wo die Sozialdemokraten die Abgeordnete Elly Schlein zur neuen Parteichefin gewählt haben. "Die 37-Jährige könnte Italien verändern, und das dürfte Auswirkungen über die Grenzen des Landes hinaus haben", prognostiziert die schwedische Zeitung AFTONBLADET: "Schlein wird nun Oppositionsführerin und damit die Herausforderin der rechten Premierministerin Giorgia Meloni. Zum ersten Mal werden die beiden italienischen Machtblöcke von Frauen geführt, auch wenn diese ungleicher kaum sein könnten. Schlein wurde in der Schweiz geboren, hat jüdische Wurzeln und außerdem noch die US-Staatsbürgerschaft. Meloni ist dagegen die Vorsitzende der Partei Fratelli d’Italia, die aus Mussolinis Faschisten hervorgegangen ist. Schlein wird ihre Partei nun vermutlich nach links rücken. Als Person symbolisiert sie das moderne Italien als direkten Kontrast zur nostalgischen und nationalistischen Rhetorik der Rechten. Die Konfrontation mit Meloni wird nicht lange auf sich warten lassen – und es dürfte sich lohnen, diesen Streit zu verfolgen." Mit diesem Kommentar aus dem Stockholmer AFTONBLADET endet die internationale Presseschau.