04. März 2023
Die internationale Presseschau

Die Kommentare beleuchten verschiedene Aspekte des Ukraine-Kriegs, die morgen beginnende Jahrestagung des Volkskongresses in China und die Debatte um Windkraftanlagen in Norwegen.

In Bachmut sucht ein Hund zwischen Trümmern nach Nahrung.
Zerstörung in Bachmut, mehr als ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs. (pa/AA/Marek M. Berezowski)
Die japanische Zeitung YOMIURI SHIMBUN geht der Frage nach, wie der chinesische Plan zur Beendigung des Ukraine-Kriegs einzuschätzen ist: "Das chinesische Positionspapier sah mit Worten wie 'Friedensverhandlungen' auf den ersten Blick so aus, als wollte die Volksrepublik den Frieden in der Ukraine. Das war allerdings eine Täuschung. Peking hat beim G20-Außenministertreffen in Neu-Delhi zusammen mit Moskau eine gemeinsame Abschlusserklärung verhindert, wahrscheinlich um eine Isolation von Moskau auf der internationalen Bühne und die führende Rolle der USA, Europa und Japan zu verhindern. Man muss sagen: Damit ist Chinas wahres Vorhaben klar geworden. Letztendlich will Peking ausschließlich Moskau unterstützen. Andererseits waren aber nur Russland und China gegen die Abschlusserklärung in Neu-Delhi. Das bedeutet, dass sich die Industrie- und übrigen Schwellenländer doch vereint gegen die russische Invasion positionieren", hebt YOMIURI SHIMBUN aus Tokio hervor.
Zur Konfrontation zwischen Russland und dem Westen schreibt die russische Zeitung KOMMERSANT: "Das zweite Jahr der Kampfhandlungen in der Ukraine und des Konflikts zwischen der Russischen Föderation und dem Westen wird deutlich anders aussehen als das erste. Niemals zuvor ist eine so bedeutende Volkswirtschaft wie Russland so intensiv sanktioniert worden, und das auch noch so schnell. Inzwischen zeigt sich ein widersprüchliches Bild. Einerseits wirkt gegen die Russische Föderation eines der härtesten Sanktionsregimes der Geschichte. Andererseits hat eine Kombination aus hohen Rohstoffpreisen, geschicktem Handeln des Finanz- und Wirtschaftsblocks der russischen Regierung und selektiver Auslegung von Sanktionen durch große Volkswirtschaften wie China und Indien dazu geführt, dass die Wirkung auf das russische Bruttoinlandsprodukt unbedeutend ist", stellt der KOMMERSANT aus Moskau fest.
Der schweizerische TAGESANZEIGER befasst sich mit den Wünschen der deutschen Regierung, von der Schweiz ausgemusterte Leopard-Panzer zu kaufen. Angesichts des Dilemmas um eine Unterstützung der Ukraine spricht die Zeitung von einem... "eleganten Ausweg. Deutschland will Leopard-2-Panzer, die die Schweiz seit Jahren eingelagert hat. Deren Weitergabe an die Ukraine schließt es explizit aus. Sie sollen dazu dienen, in Deutschland und anderen EU-Staaten Sicherheitslücken zu stopfen. Lücken, die entstehen, weil diese Länder ihrerseits Leoparden an die Ukraine abgeben. Wenn Bundesrat und Parlament jetzt den Verkauf von gut einem Dutzend dieser Panzer ermöglichen, dürfte der Schweiz ein Befreiungsschlag gelingen. Wegen der Weitergabe von 12.000 Patronen für den Gepard, zwei alten Kanonen oder ein paar Piranhas an die Ukraine haben Drittstaaten die Schweiz angefragt. Nach einem Ja zu den mächtigen Leoparden wären die schnell vergessen", glaubt der TAGESANZEIGER aus Zürich.
Die niederländische VOLKSKRANT geht auf den morgen beginnenden Volkskongress in Peking ein: "Für Staats- und Parteichef Xi Jinping, der seit einem Jahrzehnt immer mehr Macht an sich reißt, wird dieser Volkskongress eine weitere Gelegenheit sein, seine Position zu stärken. Er soll auf dem Kongress für eine dritte Amtszeit als Präsident bestätigt werden, die durch eine Verfassungsänderung von 2018 möglich geworden ist. Zusammen mit seiner dritten Amtszeit als Generalsekretär der Kommunistischen Partei und als oberster Militärchef verfestigt Xi damit die Ausweitung seiner Macht und ebnet den Weg für eine weitere jahrelange oder gar lebenslange Herrschaft. Darüber hinaus will Xi auf diesem Kongress wichtige Befugnisse von der Regierung auf die Partei übertragen, wo sie die dann seiner direkten Kontrolle unterstehen. Er hat die Partei in den letzten zehn Jahren unerbittlich gestärkt, sie aber auch ideologisch gesäubert und sich selbst untergeordnet. Das wird er nun fortsetzen", erwartet DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Wie das "offizielle" China die Veranstaltung gesehen haben will, ist im Kommentar von HUANQIU SHIBAO aus Peking abzulesen: "Der Volkskongress wird gerne als Barometer der Politik und der Wirtschaft Chinas gesehen. Anders als in den westlichen Ländern wird die Bevölkerung in China nicht von der Parteipolitik hin und her gerissen. In China ist das Volk der Herr. Die Volksherrschaft ist der Garant für die Kontinuität sowie die Berechenbarkeit des politischen Kurses. Gerade in Zeiten voller Ungewissheiten vermittelt es Zuversicht und Kraft. Bei politischen Festlegungen wird immer der größte gemeinsame Nenner gesucht. Der diesjährige Volkskongress wird eine neue Regierung präsentieren. Dies bedeutet keinen Kurswechsel. China steht vor einem neuen Start, es muss weiter vorwärts gehen", heißt es in der chinesischen Zeitung HUANQIU SHIBAO.
In Norwegen wird über Windkraft und die Rechte der indigenen Bevölkerung debattiert. Ministerpräsident Støre hat eingeräumt, dass bei einem Windkraftprojekt im Norden des Landes Menschenrechte der dort lebenden Samen verletzt wurden. Dazu bemerkt VERDENS GANG aus Oslo: "Es ist schwierig bis unmöglich zu verstehen, warum Premierminister Støre mehr als 500 Tage für diese Erkenntnis gebraucht hat. Ebenso schwierig ist es zu verstehen, warum die Regierung nicht schon viel früher um Entschuldigung gebeten hat. Unabhängig was man von der Angelegenheit und dem weiteren Schicksal der Windanlagen hält: Das war schlechte Politik, und die Sache hat längst eine enorme Symbolkraft erlangt. Den Demonstranten gegen die Windräder ging es um Prinzipien und Werte, nicht um Geld. Für sie wurde es zur Frage der Rechte der Samen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft und ob die norwegischen Behörden sich überhaupt an internationale Konventionen zum Schutz von Indigenen halten", erläutert VERDENS GANG.
Die Zeitung AFTENPOSTEN - ebenfalls aus Oslo - ergänzt: "Es war massiver ziviler Ungehorsam nötig, damit Premier Støre den Ernst der Lage erkannte. Eine Hoffnung könnte in dem Versprechen der Regierung bestehen, dass die Samen künftig besser gehört und verstanden werden. Es ist mittlerweile 44 Jahre her, dass Norwegen einen vergleichbaren Samen-Aufstand erlebt hat. Der Hungerstreik von Aktivisten im Jahr 1979 war ein Schock für die Mehrheitsgesellschaft und veränderte Norwegen. Trotzdem stehen die Samen noch immer unter Druck, kämpfen um ihre Kultur und ihre Lebensweise. Schon nächste Woche bietet sich für Støre eine goldene Gelegenheit, um den künftigen Weg zu skizzieren, denn dann wird er zum ersten Mal in seiner Rolle als Premierminister vor dem Sametinget - dem Parlament der Samen - in Karasjok sprechen. Seine – vorsichtig ausgedrückt – herausfordernde Aufgabe wird es sein, das Misstrauen zu dämpfen und die Erwartungen zu erfüllen." So weit die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN.
Hören Sie zum Abschluss einen Kommentar des österreichischen STANDARD zu den gestrigen Aktionen der Klimaschutzbewegung Fridays for Future: "Kleben, schütten, Luft rauslassen: Umweltschützerinnen und Klimaaktivisten sind in letzter Zeit vermehrt durch umstrittene Aktionen aufgefallen. All die Hände, die auf Beton gepickt, und die Gemälde, die mit Suppe oder anderen Flüssigkeiten beworfen wurden, hinterließen vor allem eines: den Eindruck, Klimaschutz sei ein Nischenthema, das nur ein paar radikale Blockierer interessiert, die den gemütlichen Alltag stören. Die hinter den Aktionen liegenden Anliegen wurden von der Politik hingegen ignoriert. Stattdessen wurde über strengere Strafen für die Angeklebten diskutiert. Wenn tausende Menschen in Österreich auf die Straße gehen, um für den Umweltschutz und die Einhaltung der Klimaziele zu demonstrieren, ergibt sich ein anderes Bild: Auch dann steht der Verkehr still, auch dann gibt es zum Teil Unmut unter jenen, die zu spät in die Arbeit oder zu einem Termin kommen. Doch kann man das Thema so nicht mehr als Partikularinteresse einer kleinen Gruppe abtun."