
Die britische Zeitung THE TIMES lobt Präsident Macron. "Nach einem gescheiterten Versuch, die Unterstützung des Parlaments zu erhalten, verzichtete Macron auf eine Abstimmung und entschied sich für ein Dekret. Angesichts seiner politischen Isolation in dieser brisanten Frage ist dies ein mutiger - manche würden sagen tollkühner - Schritt. Frankreich kann sich sein luxuriöses Rentensystem nicht mehr leisten. Derweil macht sich die Rechtsaußen-Politikerin Marine Le Pen das Unbehagen über den Präsidenten zunutze und kündigte ein Misstrauensvotum an. Macron muss das durchstehen. Frankreich wird manchmal als unreformierbar angesehen. Das Gesetz zur Rentenreform wurde verschiedentlich als 'unmenschlich' und 'brutal' kritisiert. Nichts dergleichen trifft zu. Wenn sich die Zeiten ändern, muss sich auch Frankreich mit ihnen ändern", findet THE TIMES aus London.
Die französische Zeitung LE FIGARO kritisiert. "Die Diskussion über die Rentenversicherung sagt viel über den Zustand der politischen Debatte in unserem Land aus. Das betrübliche Schauspiel, das von der linkspopulistischen Partei 'France Insoumise' und einem Teil des links/grünen Parteienbündnisses 'Nupes' in der Nationalversammlung inszeniert wurde, macht die parlamentarische Arbeit nicht besser. Die Lächerlichkeit konkurrierte mit der Vulgarität. Und die Partei des rechtspopulistischen 'Rassemblement National' schweigt, weil sie weiß, dass sie zweifellos die einzige wäre, die von einer baldigen Auflösung des Parlaments profitieren würde"; vermerkt LE FIGARO aus Paris.
Die polnische GAZETA WYBORCZA notiert: "Heute sollen drei Misstrauensanträge gegen die Regierung eingereicht werden. Wenn einer dieser Anträge eine Mehrheit in der Nationalversammlung erhält, wird die französische Regierung zusammenbrechen. Signale aus dem Elysée-Palast deuten darauf hin, dass der Präsident in einem solchen Fall das Parlament auflösen und vorgezogene Neuwahlen ausrufen könnte. Es ist schwer einzuschätzen, ob dies eine echte Drohung ist oder nur dazu dient, die konservativen Republikaner zu disziplinieren, die durch Neuwahlen viele Parlamentssitze verlieren könnten." Weiter heißt es mit Blick auf die jüngsten Massenproteste gegen das Gesetz: "Bisher sind acht Protestwellen gegen die Rentenreform über Frankreich hinweggefegt. Es ist möglich, dass nun noch härtere Versuche unternommen werden, das Vorhaben zu stoppen – durch die Blockade von Häfen oder Störungen des Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs. Frankreich ist zweifellos in eine politische Krise geraten, deren Auswirkungen noch lange zu spüren sein werden", ist sich die GAZETA WYBORCZA aus Warschau sicher.
Nach Ansicht der französischen Zeitung LIBERATION dürfte Präsident Macron auch die Teilnehmer an den Finanzmärkten mit seiner Rentenreform entäuscht haben, denn: "Was die Märkte am meisten hassen ist Instabilität. Und Macrons schlecht durchdachte Rentenreform treibt Frankreich, seine Demokratie und seine Arbeitnehmer direkt in diese Instabilität. Der Präsident könnte die Lage retten, indem er ankündigt, dass das Gesetz nach seiner undemokratischen Verabschiedung aufgehoben wird. Aber es ist nicht seine Art, den Franzosen zuzuhören", kommentiert LIBERATION aus Paris.
Weiter geht es mit der gestrigen Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den Leitzinssatz um einen halben Punkt auf 3,5 Prozent anzuheben. Die spanische Zeitung ABC hält fest: "Damit ignorierte die EZB jene Stimmen, die angesichts der Turbulenzen, die nach der Pleite von drei Banken in den USA und den Problemen der zweitgrößten Bank der Schweiz die Märkte und den Finanzsektor erfasst hatten, eine Verschiebung der Zinserhöhung gefordert hatten. Aber es gab keine andere Wahl, da die Hauptaufgabe der EZB darin besteht, die Preisstabilität in der Eurozone zu gewährleisten. Wenn die Institution die Geißel der Inflation in den Griff bekommen will, darf sie nicht zögern", unterstreicht ABC aus Madrid.
Nach Einschätzung des österreichischen STANDARD steckt die EZB in einem Dilemma. "Zwar hat sie mit ihrer Entscheidung für die Erhöhung ein weiteres Signal gegen die Inflation gesetzt. Aber die Spekulationen über die Stabilität der Banken werden wohl noch zunehmen. Die Verwerfungen zeigen, dass der Weg aus der Nullzinsphase zurück zu höheren Zinsen holprig verläuft. Man möchte kein Zentralbanker sein in diesen Tagen. Denn sie können es nur falsch machen." Das war der STANDARD aus Wien.
Zwei US-Banken und die schweizerische "Credit Suisse" müssen mittlerweile mit Hilfskrediten gestützt werden. Die niederländische Zeitung NRC formuliert es so: "Der rasche Anstieg der Zinsen fordert im Westen bereits erste Opfer im Bankensektor."
Die türkische Zeitung YENI SAFAK aus IStanbul nennt die Meldungen, wonach die "Crédit Suisse" bis zu 54 Milliarden Franken bei der schweizerischen Zentralbank leihen kann, einen Schock für die Finanzmärkte. "Ob da noch was kommen wird, ist nicht klar. Der Westen muss akzeptieren, dass das Bankensystem jederzeit zu einem Albtraum werden kann. Und die Zinserhöhungen der Zentralbanken bewirken, dass das Zustandekommen dieses Albtraums wahrscheinlicher wird."
Die österreichische Zeitung DIE PRESSE nennt mehrere Gründe für die derzeitige Vertrauenskrise in das Bankensystem, unter anderem die Deregulierung in den USA, die viel zu späte Anhebung der Leitzinsen und eine ambivalente Rolle der Banken bei der Finanzierung von Staatsschulden. Ein Argument hebt die PRESSE schließlich hervor: "Noch immer wissen Gläubiger von systemrelevanten Banken, dass sich Regierungen einen Crash von Banken nicht erlauben können. Deshalb berufen sie sich bei ihrer Anlageentscheidung auf die Ausfallwahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung der Staatsgarantien. Die Banken profitieren also von günstigen Refinanzierungskonditionen und können ihr Portfolio riskanter ausrichten. Falls dann etwas schiefgeht, können sich die Aktionäre der Bank samt allen Verbindlichkeiten im Zuge einer Rettungsaktion aus der Verantwortung ziehen", moniert die PRESSE aus Wien.
Zum Schluss geht es um die diplomatische Annäherung zwischen Japan und Südkorea. Die Zeitung YOMIURI SHIMBUN aus Tokio erinnert: "Zum ersten Mal seit zwölf Jahren besuchte ein südkoreanischer Präsident Japan. Wegen des Streits um Entschädigungen für ehemalige Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg waren die Beziehungen beider Länder stark belastet. Nun müssen beide Staaten ihre diplomatische Annäherung auch dafür nutzen, dass die internationale Gemeinschaft davon profitiert. Die beim gestrigen Treffen vereinbarten Gespräche über Sicherheit und Wirtschaft sind von großer Bedeutung. Denn das Risiko der Abhängigkeit von China in den Lieferketten ist zu groß", konstatiert YOMIURI SHIMBUN aus Japan.
In einem Gastkommentar der Zeitung KOREA JOONGANG DAILY heißt es: "Südkorea hat eine kleinere Bevölkerung als Japan und verfügt über weniger Ressourcen. Das Land befindet sich formal gesehen weiterhin im Krieg mit Nordkorea, das über Atomwaffen verfügt. Die südkoreanische Diplomatie ist mit einer düsteren Realität konfrontiert, die es erforderlich macht, dem Pragmatismus für Stabilität und Fortschritt des Landes oberste Priorität einzuräumen. Die politische Führung in Seoul sollte deshalb die Zusammenarbeit mit Japan ausbauen", empfiehlt KOREA JOONGANG DAILY aus Seoul.
Die chinesisische Staats-Zeitung WENHUI BAO mutmaßt: "Ist die Reise des koreanischen Staatschefs nicht eher auf Druck von Washington entstanden, um ein stärkeres Bündnis mit den USA in Ostasien aufzubauen? Es ist kein Wunder, dass Umfragen zufolge die Mehrheit der Südkoreaner den Besuch als eine schlimme diplomatische Demütigung empfindet. Es bleibt abzuwarten, wie nachhaltig der Gipfel die Beziehungen beider Länder wirklich prägt".