18. März 2023
Die internationale Presseschau

Mit Stimmen zum anstehenden Besuch des chinesischen Staatschefs Xi Jinping in Moskau und zur Rentenreform in Frankreich. Zunächst geht es aber um den Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Putin, den der Internationale Strafgerichtshof gestern erlassen hat.

Vor dem Gebäude des Internationales Strafgerichtshofs in Den Haag weht eine Fahne des Gerichts
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag (imago / Peter Seyfferth)
Der österreichische STANDARD kommentiert: "Das ist ein starkes, auf strengen völkerrechtlichen Regeln basierendes Signal an all jene, die glauben, dass Kriegsverbrechen im Ukrainekrieg nur von einzelnen, skrupellosen Individuen oder Gruppen begangen werden. Es geht um den Vorwurf der Verantwortung für 'unrechtmäßige Deportationen' ukrainischer Kinder nach Russland, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ob Putin je in Den Haag vor Gericht stehen wird, ist natürlich längst nicht gesagt. Aber die internationale Ächtung, die durch diese umfangreiche Beweisführung zunehmen wird, kann Putin nicht ungerührt lassen. Zwar erkennt Russland den Internationalen Strafgerichtshof nicht an, aber 123 Staaten tun das sehr wohl. In diesen Ländern müsste Putin also, würde er dorthin reisen, umgehend festgenommen werden", erklärt DER STANDARD aus Wien.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG befürchtet: "Die Gewissheit, ohnehin bereits im Visier des Internationalen Strafgerichtshofs zu sein, könnte Putin noch mehr enthemmen, Kriegsverbrechen in der Ukraine anzuordnen oder zuzulassen – er hat nichts mehr zu verlieren. Gleichzeitig fragt sich, wie Putin dereinst in Friedensverhandlungen eintreten kann mit der Ukraine und dem hinter ihr stehenden Westen, die in aller Öffentlichkeit seine Strafverfolgung als Kriegsverbrecher unterstützen. Putin steht nun offiziell am Pranger. Verhandlungen auf Augenhöhe über eine Beendigung des Krieges sind so schwer denkbar. Ein Waffenstillstand rückt damit in weitere Ferne. Der Internationale Strafgerichtshof handelt juristisch konsequent. Doch mit der überraschenden Bekanntgabe des Haftbefehls gegen Putin greift er in einen laufenden Konflikt von Weltbedeutung mit einer Atommacht ein. Diese Eskalation zu vermeiden, wäre klug gewesen", urteilt die NZZ aus der Schweiz.
Die Zeitung MÜSAVAT aus Aserbaidschan hält fest: "Die Russen zeigen sich von der Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs gelassen, sind aber doch schockiert. Russland kann den Haftbefehl ignorieren und ihm nicht Folge leisten. Und das wird es auch. Aber wie lange? Putin könnte etwa durch einen Militäraufstand in Russland entmachtet werden. Dann würde der Haager Haftbefehl eventuell zum Tragen kommen. Schon jetzt heißt die Entscheidung für Putin: Er kann nur noch in wenige Länder reisen. Für den Präsidenten eines so großen Landes ist das höchst beleidigend, der Haftbefehl wird sich für immer in Putins politische Autobiografie einbrennen", vermutet MÜSAVAT aus Baku.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA vermutet: "Diese Haftbefehle sind erst der Anfang. Es ist immer noch möglich, ein Sondergericht zur Verurteilung der russischen Aggression gegen die Ukraine zu installieren. Denn es müssen viel mehr Verbrechen untersucht werden als jene, auf die sich die gestrige Entscheidung bezieht. Unabhängig davon, ob ein solches Tribunal geschaffen wird, kann es heute jedoch keinen Zweifel mehr geben, wer der Täter und wer das Opfer ist", stellt die RZECZPOSPOLITA aus Warschau fest.
Die tschechische Zeitung LIDOVÉ NOVINY schreibt: "Den russischen Präsidenten Wladimir Putin vor den Internationalen Strafgerichtshof zu stellen, kommt in der Realität der Forderung nach einem Regimewechsel in Russland gleich. Denn wie sonst sollte Putin nach Den Haag kommen? Die Vorstellung, ihn zu entführen, ist unsinnig. Es müsste also in Moskau zu einem Putsch kommen, in dessen Folge eine Regierung an die Macht kommt, die bereit wäre, Putin auszuliefern. Das wäre eine Entwicklung, die im Sinne so manchen Politikers östlich der EU wäre. Schwerlich aber wären damit etwa der französische Präsident Macron oder Bundeskanzler Scholz einverstanden", vermutet die Zeitung LIDOVÉ NOVINY aus Prag.
"Auch wenn eine Anklage nach jetzigem Stand schwierig ist, wird sich Putin seiner Verantwortlichkeit für Kriegsverbrechen nicht entziehen können", meint NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio. "Der Internationale Strafgerichtshof hat auch in der Vergangenheit schon Haftbefehle gegen amtierende Präsidenten erlassen, denen Jahre später der Prozess gemacht wurde, etwa gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Milosevic. Es ist ungewiss, wie sich dieser Haftbefehl auf etwaige Friedensverhandlungen auswirken könnte. Aber Kriegsverbrecher müssen unbedingt zur Rechenschaft gezogen werden", fordert NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Japan.
Chinas Staatschef Xi Jinping reist Anfang kommender Woche nach Moskau. Die britische Zeitung THE INDEPENDENT analysiert das Verhältnis beider Staaten: "Dank der westlichen Sanktionen und der halbherzigen Haltung Chinas dazu ist Russland mehr denn je auf China angewiesen, wenn es um die Finanzierung seines Krieges geht. Ohne Chinas diplomatische und wirtschaftliche Unterstützung wären die russischen Kriegsanstrengungen in noch größerer Gefahr oder schon längst eingebrochen. China ist also der führende Partner in dieser 'Freundschaft' und Russland praktisch ein Vasallenstaat. Es ist möglich, dass Xi Putin dazu bringt, Friedensverhandlungen zuzustimmen, die auf dem chinesischen 12-Punkte-Plan basieren. Für Moskau wäre das ein kluger Schachzug, weil es Präsident Selenskyj und den Westen dazu zwingt, ebenfalls für Friedensverhandlungen zu stimmen", notiert THE INDEPENDENT aus London.
HUANQIU SHIBAO aus Peking schreibt von einem Routinebesuch in Moskau: "Präsident Xi hat nach seiner Wiederwahl wieder Moskau als das Ziel seines ersten Auslandsbesuchs gewählt. Angesichts des Ukraine-Krieges und der erhöhten geopolitischen Spannungen schaut die Weltgemeinschaft erwartungsvoll auf diesen Besuch. Doch diese Routinereise dient vor allem der Vertiefung des strategischen Vertrauens sowie den Kooperationen in der Wirtschaft und Energie mit Russland. Es gehört zum Pflegen der engen Freundschaft zwischen den beiden Staatsmännern Xi und Putin. Der Schlüssel zur Lösung der Ukraine-Krise liegt nicht in der chinesischen Hand", unterstreicht die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO.
Die spanische Zeitung EL MUNDO wirft einen Blick nach Frankreich, wo Präsident Macron wegen seiner Rentenreform unter Druck steht: "Macron hat sich auf einen Kraftakt eingelassen, bei dem die Zukunft Frankreichs und sein politisches Überleben auf dem Spiel stehen. Der französische Präsident beharrt auf ein Projekt, das er für so wichtig hält, dass er es per Dekret gegen Demonstrationen und gegen das Parlament durchsetzt. Jetzt muss er dem Druck von zwei Seiten standhalten: Dem politischen Widerstand durch Misstrauensanträge im Parlament und dem gewerkschaftlichen Druck in Form von Demonstrationen. Macrons Strategie ist riskant. Wenn nur einer der Misstrauensanträge Erfolg hat, muss er das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen", gibt EL MUNDO aus Madrid zu bedenken.
Zum Schluss noch eine Stimme aus den USA. Am Montag jährt sich die amerikanische Invasion des Irak zum 20. Mal. Die WASHINGTON POST erinnert: "Die Entscheidungen der USA im Irak-Krieg waren nicht einfach nur unüberlegt oder fahrlässig. Sie hinterließen eine tief gespaltene Gesellschaft und zementierten die Polarisierung zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden. Das Konzept eines multikulturellen Irak wurde zerstört. Der Krieg ließ die Iraker ohne ein Land zurück.Für die meisten Amerikaner liegt der Irak-Krieg weit zurück. An diesem Jahrestag sollten sie sich an ihre Schuld erinnern, die sie gegenüber dem Irak haben - an das, was zerstört wurde, und an das, was hinterlassen wurde. Sie sollten sich daran erinnern, dass die Iraker einst ein stolzes Volk waren - und wissen, dass sie ihr Land mit der Zeit und mit Hilfe wieder zurückerobern werden", schreibt die WASHINGTON POST.