22. März 2023
Die internationale Presseschau

Mit Kommentaren zum Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi in Moskau, der Ukraine-Reise des japanischen Ministerpräsidenten Kishida und dem möglichen Klageverfahren gegen den ehemaligen US-Präsidenten Trump. Auch die Rentenreform in Frankreich ist weiterhin Thema vieler Kommentare.

Eine Frau hält ein Protestplakat in die Luft. Ringsherum sieht man andere Protest-Teilnehmer.
Viele Zeitungskommentatoren weltweit befassen sich mit der Rentenreform in Frankreich. (Christophe Ena / AP / dpa / Christophe Ena)
Die dänische Zeitung POLITIKEN kommentiert: "Operation gelungen, Patient tot. Ganz so drastisch ist die Lage in Frankreich nicht, aber fast. Präsident Macron hat seine Rentenreform unter Umgehung des Parlaments durchgesetzt, und im Prinzip hat er auch recht. Es ist unhaltbar, dass die Franzosen mit 62 in Rente gehen, während die Lebenserwartung bei rund 82 Jahren liegt. Aber es ist der falsche Weg, einen so umstrittenen Beschluss ohne Abstimmung im Parlament durchzusetzen. Selbst wenn die Verfassung diese Möglichkeit vorsieht, hat die Sache einen undemokratischen Beigeschmack. Die große Mehrheit der Bevölkerung ist nicht nur gegen die Rentenreform, sondern auch gegen diese Vorgehensweise", stellt POLITIKEN aus Kopenhagen fest.
Aus Sicht der niederländischen Zeitung DE VOLKSKRANT hat die Rentenreform auch Folgen für den französischen Präsidenten und die politische Landschaft Frankreichs: "Der Gang der Dinge bestätigt Macrons Image als arroganter Spitzenpolitiker, der sich zu weit vom Volk entfernt hat. Auf diese Weise besiegelt die Rentenreform das Scheitern des Macronismus. 2017 wurde der junge Macron mit einem Programm gewählt, das Frankreich dynamischer und unternehmerischer machen sollte. Er hat es nicht geschafft, die Franzosen zu einen. Unter seiner Führung haben sich die Gräben nur vertieft. Dass sein Reformversuch aus der politischen Mitte heraus nicht überzeugen kann, eröffnet den Extremen von links und rechts neue Chancen", befürchtet DE VOLKSKRANT aus Amsterdam.
Ähnlich sieht es L’OPINION aus Frankreich: "Innerhalb von elf Monaten hat Emmanuel Macron den Vertrauensvorschuss der Wähler verschleudert. Wegen seiner Hartnäckigkeit bei der Durchsetzung der rein finanzpolitisch motivierten und ungerechten Rentenreform sind immense soziale und politische Schäden entstanden. Am besten wäre es natürlich, wenn er seinen Fehler eingestehen würde, aber seine Überheblichkeit macht dies unwahrscheinlich. Was sollte er also tun? Es gibt zwei Themen, mit denen Macron versuchen könnte, diese zweite, so miserabel verlaufende Amtszeit zu retten: den Umweltschutz und die öffentlichen Dienstleistungen, zwei drängende Baustellen, deren Bedeutung wir täglich zu spüren bekommen. Emmanuel Macron muss zeigen und beweisen, dass er nicht nur von der Finanzlogik und dem Fahrplan der Rechten getrieben wird", verlangt L’OPINION aus Paris.
Die britische TIMES nimmt den dreitätigen Staatsbesuch von Chinas Präsident Xi Jinping in Moskau zum Anlass, um die gegenseitigen Abhängigkeiten der beiden Länder zu analysieren: "Das durch die westlichen Sanktionen geschwächte Russland braucht China als Absatzmarkt für seine Energieexporte und als Lieferant für Konsumgüter und Technologien wie Computerchips. Für China bietet die Partnerschaft den Zugang zu billigem Gas, Militärtechnologie und einen Verbündeten in seinem langfristigen strategischen Wettbewerb mit den USA. Der Besuch ist eine Herausforderung für den Westen, der bislang versucht hat, Putin zu isolieren und Russland als Schurkenstaat darzustellen. Da Xi diesen Pariastatus nicht teilen möchte, andererseits auch nicht in einen Sanktionskrieg mit den USA und der Europäischen Union verwickelt werden will, ist er darauf bedacht, sich als Friedensstifter darzustellen", schreibt THE TIMES aus London.
Die lettische Zeitung DIENA ergänzt: "Besondere Aufmerksamkeit gilt dem von China initiierten 12-Punkte-Plan für einen Frieden in der Ukraine. Da der Plan allerdings vorsieht, Russland besetzte Gebiete zu überlassen, geht die Chance gegen Null, dass er von der Ukraine und ihren westlichen Partnern akzeptiert wird. Insofern ist dieses Vorhaben Pekings und die respektvolle Haltung Russlands nichts anderes als ein diplomatisches Manöver ohne echte Grundlage", findet DIENA aus Riga.
Die polnische RZECZPOSPOLITA ist sich sicher: "Die Anwesenheit von Xi Jinping in Moskau ist nicht nur für den Westen, sondern auch für die russischen Eliten ein klares Signal, dass Putin einen verlässlichen Unterstützer hat. Peking kann nicht zulassen, dass das Regime in Russland gestürzt wird, und erst recht nicht, dass dort der Prozess der Demokratisierung des Landes beginnt. Den Chinesen ist bewusst, dass sie in einem solchen Fall mit dem Westen allein gelassen würden und ihren einzigen Verbündeten im UNO-Sicherheitsrat und im Club der Atomwaffenstaaten verlieren würden", notiert RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die türkische Zeitung KARAR blickt auf die Haltung des Westens: "Der westliche Block versucht jetzt einerseits, China einzukreisen, andererseits Russland in der Ukraine eine Niederlage zu bereiten. Gleichzeitig versucht man, eine Annäherung zwischen China und Russland zu verhindern, und noch wichtiger: eine Zusage Chinas für Waffenlieferungen auszuschließen. Der Westen weiß zwar, was er will, aber nicht, wie er das erreichen soll", stellt KARAR aus Istanbul fest.
parallel zum russisch-chinesischen Treffen in Moskau ist Japans Ministerpräsident Kishida zu einem Besuch in der Ukraine eingetroffen. YOMIURI SHIMBUN aus Tokio erläutert: "Kishida wollte die Reise wohl noch vor dem G7-Gipfel im Mai in Hiroshima verwirklichen. Als einziges asiatisches G7-Mitglied hat Japan große Verantwortung bei der Verschärfung der Sanktionen gegen Russland übernommen und spielt eine führende Rolle bei der Unterstützung für die Ukraine. Das erwartet die Ukraine wohl auch."
Die chinesische Staatszeitung XINJINGBAO kritisiert den Besuch dagegen als "Show": "Kishida ist offenkundig von den übrigen G7-Staaten zu der Reise gedrängt worden. Im Gegensatz zur behutsameren Diplomatie seiner Amtsvorgänger, die sich noch um freundschaftliche Beziehungen zu Moskau bemüht hatten, hat sich Kishida nun ganz klar auf die Seite des Westens geschlagen. Mit diesem Schritt passt er sich nicht nur an die ‚Political Correctness‘ der G7 an, sondern will damit auch innenpolitisch punkten und seine bislang mäßigen Umfragewerte verbessern", vermutet XINJINGBAO aus Peking.
Wir blicken in die USA, wo dem ehemaligen Präsidenten Trump möglicherweise eine Anklage und eine Festnahme drohen. Die mexikanische Zeitung LA RAZON kommentiert: "Gegen Trump hat es bereits viele ernsthafte Anschuldigungen gegeben, und trotzdem hat er es bis heute geschafft, nicht verurteilt zu werden. Nun aber sieht es so aus, als könnte Trump ausgerechnet die Pornodarstellerin Stormy Daniels zum Verhängnis werden. Während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 wollte Trump verhindern, dass sie über ihre Affäre mit ihm sprach, und er bot ihr dafür Schweigegeld an. Vor allem aber wurde die Summe in Höhe von 130.000 Dollar von Trump als Wahlkampfausgabe deklariert, und dafür muss er sich nun in New York vor der Justiz verantworten. Wie heißt es doch? Die größte Gefahr für einen Mann geht von den Frauen aus, die er zuvor schlecht behandelt hat", vermerkt LA RAZON aus Mexiko-Stadt.
Die WASHINGTON POST überlegt zu den Folgen eines möglichen Gerichtsverfahrens: "Es ist ein Grundsatz unseres Strafrechts, dass Staatsanwälte sich mit dem Verbrechen befassen sollen, und weniger mit der Person. Das bedeutet, dass niemand, auch nicht Trump, über dem Gesetz steht. Es bedeutet aber auch, dass niemand, auch nicht Trump, schlechter behandelt wird – gleich, was er sonst noch getan hat oder wie sehr einige von uns ihn verabscheuen. Es war vorhersehbar, dass Trump die Berichte über die Verhaftungs-Pläne zum Anlass nehmen würde, um erneut den Mob auf den Plan zu rufen. Ist dieser Fall den Aufruhr wert, den er für eine bereits zerrissene Nation bedeuten würde? Das Risiko müssen wir eingehen. Der Rechtsstaat sollte Trump vor einer ungerechtfertigten Strafverfolgung schützen, aber er muss ihn auch für seine Handlungen zur Rechenschaft ziehen", fordert die WASHINGTON POST, und damit endet die Internationale Presseschau.